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Entschuldigung, wie geht Glück?

von Julia Drewes
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Eins steht fest: Wir alle verzehren uns nach diesem diffusen Etwas namens Glück. Wir wünschen es uns zu Geburtstag und Hochzeit, zur Führerscheinprüfung, zum Bewerbungsgespräch. Und wer der antriebslosen Fortuna einen Schubser geben möchte, der versucht es mit einem Talisman. Ihnen sprechen wir besondere Kräfte zu. Sie sollen uns, das Haus und den Hof beschützen, Geister vertreiben, Wohlstand bringen, Wunder bewirken. Aktuell haben sie wieder besonders viel zu tun, die Glücksbringer von Schornsteinfeger über Klee bis Schweinchen. Kurz vor und nach dem Jahreswechsel, wo alles auf Neustart steht, sind sie ein willkommenes Mitbringsel – oder ein Geschenk für sich selbst. Hier gilt: Viel hilft viel.

Und das alles, weil wir Menschen vom Glück Besitz ergreifen, es packen und am liebsten fest an uns drücken möchten, damit es so schnell nicht wieder entkommen kann. Denn, wie schon der berühmte Übergangslüneburger Heinrich Heine (1797 – 1856) nicht ganz politisch korrekt konstatierte: „Das Glück ist eine leichte Dirne […], und küßt dich rasch und flattert fort.“

Glück ist also kein Dauerzustand, damit scheinen wir uns abgefunden zu haben. Bleibt die Preisfrage: Wie kommen wir ihm – möglichst regelmäßig – auf die Schliche?

Glück ist eine Entscheidung

„Da müssen wir erst einmal genauer differenzieren“, sagt Rednerin Anika Schön, die zu diesem Thema seit Jahren erfolgreich Vorträge hält. Für alle, die sich nicht geschlagen geben wollen, sich ein glücklicheres und zufriedeneres Leben herbeisehnen. „Da gibt es das, was wir als zufälliges Glück betrachten, Situationen, die wir nicht beeinflussen können wie beispielsweise die Lotterie. Dem gegenüber steht das allgemeine, ganz subjektive Gefühl von Lebensglück. Etwas, das man mit einer tiefen Zufriedenheit gleichsetzen kann“, so die Soltauerin.

Worin das besteht, empfinde jeder Mensch anders. Aspekte wie Familie und Freundschaften, Liebe, Beruf, Geld, Gesundheit, Freizeit können darauf Einfluss haben, erklärt sie, aber nur zum Teil. Denn, da ist Schön sich sicher: Glück ist eine Entscheidung.

Den Blickwinkel ändern

„Unser Problem ist, dass wir viel zu viel bewerten“, weiß die 47-Jährige aus eigener Erfahrung. „Dieses Bewerten ist evolutionär bedingt und hatte den Sinn, Situationen und potenzielle Gefahren einzuschätzen. Da ging es früher unter Umständen ums Überleben.“

Zwar sei die Situation heute nicht mehr so dramatisch wie in der Steinzeit, aber dieser Automatismus stecke nach wie vor tief in uns. Leider liege der Fokus jedoch viel zu oft auf den negativen Ereignissen. Was vielen von uns abhanden gekommen sei, so die Expertin, sei ein Bewusstsein für die Dinge, die gut laufen, schön sind – im Großen wie im Kleinen.

„Es kommt außerdem darauf an, Probleme auch aus einem anderen Blickwinkel wahrnehmen und das Gute darin entdecken zu können.“
Menschen diese Blickwinkel aufzuzeigen, sie davor zu bewahren, sich selbst im Weg zu stehen, sie wachzurütteln und in ihnen das Bewusstsein wecken, dass nahezu alle das Zeug dazu haben, glücklich zu sein – darin sieht Anika Schön heute ihre Berufung auf der Bühne und vor ihrem Publikum. Für viele ihrer ehemaligen Zuhörer ist sie so etwas wie die Streicholzschachtel geworden, an der sie das eigene Feuer (neu) entfachen konnten.

„Das Sprichwort ‚Jeder ist seines Glückes Schmied‘ kommt ja nicht von ungefähr“, bemerkt sie. „Wir leben in einer Zeit, die uns alles bieten kann, was wir uns wünschen: Im Idealfall haben wir einen Job, eine*n Partner*in, ein warmes Zuhause, Nahrung im Überfluss und vieles mehr. Man muss sich aber bewusst machen, dass das eben nicht selbstverständlich ist.“

Glücklich sein ist ein Prozess

Um ihr Publikum dafür zu sensibilisieren, um den ersten Funken in Gang zu setzen, liefert sie Anekdoten und Methoden, gibt konkrete Praxistipps auf Grundlage von Dingen, die großen Einfluss auf sie selbst hatten. „Glücklich sein ist ein Prozess“, so Schön. „Dafür muss ich mir aber erstmal bewusst werden, was mich überhaupt glücklich macht“, erklärt sie. In sich selbst hineinhorchen, was das letzte positive Gefühl war und was es ausgelöst hatte. Sie selbst bewege sich seit vier Jahren auf diesem Weg und sei schon ein gutes Stück vorangekommen, habe viele Antworten gefunden. „Trotzdem muss ich täglich an mir arbeiten. Und dieser Pfad, das weiß ich jetzt schon, wird nie enden.“

Das Wendemanöver, das sie ihrem Publikum nahelegt, hat Anika Schön selbst hinter sich. Von außen betrachtet, sagt sie, war alles in bester Ordnung. Doch an ihrem Inneren nagte die Unzufriedenheit. „Ich hatte alles, was man sich wünschen kann: einen tollen Mann, ein großartiges Kind, ein Dach über dem Kopf, tolle Jobs – das Glück war immer da, ich habe es bloß lange Zeit nicht bemerkt, weil mir der Blick dafür fehlte.“

Foto: nh/coranoir

Mir ist klar geworden, was für ein unfassbares Geschenk es ist, überhaupt am Leben zu sein. Mir ist klar geworden, dass es nicht selbstverständlich ist, dass man morgens aufsteht, dass man gesund ist.
Anika Schön, Rednerin

Ihr 43. Geburtstag legte dann den Schalter im Kopf um. „Meine Mutter ist mit 43 Jahren gestorben und als ich so alt wurde, ist mir klar geworden, was für ein unfassbares Geschenk es ist, überhaupt am Leben zu sein“, schildert sie ihre Gedanken. „Mir ist damals klar geworden, dass es nicht selbstverständlich ist, dass man morgens aufsteht, oder dass man gesund ist. Ich habe mir gesagt ‚Deine Mutter hatte ihr Leben mit 43 nicht mehr. Ich habe es, also mach was aus dem Geschenk!‘ – Und dann habe ich mich auf die Suche gemacht.“

Mit der Absicht, ihr Leben komplett auf Links zu krempeln, den Fokus auf die persönliche Zufriedenheit zu legen, besucht sie Workshops, liest Fachliteratur zum Thema, lässt sich coachen. Schön steckt jede freie Minute in die eigene Persönlichkeitsentwicklung – mit Erfolg, denn ihre Sicht auf Dinge habe sich mit der Zeit von negativ zu positiv verschoben.

„Viele Menschen scheinen irgendwann in eine Phase zu kommen, die Fragen aufwirft, etwa ‚Wars das jetzt, oder kommt da noch was?“ Ein Patentrezept, räumt sie ein, kenne auch sie nicht. „Aber ich sage den Menschen: Finde heraus, was für dich wirkt, was Dich glücklich macht.“

Zeit für sich selbst

Das könne vieles sein, für sie selbst z. B. ist es unter anderem ihr Morgenritual, bei dem sie die erste halbe Stunde des Tages nutzt, um sich mit Hilfe eines Tagebuches bewusst zu machen, wofür sie dankbar ist, was anliegt und wie ihr Tag idealerweise aussehen soll. Das ändere das Mindset – und wenn man es täglich mache, auch den Fokus.

„Und damit sind wir bei meiner wohl wichtigsten Botschaft: Nehmt euch Zeit für euch selbst!“, so Schön. „Dicht gefolgt von: ‚Lasst euch nicht von euren eigenen Gedanken kontrollieren, macht es umgekehrt‘“, fügt sie hinzu. Gerade bei Routine-Tätigkeiten, dem Abwasch, dem Zähneputzen etc. schweiften die Gedanken leicht ab. „Wer versucht, gedanklich im Hier und Jetzt zu bleiben, tut sich etwas Gutes“, erklärt sie.

„Denn wenn wir mit den Gedanken in der Vergangenheit oder in der Zukunft sind, denken wir ja eher selten an Positives. Wir denken zum Beispiel an ein längst vergangenes Ereignis, wo wir gekränkt oder verletzt wurden, eines, das wir noch nicht loslassen konnten.

Oder wir sorgen uns um etwas, das in der Zukunft liegt, von dem wir nicht wissen, wie es ausgeht. Sind wir mit den Gedanken aber wirklich im absolut gegenwärtigen Moment, bei dem, was wir tun, sind wir selten unglücklich. Es sei denn, uns reißt gerade jemand ein Bein aus – das wäre dann sehr schmerzvoll, aber das ist ja eher selten der Fall.“

Das Glück war immer da, ich habe es bloß lange Zeit nicht bemerkt, weil mir einfach der Blick dafür gefehlt hat
Anika Schön

Jetzt ist der beste Zeitpunkt

Ein weiterer, entscheidender Faktor sei laut Schön, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. „Mal abgesehen davon, dass wir leicht in Versuchung geraten, die Schuld bei anderen zu suchen und uns selbst damit in eine Opferrolle versetzen, lässt sich festhalten: wir haben vielleicht nicht immer die Kontrolle darüber, was uns passiert, aber wir haben immer eine Wahl, wie wir damit umgehen und die Dinge betrachten wollen“, ergänzt sie.

Das erfordere jedoch auch Bewusstheit und unseren Willen, Entscheidungen zu treffen, auch solche, die möglicherweise unangenehme Folgen hätten. „Es gibt Menschen, die stehen zehn Minuten lang vor dem Joghurt-Regal und wissen danach immer noch nicht, welche Sorte sie wollen. Das ist womöglich bei wichtigen Entscheidungen nicht anders und ehe wir uns versehen, trifft jemand anderes bzw. das Leben eine Entscheidung für uns. Das ist einfach tödlich, denn je weniger Entscheidungen wir selbst treffen und je mehr wir es anderen überlassen, um so machtloser fühlen wir uns“, erklärt sie den Mechanismus.

Das lasse sich trainieren, so die Expertin. Je mehr Entscheidungen man treffe, auch die kleinen, schnellen und vermeintlich unwichtigen am Joghurtregal, umso mehr verstärke sich das Gefühl, dass die Kontrolle über das eigene Leben bei einem selbst liegt. „Wer wirklich glücklich werden will, muss das wollen. Und wenn die Entscheidung gefallen ist, auch aktiv am eigenen Glück arbeiten. Die Entscheidung muss fallen.“ Der beste Zeitpunkt, so Anika Schön, ist immer genau jetzt. 

Teil 2: Interview mit Glücksmediator Dominik Dallwitz-Wegner

 

Glück für Einsteiger

Hier sind drei leicht in den Alltag integrierbare Tricks, die – regelmäßig umgesetzt – laut Anika Schön einen erheblichen Einfluss auf die eigene Zufriedenheit haben. Mehr zu entdecken gibt es auf ihrem neuen Blog unter www.happybymyself.de.

Ändern Sie den Fokus

Wir sind oft so im Stress oder mit negativen Dingen beschäftigt, dass wir viel zu selten bemerken, wie viel Schönes uns umgibt oder geschieht. Fangen Sie an, sich auf das Schöne in Ihrem Leben zu fokussieren. Tipp: Schreiben Sie jeden Abend drei Dinge auf, die an diesem Tag schön waren – vom atemberaubenden Sonnenaufgang bis hin zu persönlichen Erfolgen.

Praktizieren Sie Dankbarkeit

Dankbarkeit ist der schnellste Weg, um das eigene Glücksempfinden zu beeinflussen. Seien Sie ehrlich: Nehmen Sie nicht auch vieles als selbstverständlich oder vergessen im täglichen Einerlei, das, was Sie haben, zu wertschätzen? Tipp: Schreiben Sie jeden Morgen drei Dinge auf, für die Sie dankbar sind. Wichtig: Schreiben Sie es nicht einfach so dahin – fühlen Sie es auch!

Nehmen Sie sich bewusst Zeit für sich

Halten Sie inne, entschleunigen Sie. Leicht umsetzbar und mit vielen positiven Nebeneffekten sind Spaziergänge in der Natur. Sie sind der wichtigste Mensch in Ihrem Leben und Sie sind der einzige Mensch, der für Ihr Glück verantwortlich ist. Schauen Sie nach innen: Was brauchen Sie, was erfüllt Sie, was macht Sie glücklich? Finden Sie es heraus und tun Sie mehr davon!

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