Startseite » Entschuldigung, wie geht Glück (Teil 2)

Entschuldigung, wie geht Glück (Teil 2)

von Melanie Jepsen
Erschienen: Zuletzt aktualisiert:

Kann man Glück lernen? Zumindest lässt sich das eigene Mindset anpassen, sodass man Dinge aus einem positiveren Blickwinkel betrachten kann, sagt Diplom-Soziologe und Glückstrainer Dominik Dallwitz-Wegner. Er war Mitgründer und Leiter des Heidelberger Fritz-Schubert-Instituts (FSI), das das „Schulfach Glück“ im deutschsprachigen Raum verbreitet. Heute ist der in Hamburg lebende Dallwitz-Wegner als Lehrbeauftragter des FSI im Einsatz, entwickelt und erteilt Seminare zum Thema „Glück, Zufriedenheit und Positive Intelligenz“. Aktuell doziert Dallwitz-Wegner an der Lüneburger Leuphana Universität. Er sagt: Glück ist letztendlich nur eine Sammelbezeichnung positiver Gefühle – und alles, was positive Gefühle in einem selbst auslöst, ist auch ein Auslöser für Glück. Die PRISE wollte es genauer wissen. Ein Interview.  

Foto: nh/GEIGER IMAGES

So etwas wie eine Waschmaschine kann ein wunderbarer Auslöser für Glück sein, wenn man sich klar macht, was diese Waschmaschine überhaupt bedeutet. Wie viel Zeit sie einem einspart.
Dominik Dallwitz-Wegner, Glücksmediator
 

Herr Dallwitz-Wegner, warum ist die Förderung des Glücks so wichtig?

Das ist die Basis von allem. Wenn wir unglücklich sind, dann funktionieren wir nicht mehr richtig. Wenn wir lange unglücklich sind, dann werden wir krank. Wir sind nicht nur destruktiv, sondern auch unproduktiver, wenn wir unglücklich sind. Das heißt, eine Zufriedenheit zu haben und viele Glücksmomente, mit Krisen gut zurechtzukommen, ist die absolute Grundlage für ein gutes Leben und eine gute Gemeinschaft.

Wovon hängt unser Glück denn ab?
Von ganz unterschiedlichen Dingen. In erster Linie von Einstellungen und Verhaltensweisen. Letztendlich habe ich da selbst auch ein gutes Wort mitzureden, was das Glück angeht. So wie ich mir die Welt denke, so fühle ich dann entsprechend auch oft. Daneben gibt es noch andere Dinge, die einen starken Einfluss haben. Meine genetische Voraussetzung zum Beispiel, also ob ich viel Serotonin ausschütte, oder viel Dopamin produziere. Dann gibt es noch einen kleinen Bereich, das sind die Lebensumstände. Von denen hängt aber Glück nicht so sehr ab. Ein bisschen schon, von Geld, Wohnung, Familienstatus und solchen Dingen. Aber es spielt keine so große Rolle. Reiche Menschen können unglücklich sein und ärmere glücklich. Die wichtigsten zwei Faktoren für Glück sind genetische Voraussetzungen und Einstellungen und Verhaltensweisen.

Sie haben das „Schulfach Glück“ für das FSI im deutschsprachigen Raum etabliert. Worum geht es da genau? 
Das „Schulfach Glück“ ist ein Programm für Persönlichkeitsentwicklung. Es geht darum, sich selbst und das gemeinsame Miteinander besser zu verstehen und positiver zu erleben. Das Motto von Ernst Fritz-Schubert fasst das gut zusammen: Vom Erdulden zum Gestalten. Wenn ich weiß, wer ich bin, was ich brauche, was ich kann und was ich will, dann werde ich mit Schwierigkeiten besser umgehen und als Belohnung Glücksgefühle sowie Lebenszufriedenheit spüren. Als ich das Schulfach Glück kennengelernt habe, war ich sehr begeistert, weil es ein sehr komplexes Konzept ist. Es ist ein tiefgreifendes psychologisches Prinzip mit faszinierender Wirkung. In den Weiterbildungen zu erleben, dass die Lehrkräfte darin aufgehen, dass sie Spaß haben und anfangen, Erfahrungen zu sammeln. Manchmal ist es anspruchsvoll und schwierig, ganz oft ist es leicht und witzig. Die Lehrer berichten ganz tolle Sachen von den Schülern, zum Beispiel, dass sie sich bedanken oder dass sie anders auf die Mitschüler eingehen, stärkenorientiert sind und optimistisch in die Welt schauen. Dies ist toll und das müssen wir immer mehr fördern. Das haben wir viel zu wenig in den Schulen. Ich möchte Bestandteil sein von einer anderen Art von Schule, also von einer Schule, die Menschen unterstützt und Persönlichkeiten entwickelt. Die auch psychologisch sehr stark geprägt ist.

Wie ist die Resonanz der Schüler?
Das ist sehr unterschiedlich und hängt sehr von der Form ab, wie das „Schulfach Glück“ angeboten wird. Wenn es ein Wahlpflichtfach ist, wählen es die Schüler aktiv und profitieren sehr davon und haben viel Spaß. Andere Schüler öffnen sich manchmal erst Stück für Stück für das Konzept.

Lässt sich das Glücklichsein also tatsächlich erlernen?
Kinder haben schon seit der Geburt die Veranlagung für Glück und Unglück. Die Gene und unsere Früherfahrungen geben uns vor, ob wir eher leiden, eher Spaß haben, beides oder keins von beiden. Allerdings sind wir dem nicht ausgeliefert. Wir können auch später im Leben ganz viel lernen, beispielsweise die Dinge nicht als gegeben anzusehen, sondern sie mehr wertzuschätzen. So etwas wie eine Waschmaschine kann ein wunderbarer Auslöser für Glück sein, wenn man sich klar macht, was diese Waschmaschine überhaupt bedeutet. Wie viel Zeit sie einem einspart, wie viel Freiheit sie bestimmten Bevölkerungsgruppen in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten gegeben hat. Großartig! So kann man eigentlich durch die Welt gehen und lernen, sich an allem zu erfreuen.

Welchen Einfluss hat die aktuelle Situation unter Covid-19 auf unser Glücksempfinden
Die Pandemie macht sehr viel mit uns. Zum einen schaue ich mir die Forschung dazu an und die sagt grundsätzlich, dass es durch diese Krisensituation eine Senkung des Glücks insgesamt im Mittelwert gibt. Das sieht man bei vielen Krisen. Allerdings sind es Mittelwerte. Das heißt, es gibt Menschen, die gehen damit sehr gut um und es gibt Menschen, die leiden sehr stark unter der Situation. Das liegt eben wiederum daran, welche Einstellungen und Verhaltensweisen diese Personen gelernt haben. Welche Glaubenssätze sie haben, ob sie Kräfteressourcen angehäuft haben, um mit solchen Situationen besser umzugehen. Es kommt also ganz darauf an, wie ich aufgestellt bin, was ich gelernt habe in meinem Leben.

Sie waren lange in der Marktforschung tätig und haben sich dann 2007 komplett neu aufgestellt. Was war der Auslöser?
Es war sogar eine ganze Phase, die mich dazu bewogen hat. Ich hatte ja eigentlich einen perfekten Job. Ich habe viel Geld verdient, war international unterwegs. Allerdings hat mir eine ganz große Sache gefehlt und das war der Sinn meiner Arbeit. Irgendwann habe ich nicht mehr verstanden, warum ich das eigentlich tue, was ich tue. Verstanden habe ich meine Arbeit sehr gut. Ich konnte so gut wie alles bewältigen, was beruflich auf mich zukam. Aber der Sinn hat mir komplett gefehlt. Gleichzeitig habe ich mich mit einem Bereich auseinandergesetzt, der mich begeistert und absolut reingezogen hat. Das war die positive Psychologie. Das war großartig. In der Zeit um 2000 hat es angefangen in der Öffentlichkeit mit Konferenzen auf der ganzen Welt. Ich war auf ganz vielen Versammlungen, habe tolle Menschen kennengelernt, spannende, intelligente und witzige Forscher, die sich mit dem Thema Glück auseinandersetzen. Und die Ergebnisse haben mich begeistert. Das hat mich dann dazu gebracht, alles hinzuschmeißen und diese Erkenntnisse in Wirtschaft und Bildung zu bringen.

Sie verstehen sich als Vermittler zwischen Forschung und Praxis. Wie darf man sich das vorstellen?
Ich bin Glücksmediator, der einzige Gücksmediator wahrscheinlich, weil ich den Namen erfunden habe. Es geht tatsächlich darum, dass ich Wege finden möchte, die verlässlich sind. Unter anderem durch Anregungen der Forschung. Ich sehe es als Aufgabe, all das was die Forscher entwickeln, daraufhin zu prüfen, was es für Schulen, für Lehrkräfte, für Schüler aber auch für die Wirtschaft, Führungskräfte oder Mitarbeiter bedeutet. Wenn ich solche Dinge gefunden habe, die besonders wirkungsvoll sind, dann verpacke ich diese in unterhaltsame Seminare und Vorträge und verbreite sie.

Sind Sie heute also glücklicher als früher?
Im Mittelwert bin ich glücklicher geworden. Früher war ich schon ein optimistischer Mensch. Allerdings habe ich wirklich in den letzten 13 Jahren sehr an Lebenszufriedenheit gewonnen. Beispielsweise an Gelassenheit. Ich rege mich über bestimmte Dinge nicht mehr auf. Über andere Dinge rege ich mich viel später auf, als ich das früher getan habe. Ich genieße viele Dinge mehr. Ich bin viel dankbarer geworden. Dahingehend hat mein Leben sehr gewonnen durch die Beschäftigung mit dem Glück. Meine Art des Denkens hat sich komplett verändert.

Chemie des Glücks

In den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben Wissenschaftler herausgefunden, dass das Gefühl von Glück oder Unglück von sogenannten Neurotransmittern abhängt. Das sind Botenstoffe des Nervensystems, die für die Übertragung von Reizen zuständig sind. Zu den bekanntesten Transmittern gehören neben Adrenalin, unserem Stresshormon, die Hormone Dopamin und Serotonin sowie die Endorphine. Wir sprechen bei den dreien von „Glückshormonen“. Sie übertragen den Befehl „Sei glücklich“ von einer Nervenzelle zur anderen bis er das Gehirn erreicht. Der zentrale Botenstoff ist hier das Dopamin. Sein Info-Pool umfasst freudige Erwartungen, Vergnügen, Begeisterung, Lust und Freude. Richtig gut: Dopamin hilft dabei, Glücksmomente im Kopf zu speichern. Später reicht dann allein die Erinnerung daran aus, um die Ausschüttung der Glücksgefühle wieder zu starten. Der menschliche Körper verbreitet Dopamin, Serotonin und Endorphine in unterschiedlichen Situationen, z. B. beim Lachen und Singen, Sport oder Sex. Zur Ausschüttung von Serotonin führt aber auch der Genuss von Schokolade. Das Hormon dämpft unsere Angstgefühle und mindert Sorgen und Kummer.

Weitere interessante Artikel

Jetzt kommentieren.