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Noch alle Gläser im Schrank?

von Josephine Wabnitz
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Ein typisches Bild in der Serie „Downton Abbey“: Der Tisch ist zum mehrgängigen Menü reich gedeckt, mit Silberbesteck und mehreren Weingläsern an jedem Platz. Sieht schön aus … aber braucht man wirklich so viele Gläser? Sicher gibt es dafür nicht nur ästhetische Gründe, doch erklären könnte ich es nicht. In meiner Welt sind Weingläser echt ein Thema, ich möchte darüber besser Bescheid wissen. Also frage ich jemanden mit mehr Expertise. Sebastian Mac Lachlan ist ausgebildeter Sommelier und arbeitet als Key Account Manager bei Zwiesel Glas mit Sitz im Bayerischen Wald. Bereitwillig nimmt er sich Zeit für mich und so kommen wir ins Gespräch.

In diesem Monat betrachte ich den Weingenuss von einer ganz anderen Seite.

Gut durchdacht

„Es gibt unzählig viele Weingläser – fangen wir mit ihren Gemeinsamkeiten an. Das Glas besteht aus drei Teilen: Der Bodenplatte für die Stabilität, dem Stiel zum Greifen und dem Kelch, auch Cuppa genannt.“ Die Kelchform ermögliche uns, den Wein beim Sehen, Riechen und Schmecken richtig wahrzunehmen. „Das Glas sollte klar und durchsichtig sein, damit die Weinfarbe gut sichtbar ist.“ Das Auge isst, oder trinkt, ja bekanntlich mit. „Die meisten Aromen erkennen wir mit der Nase, das Getränk muss sich dafür im Glas entfalten können.“ Gläser seien in ihrer Mitte breiter, wo der Wein mit Sauerstoff in Kontakt trete. Oben liefen sie konisch zu, um das Bouquet zu binden und zielgenau auf die Nase zu richten. „Der Auftakt auf der Zunge wird ebenfalls durch die Kelchform bestimmt. Je weiter der Rand geöffnet ist, desto zentraler werden die Geschmacksknospen bespielt und der Wein kann in seiner Gesamtheit genossen werden.“

So weit, so gut. Warum sind die Gläser dennoch so unterschiedlich? „Ganz einfach: Jeder Wein hat andere Anforderungen.“ Man habe zu bedenken, dass mit breiterem Umfang des Kelchs auch ein verstärkter Sauerstoffaustausch stattfände. Die Oxidation verändere den Wein und beeinflusse seine Aromatik. „Ein junger Wein etwa, der von seinen Primäraromen lebt und nicht allzu lange gelagert werden sollte, verliert in einem großen Glas seinen Charme – seine Aromen verpuffen. Andersherum gedacht werden sich die Sekundär- und Tertiäraromen eines vielschichtigen Weines in einem zu kleinen Glas gar nicht ausbreiten können, somit wird sein Potenzial nicht ausgeschöpft.“

Für jeden Wein ein anderes Glas

Man habe bereits versucht, Universalgläser zu entwickeln – das Ergebnis scheint nicht vollständig zufriedenzustellen. „Die Thematik wird unter Sommeliers nach wie vor heftig diskutiert“, so Mac Lachlan. Sinnvoll seien solche Gläser sicher bei professionellen Verkostungen, vor allem weil sie die Stilistik des Winzers unterstrichen. „Für den Endverbraucher, der einen tollen Wein zum Essen erleben möchte, ist das meiner Meinung nach aber nicht das Richtige.“

In meiner Studentenwohnung kann ich aus Platzgründen nicht viel aufbewahren, dennoch möchte mein Glasschrank gut ausgestattet sein. Welche Gläser sollte man sich unbedingt zulegen? Mac Lachlan empfiehlt eine Zwei-Glas-Politik: „Ein etwas kleineres für frische Weißweine und leichte Rotweine, und ein größeres für üppige weiße und opulente rote. Wer möchte, ergänzt dies noch um ein Sektglas.“

Diese sogenannten Sektflöten haben einen sehr schmalen Kelch. Ist das in Bezug auf den Geschmack sinnvoll? „Jein. Wenn wir einen frischen Sekt beim Empfang servieren, um den Appetit anzuregen, dann stehen eher die Frucht und die animierende Kohlensäure im Vordergrund“, erklärt der Sommelier. Je schmaler das Glas, desto mehr „Perlen“ blieben erhalten, der Sekt schmecke lebendig und das Sprudeln mache optisch was her. „Die Flöten sind also ideal zum Servieren des Aperitifs.“ Ganz anders sei es jedoch, wenn man den Schaumwein als Essensbegleiter einsetze: „Im Menü möchte man dem Wein ermöglichen, sich von seiner besten Seite zu zeigen. Dann sollte man lieber zum klassischen Weißweinglas greifen.“

Zum Glück auch spülmaschinenfest

Ein kleiner Digestif kann nie schaden, finde ich. Doch für Spirituosen brauche ich sicher zusätzliche Gläser …? „Auf jeden Fall“, stimmt Mac Lachlan mir zu. „Auch hier komme ich gerne auf meine zwei Gläser zurück; helle Brände brauchen ein schmales, langes Glas und braune Brände mit Fasslagerung ein bauchiges.“

Nach dem Essen gleich den Abwasch zu erledigen ist manchmal wirklich lästig. Dürfen die Weingläser auch mal in der Maschine verschwinden? „Standardmäßig sind viele Gläser heute spülmaschinenfest und leiden nicht darunter. Zwiesel Gläser beispielsweise halten 2000 Spülgänge aus, bevor ein Verschleiß feststellbar ist – das sind ganz schön viele Menüs.“ Ich wasche meine mundgeblasenen, filigranen Gläser aber lieber von Hand ab. „Das kann ich natürlich verstehen. Aber aufpassen, dass man den Stiel nicht versehentlich abdreht!“, scherzt er.

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