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Eine Traube erobert die Welt

von Josephine Wabnitz
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Der „trockene Januar“ ist vorbei. Für alle, denen das kein Begriff ist: Gemäß eines britischen Trends verzichtet man nach den Festlichkeiten des Dezembers einen Monat lang auf Alkohol. In meiner Familie wird das trotz beruflicher Verpflichtung zum Weinverkosten jährlich praktiziert. Und es lohnt sich! Es hat nicht nur gesundheitliche Vorteile, auch schmeckt das erste Glas Wein im Februar meiner Erfahrung nach umso intensiver. Dieses Mal habe ich mir dafür etwas Besonderes ausgesucht: einen Cabernet Sauvignon aus Chile. Rebsortenrein findet man ihn gar nicht so häufig.
Der Duft schwarzer Johannisbeeren, begleitet von dem Aroma grüner Paprika und dazu kräftige Tannine im Abgang – herrlich! Für mich perfekt, dennoch kann ich mir vorstellen, dass Cabernet kein erklärter Lieblingswein ist. Von „leicht und beschwingt“ keine Spur. Umso mehr staune ich, als ich erfahre, dass er nicht nur zu den „Big Four“ der verbreitetsten Rebsorten gehört, sondern mit über 310 000 Hektar weltweit selbst Merlot, Chardonnay und Sauvignon Blanc übertrumpft. Wie kann das sein, wenn sein Name so selten auf Etiketten auftaucht?

Auch Rebsorten gehen auf Reisen. Und das hat Folgen.

Exzellentes Reifepotential

Ich mache mich auf die Suche nach seinen Wurzeln und werde schnell fündig: Ursprünglich stammt die Rebsorte aus Bordeaux, eine erste Spur findet sich im Jahre 1635. Damals soll Kardinal Richelieu mehrere tausend Rebstöcke davon an einen Abbé versendet haben, so wurde es zumindest urkundlich festgehalten. Ein umstrittener Beweis – tatsächlich schickte er ihm wohl Cabernet Franc. Bis dato bleibt es ein Rätsel, wann Cabernet Sauvignon als natürliche Kreuzung entstand, allerdings konnten 1997 Cabernet Franc und Sauvignon Blanc eindeutig als Elternrebsorten identifiziert werden. Damit wäre zumindest der Name erklärt (in der Weinwelt leider nicht immer so einfach).
Sicher ist, dass Cabernet Sauvignon gegen Ende des 18. Jahrhunderts in seiner Heimat Bordeaux an Bedeutung gewann. Seit jeher sind Bordelaiser Weine Verschnitte mehrerer Rebsorten, deren Hauptteil inzwischen oft der Cabernet ausmacht. Seine intensiven Tannine und seine Säure sorgen für Tiefe und exzellentes Reifepotenzial – 30 Jahre Lagerung schafft ein guter Bordeaux locker. Mit ihrer klaren Struktur und hohen Komplexität begeistern diese Weine seit Langem Kenner von Nah und Fern. Der Siegeszug ihrer Stilistik brachte Nachahmer auf den Plan: Seit Mitte des letzten Jahrhunderts bauten Winzer weltweit die Rebsorte an, um an ihrem Erfolg teilzuhaben. 

Gerne warm

So reiste die Traube an die entlegensten Orte der Welt, noch auf den hinterletzten Weinbergen wächst inzwischen Cabernet Sauvignon. Und das klappt, obwohl die Klimata so verschieden sind? Tatsache: Die Rebe braucht gemäßigte, gering schwankende Temperaturen. Sie hat es gerne warm, kann mit ein bisschen Wassermangel gut umgehen und ist wegen ihrer späten Reife nicht für Frühjahrsfrost anfällig. Quasi eine Universalrebe, könnte man meinen. Sie gedeiht in Nord- und Südamerika, Südafrika und Ozeanien ebenso wunderbar wie in Italien, Deutschland, Bulgarien und anderswo. Ungeachtet seines Standorts bleibt der Cabernet seiner Charakteristik bemerkenswert treu. Das fruchtige Bouquet ist beinahe unverwechselbar. Dennoch ist eine nuancierte Auswirkung des Klimas auf die Aromatik zu erkennen: Bekommt die Rebe besonders viel Sonne (wie etwa in Südafrika), zeigt sich die Cassis-Note eher prägnant. In den vergleichsweise kühlen Gebieten wie Deutschland kommen vegetabile Noten deutlicher zum Vorschein. 

Auf das Anbaugebiet kommt es an

Trotz seines hohen Wiedererkennungswertes kann „Cab Sauv“ also ganz unterschiedlich schmecken. Einen regionalen Touch erhält er zudem vom Winzer, der ihn mit typischen Rebsorten seines Anbaugebiets cuvéetiert. Im Zusammenspiel mit nahezu jeder roten Traube entstehen facettenreiche, glänzende Weine, denen er Langlebigkeit verleiht. In Südafrika vermählt man Cabernet gerne mit dem Shiraz, einer feinwürzigen, delikaten Sorte mit viel Frucht und einem Hauch von Nelke. Auch der Carménère, der in Chile zu Hause ist, ergänzt ihn zu einem vollkommenen Wein und Essensbegleiter kräftiger Speisen. Es gibt auch herausragende sortenreine Cabernet Sauvignons etwa aus dem kalifornischen Napa Valley, diese Weine gehören zu den besten ihrer Art. Aus den Weinbergen Bordeaux rund um den Erdball – die Geschichte des Cabernet Sauvignon fasziniert. Einmal mehr wird mir klar, wie unglaublich vielseitig die Branche ist, in die ich gerade eintauche. Bisher mag ich nur an der Oberfläche gekratzt haben, aber irgendwo muss man ja anfangen.

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