Als jahrelang alleinerziehende, in Vollzeit arbeitende Mutter war es immer mein Ziel, wenigstens an den Wochenenden „Quality Time“ mit meinem Kind zu haben. Diese Zeit war aufgeteilt in pädagogisch wert- und nicht wertvolle Aktivitäten. Zu eben pädagogisch nicht wertvollen Aktivitäten gehörte auch mal ein Fernsehabend mit Zeichentrick und Weingummi oder Popcornbergen. Zu den besonders pädagogisch wertvollen, aber für uns auch richtig schönen Erlebnissen zählte der regelmäßige Besuch des theater im e.novum. Vom Kindergeburtstag über Weihnachtsmärchen bis hin zu über das Jahr verteilten Kinderfabel-Besuchen – wir haben es geliebt! Irgendwann habe ich das Theater auch für mich selbst wiederentdeckt. Ich denke gerne an die vielen unterhaltsamen Aufführungen der „Steifen Brise“ zurück oder die Jugend- und Erwachsen Ensembles, die unter Leitung von Margit Weihe, der Geschäftsführerin, inszeniert wurden.
Mein Kind (Pubertier, wie ich es gerne nenne) ist inzwischen 16 Jahre alt und geht nicht mehr mit mir ins Theater. Aber durch meine Arbeit durfte ich Margit Weihe dann etwas näher kennenlernen und auch ihren wunderbaren Job, den sie seit so vielen Jahren unermüdlich macht. Daher freue ich mich besonders, dass sie mit mir schnackt.

Foto: tonwert21.de
Hinter uns allen liegt ein bewegtes und bewegendes Jahr. Wie schaust Du, stellvertretend für eine der Kulturinstitutionen Lüneburgs, auf das, was vor euch liegt?
Margit Weihe: Im Moment ist Improvisation gefragt! In allen Bereichen! Durch unsere Fördermitglieder und auch finanzielle Unterstützungen werden wir sicher noch eine Weile auf dem Markt bleiben. Die Maßnahmen sind ja notwendig, um das Virus einzudämmen. Aber natürlich sind die Situation und die Ungewissheit besorgniserregend. Wir möchten gern planen, Spielpläne festlegen, Verträge schließen und die Zukunft für Spieler, Mitarbeiter und Gastkünstler „absichern“. Das ist nicht möglich und natürlich bringt das finanzielle, logistische und persönliche Probleme mit sich.
Wie bereitet Ihr euch auf die aktuelle Saison vor?
Wir haben vorläufige Terminplanungen laufen, die wir jederzeit widerrufen oder umplanen können. Es findet kein Kartenvorverkauf statt und auch die Gastkünstler können einigermaßen flexibel reagieren. Wir haben unsere Schauspielkurse allerdings festgelegt und auch die Anmeldungen laufen bereits. Allerdings starten wir bewusst erst ab März, da wir hoffen, dass bis dahin ein bisschen mehr Klarheit herrscht. Falls nicht, müssen wir schon wieder flexibel sein. Mal wieder – …
Viele Häuser setzen auf die virtuelle Bühne. Kunst ohne Publikum, funktioniert das?
Theater ist analog. Theater ist eine soziale Kunstform. Die Präsenz der Darsteller und die Körperlichkeit lassen sich nicht über Video transportieren. Kultur und Kunst sind zentral für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft, und das geht nur im analogen Dialog zwischen den Menschen und lässt sich durch Online- und Livestreaming nicht ersetzen. Userkommentare, Herzchen und Händeklatsch-Emojis sind eben kein Ersatz für das einzigartige Live-Erlebnis, mit einem Publikum zusammen die Aufführung und den Atem geteilt zu haben und von diesem am Ende bedankt, beklatscht, gefeiert oder ausgebuht zu werden. Analog auch, weil am Ende ein „wir“ gefeiert wird. Der Applaus als Sinnbild des Dialoges zwischen Bühne und Zuschauerraum. Wir werden neue Spielweisen und neue Ästhetiken finden müssen, um dann aber wieder vor Publikum spielen zu können. Eine virtuelle Bühne ist kein Theater.
Wie gehen die verschiedenen Altersklassen bzw. Ensembles mit der aktuellen Situation um?
Die Ensembles haben sich inzwischen sehr gut mit der belastenden Situation arrangiert. Jeder muss in vielen Bereichen seines Lebens Abstriche machen, und auch beim Theaterspielen. Wir halten Kontakt so gut es geht, machen Einzelunterricht, während wir im Freien miteinander spazieren gehen, arbeiten an Texten und Monologen und proben – so gut es geht (also schlecht) – über Internettelefonie. Der persönliche Kontakt und die Energie in den Gruppen fehlen einfach jedem sehr. Da ist eine Lücke entstanden, die das Internet nicht füllen kann.
Was passiert mit Produktionen/Premieren, die nicht stattfinden konnten, werden diese nachgeholt?
Unser Weihnachtsmärchen musste leider abgesagt werden. Weitere Premieren verschieben wir in den Sommer bzw. den Herbst.

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Du förderst mit deiner Arbeit auch Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien. Wie begegnen sie der Situation?
Aufgrund von Fördergeldern und Spenden können wir sozial schwach gestellten Menschen tatsächlich bei der Bezahlung der Mitgliedschaft entgegenkommen, was uns sehr freut. Wir müssen und wollen ein Angebot schaffen, das für Menschen erreichbar ist, die Theater spielen wollen, nicht nur für die, die es sich leisten können. Daher sind wir sehr dankbar für die finanziellen Unterstützungen.
Wie motivierst du dich, dein Theater weiterzuführen, ohne staatliche Hilfen?
Wir haben so viel Unterstützung von Ensemblemitgliedern, Freunden, Zuschauern, vor allem viel emotionalen Zuspruch. Da fällt Optimismus leicht! Es gibt so viele Menschen, denen das theater im e.novum am Herzen liegt. Die wollen, dass wir weiterhin Teil ihres Lebens und der Kulturszene Lüneburgs sind und bleiben als ein Ort der Kreativität, der Begegnung, der Verwandlung und der Kunst. Das motiviert jeden Tag aufs Neue.
Margit, eine letzte Frage: Wohin geht die Reise?
Die Zukunft ist eine Wundertüte. Jetzt gerade mehr denn je.