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Training ist das A und O

von Ute Lühr
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Die Katze im Sack war letztlich eine Hündin aus Gran Canaria. Die kam in einer Transportbox aus dem Laderaum eines Mittelstreckenflugzeugs und landete am Flughafen, wo Birgit Neubauer-Müller sie in Empfang nehmen konnte. Ein wirkliches Risiko war die ungeprüfte Adoption aber nicht, war es doch nicht der erste Vierbeiner, den die Bad Bevenserin vor einem ungewissen Schicksal erlöste. Und selbst wenn das Tier „Macken“ gehabt hätte: In den Händen der erfahrenen Hundetrainerin wäre es gut aufgehoben. Gemeinsam gehen sie seitdem Seite an Seite, im Alltag wie im Urlaub.

Für jeden Hund das passende Training

Tiere und Reisen, das ist bei Birgit Neubauer-Müller auch beruflich immer wieder ein Thema, hat sie durch ihre Hundeschule „HundeGedanken“ in Melbeck doch jede Menge Kontakt zu Vierbeinern und deren Haltern. Erziehungskurse für Welpen oder pubertierende Halbstarke, besonders temperamentvolle Exemplare oder sogenannte Quereinsteiger: Für jeden hat die seit 14 Jahren tätige Trainerin nicht nur das passende Coaching, sondern auch den passenden Rat. Sie weiß: „Ein Patentrezept gibt es für Tiere ebenso wenig wie für Menschen, es kommt eben immer auf das Individuum an.“ Und auf die Umstände. Wer kann, sollte seinen Vierbeiner mitnehmen, meint sie. „Das ist in vielen Zielgebieten mittlerweile problemlos möglich.“ Wer indes eine weite Reise plant, das Flugzeug nutzt oder aber vor Ort auf wenig Tierliebe stößt, sollte sich Alternativen überlegen. „Das kann beispielsweise eine befreundete Familie sein, bei der mein Hund sich wohlfühlt, oder aber auch eine professionelle Pension.“

Die Unterkünfte testen und vergleichen

Foto: nh/tonwert21.de

Statt aber direkt den erstbesten Anbieter zu wählen, sei es ratsam, Zeit zu investieren und verschiedene Einrichtungen zu testen. „Wichtig ist, dass ich mir einen Eindruck von der Unterkunft verschafft habe, Hygiene und persönliche Zuwendung prüfe und teste, ob und welche Fragen die Betreiber an mich richten“, sagt die Fachfrau. „Und dann sollte der Hund unbedingt vorab einen kurzen Zeitraum dort verbracht haben, damit er sein Feriendomizil auch kennenlernt und weiß, dass er wieder abgeholt wird.“ Einzeln oder in Gruppen: Wie die Vierbeiner letztlich ihre halterfreie Zeit verbringen, liegt am Individuum. „Ist der Hund sozialisiert, wäre ein Rudel für ihn schön, ansonsten muss er separat gehalten werden.“ Ausreichend Auslauf müsse aber ebenso wie ein eigener Schlafplatz garantiert sein. 

Kontakt zu Artgenossen

Wer vor der Wahl steht, sein Tier mit auf eine Flugreise zu nehmen oder es in eine Pension zu geben, sollte wissen: „Nur die ganz kleinen Hunde können mit in die Kabine genommen werden, alle anderen verbringen die Zeit in einer Box im dunklen Laderaum. Damit kommt nicht jeder gut klar.“ Mit einem Aufenthalt fernab gewohnter Umgebung und Menschen meist schon: „Auch wir haben unsere Hunde früher abgegeben – sie haben sich noch nicht einmal nach uns umgesehen, als wir gingen“, sagt Birgit Neubauer-Müller amüsiert. Denn der Kontakt zu anderen Artgenossen, die Betreuung durch engagiertes Personal und mögliche Zusatzangebote wie Trainings oder Massagen könnten die Zeit auch für das Tier zum Urlaub machen. Trotz des Ferienspaßes sei eins aber sicher: „Die Freude, wenn es wieder nach Hause geht. Denn anders als bei anderen Tierarten ist der Hund auf den Menschen fixiert – Herrchen und Frauchen nicht ersetzbar.“

Ein Herz für Hunde

Das gelte umgekehrt meist auch, die Sache mit dem Ersatz lasse sich aber kaum vermeiden: Stirbt der geliebte Weggefährte, erklärt die Hundetrainerin, ist auf Seiten der Besitzer der Wunsch nach einem neuen Tier häufig groß – oft sogar derselben Rasse. Das war bei ihr nicht anders: „Ich habe seit Mitte der 90er-Jahre Hunde“, so Birgit Neubauer-Müller, „und bin irgendwann auf die aus Spanien stammenden Podencos gekommen. Sie haben mich in ihren Bann gezogen, einfach fasziniert, ich habe mich umgehört.“ Im Internet ist die zertifizierte Trainerin auf Seiten von Vermittlungsstellen aus dem Ausland gestoßen, aus Fuerteventura und Gran Canaria, „denn dort lebt diese sehr spezielle Rasse, die robust und selbstständig ist, aber auch sehr sensibel“. Weder reiner Wind- noch Jagdhund sei der Podenco, sondern vereine irgendwie alles in sich, einst gezüchtet, um Hasen zu hetzen. 

Therapiehund

Heute leben die meisten Vertreter in Tierheimen oder -auffanglagern, und dort hat die staatlich anerkannte Erzieherin auch ihre neuen Familienmitglieder gefunden. „Den ersten hatte ich eigentlich in Funktion einer Pflegestelle geholt, von der aus er weitervermittelt werden sollte. Er ist geblieben“, sagt sie. Zum Glück.
Drei Vierbeiner zählt ihr Haushalt seitdem zu seinen Mitbewohnern, bietet ihnen optimale Bedingungen: Seit 2006 ist Birgit Neubauer-Müller als Hundetrainerin tätig, gründete zwei Jahre später ihre eigene Schule und übernahm 2013 den Hundeplatz in Melbeck. Einen ganz neuen Schritt wagt die Expertin im kommenden Frühjahr: Dann will sie Rosalie zum Therapiehund ausbilden lassen. Der Podenco-Pointer-Mix, der von einer langen Reise einst aus einer Kiste aus dem Laderaum kam, wird dann unter Beweis stellen, was er wirklich ist: Ganz sicher keine Katze aus dem Sack.

Foto: ©Philipp Schulze / phs-foto.de

Hauptsache: Vertrauen!
Tiere. Reisen. Pandemie. Kurz mal nachgefragt bei …

Kate Kitchenham. Sie ist Fachjournalistin und Moderatorin, vor allem aber eins: Tierliebhaberin durch und durch. In ihrer Heimatstadt Hamburg studierte sie Kulturanthropologie und Zoologie mit dem Schwerpunkt Verhaltensforschung. Heute sehen wir sie vorrangig samstags bei „Hund Katze Maus“ oder „Tierisch beste Freunde“ im TV auf VOX – manchmal aber auch mit ihrem Fahrrad und Terrier „Knox“ im Körbchen durch Lüneburg düsen. Gemeinsam mit ihrem Mann, zwei Kindern sowie ihren tierischen Freunden lebt sie seit einigen Jahren in der Salzstadt.

Frau Kitchenham, hat Corona uns mit unseren tierischen Freunden enger zusammengeschweißt?
Kate Kitchenham: Wir verbringen auf jeden Fall mehr Zeit zusammen, weil wir mehr Zuhause sind. Wenn man diese Zeit sinnvoll für beide Seiten nutzt, dann kann das die Bindung natürlich verbessern. Das ist wie bei zwischenmenschlichen Beziehungen auch – je mehr qualitativ hochwertige Zeit wir zusammen verbringen, je mehr wir gemeinsam erleben und dabei Spaß haben, desto vertrauter werden wir uns und umso „toller“ finden wir uns gegenseitig – „die“ Voraussetzungen für eine innige Bindung, egal zu welcher Spezies!

Können sie uns vermissen, so wie wir sie? Beispielsweise Hunde und Katzen?
Je nach Art bauen auch andere Tiere teilweise sehr intensive Bindungen auf, und dazu gehört auch, dass sie unsere Gegenwart vermissen. Das liegt daran, dass wir Gehirnstrukturen und Botenstoffsysteme teilen, die sogar artübergreifende, enge Bindungen zwischen verschiedenen Spezies möglich machen. Doch jeder Hund und jede Katze kann ein stressfreies Alleinebleiben lernen. Es klappt umso besser, je mehr Zeit wir uns für das Training nehmen und es in kleinen Schritten aufbauen. Sollte der Lockdown hoffentlich irgendwann beendet sein, dann wird es für viele Haustiere schwierig sein, sich an den „neuen alten“ Alltag zurückzugewöhnen. Hunde und Katzen sind „Gewohnheitstiere“ und werden mit Stress oder schlechter Laune auf unsere Verhaltensveränderung reagieren. Ideal wäre ein sanfter Übergang, dass wir langsam wieder in den Job außer Haus starten. Aber dann wird das kurzzeitige Alleinsein schnell wieder zur Normalität. Und von unseren Haustieren im besten Fall für ein langes Schläfchen genutzt.

Stimmt das Klischee, dass Hunde mehr an uns hängen als Katzen?
Hunde und Katzen sind in ihrem Bindungsverhalten gar nicht so unterschiedlich, wie häufig behauptet wird. Aber bei Katzen gibt es ein viel kürzeres Zeitfenster in ihrer frühen Entwicklung, das darüber entscheidet wie toll sie Menschen als Bindungspartner während ihres Lebens finden werden. In den ersten drei Lebenswochen und danach natürlich noch weiter müssen sie viel und liebevollen Kontakt zu Menschen haben, um eine stabile Bindung aufbauen zu können. Hunde sind da durch die viel längere gemeinsame Domestikationsgeschichte genetisch flexibler aufgestellt und können auch später noch Vertrauen fassen, was man gut an den vielen Tierschutzhunden sehen kann, die aus dem Ausland hierher kommen und sich dann noch fantastisch an unserer Seite entfalten können, wenn die Menschen entsprechend talentiert im Umgang mit ihnen sind. Doch wenn die Sozialisierung bei beiden Arten optimal verlaufen ist, dann zeigen auch Katzen zum Beispiel ein intensives Begrüßungsverhalten nach einer Trennung vom Menschen und genießen die Nähe und das Zusammensein mit „ihrem“ Menschen auf ganz ähnliche Weise wie ein Hund.

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