Der Brauer macht die Würze, die Hefe macht das Bier, heißt es. Benjamin Boba (Foto l.) und Pitt Denecke nicken die alte Weisheit ab. Alle paar Wochen werfen die zwei das Sudhaus an, lassen Hopfen und Malz ein heißes Bad nehmen und warten mit Spannung auf die Ausbeute. Daumen hoch, oder runter? Das zeigt sich, wenn die Hefe ihre Arbeit erledigt, die abgekühlte Würze zum gären gebracht hat. Also: warten.
Der Ursprung des Bier-Brauens
Pibe’s – kurz für Pitt und Benjamin – nennen die beiden Nachbarn und Kumpels aus Boltersen ihre unabhängige kleine Kellerbrauerei, die sie in ihrer Freizeit hobbymäßig betreiben. Craft-Beer ist das, was dabei herauskommt. Von einigen als Modeerscheinung und Hipster-Firlefanz abgetan, handelt es sich in Wirklichkeit um das Gegenteil: echte Handwerks-Kunst, die Rückbesinnung auf den Ursprung des Bier-Brauens. „Den klassischen Astra-Trinker wirst du mit unseren Sorten nicht abholen können“, ist Benjamin sicher. „Für den ist das wahrscheinlich eher eine gut gemeinte Brause.“ Das liegt, sagt er, an den besonderen, oft ungewohnt kräftigen Noten: herb, fruchtig, säuerlich, süß und einiges mehr.
Vier Stammbiere legen sie im Wechsel auf. „Mono“, ein Pale Ale, das höher im Alkoholgehalt ist und mit einer deutlich fruchtigeren Note daherkommt, als ein Standard-Bier, gibt es am längsten. Starflite 7, ein Session IPA, produziert nach US-amerikanischer Braukunst und eine Hommage an das andere gemeinsame Hobby „Mofa“, ist das Neue in der Runde.
Zunächst für den Eigenbedarf
Zur Produktion wird eine etwa 40 Quadratmeter große Kellerfläche in Benjamins Sülbecker Elternhaus genutzt. Dort, wo im November 2014 auch alles begann – damals noch unter dem Carport, mit Campingtisch, Kabeltrommel, Wasserkocher, Tupperware und 20-Liter-Einkochtopf, DIY eben. Ein Bierfest hatte den Anstoß gegeben, sagt Benjamin, der eigentlich Geschäftsführer eines hiesigen Personaldienstleisters ist. „Wir haben uns dann ein Rezept besorgt und losgelegt. Völlig egoistisch, für den Eigenbedarf.“
Auch Pitt, der beim lokalen Wasserversorger als Controller tätig ist, blickt zurück: „Das Ergebnis war so klar wie Milch, nämlich gar nicht. Und ungefähr dreimal so herb wie ein Jever.“ Das habe am Hopfen gelegen, erklärt er. Die Zutat, die nicht nur Einfluss auf das Aroma nehme, sondern auch den bitteren Geschmack erzeuge und von den beiden wie im Rezept gefordert auf 100 Gramm abgewogen im Topf landete.
Aus Anfängerfehler lernen
„Uns waren da leider die Unterschiede noch nicht bewusst. Erstmal gibt es mehr als hundert verschiedene Sorten. Außerdem unterscheiden sie sich durch ihren jeweiligen Alphasäuregehalt. Je höher der ist und je länger er im Sud seine Wirkung entfalten kann, desto herber ist am Ende die Würze.“ Ein Anfängerfehler, sagen sie, der ihnen heute nicht mehr passieren würde. Richtige Nerds seien sie hingegen inzwischen geworden, meint Benjamin, vor allem durch lesen und learning by doing. „Es waren immer auch mal Biere dabei, die wir weggegossen haben. Für den Lernprozess durchaus entscheidend.“ Mögliche Fehlproduktionen federn die beiden heute mit einer kleinen 30-Liter-Testanlage ab. Kommt eine Sorte geschmacklich an, wird sie auf den großen Maßstab übertragen.
Lieferung per Mofa
142 Liter sind es jedes Mal. „Wenn uns ein Bier nicht schmeckt, landet es auch nicht in der Flasche“, sagt Pitt. „Das ist unsere einzige Prämisse: Wir müssen das Bier mögen. Sonst steht man nicht hinter dem Produkt.“ Aus dem Eigenbedarf hat sich nämlich ein kleines Geschäft ergeben, das Interesse an ihren Bieren wächst. Seit 2019 stehen drei Tanks mit je 150 Liter Fassungsvermögen bereit. „Unser Bier hat sich herumgesprochen“, sagt Pitt. „Wir werben nur auf Facebook und Instagram, sobald es Nachschub gibt. Das machen wir gezielt, wir wollen uns nicht in der Freizeit selbst unter Druck setzen.“ Wer den beiden rechtzeitig eine WhatsApp schreibt und die Bestellung durchgibt, bekommt Mono, Starflite 7 und Co. dann noch am selben Wochenende geliefert. Im eigenen Kiez, sprich im Raum Boltersen, sogar stilecht per Mofa.

Ausgleich zum Job
Dafür muss im Vorfeld erstmal kräftig gebraut werden, wann, das entscheidet sich je nach Tankstand. In der Regel einmal im Monat. Am Wochenende ist für Pitt und Benjamin deshalb regelmäßig „Brauerei“ angesagt. Mit Tür aufschließen, der Reinigung aller Geräte und Utensilien, Malz schroten, einmaischen, kochen, runterkühlen, wieder saubermachen und Tür wieder abschließen können zehn bis zwölf Stunden vergehen.
Freitagabends wird dann die Zeit für den nötigen Rest genutzt, das Abfüllen zum Beispiel. Dafür haben sie sich eine Armatur gebaut, jede Flasche muss dort eingespannt, jeder Hebel manuell betätigt werden. Weiter geht es: Flaschen reinigen, desinfizieren, Kronkorken bestempeln, Etiketten drucken, aufkleben. Und die Qualitätskontrolle. Ehrensache.
Geld können die beiden mit ihrem Hobby kaum verdienen. „Wenn die Materialkosten mal gedeckt sind, ist das schon gut“, sagt Benjamin. „Ansonsten ist das hier alles unser Ausgleich zum Job. Andere gehen zum Tennis, wir gehen in die Brauerei.“