Als ehrgeiziger Fußballer-Profi hat man es heutzutage schwer. Als begeisterter Fußball-Fan ebenso. Kaum ein Tor kann fallen, ohne dass der Videobeweis zur Hilfe gezogen werden muss, weil eine Hand zu hoch, eine Zehenspitze zu lang oder ein Körper zu robust war. Wen das frustriert, sollte die Disziplin wechseln, denn es geht auch anders: Ultimate Frisbee ist ein Mannschaftsspiel, das ohne Schiedsrichter auskommt, weil die Spielerinnen und Spieler sich ganz einfach selbst verwalten, weil Fairplay dazu gehört wie die flache Scheibe. Doch nicht nur das macht diese Sportart zu einer ganz besonderen.
Fairplay und Frisbee
Es ist dieser „Spirit of the game“, der Ehrenkodex des respektvollen Umgangs miteinander, wonach sich alle Beteiligten ausdrücklich dazu bekennen, in ihren Handlungen den vereinbarten Regeln zu entsprechen – was dann automatisch in einem ganz besonderen gemeinsamen Agieren mündet: „Wir haben dadurch einfach eine völlig andere Einstellung zum Sport“, erklärt Christian Wapenhensch, Vorsitzender des Ultimate Frisbee Lüneburg, einem seit 2017 bestehenden Frisbee Verein, der eng mit dem VfL Lüneburg kooperiert.
Nicht um jeden Preis
„Bei uns wird von den Spielenden verlangt, die Regeln nicht auszunutzen oder aber zu brechen. Dieser Drang, um jeden Preis gewinnen zu wollen, rückt dadurch in den Hintergrund. Und das mögen viele.“ Viele – das sind allein in der kleinen Hansestadt derzeit etwa 50 Mitglieder, davon um die 44 aktive, zumeist Studierende: „Der Ursprung des organisierten Frisbee-Spiels in Lüneburg liegt eben auch an der Uni“, sagt der 31-Jährige, „und ist aus dem Hochschulsport hervorgegangen.“
Das ideale Spiel
Viele testen dort neue Aktivitäten aus, sehen sich nach Gemeinschaft, aber auch nach unentdeckten Herausforderungen und Alternativen um – wie Nele Steinbrecher und Felix Lemke. Die 23-Jährige kommt eigentlich vom Handball, hat früher in einer Mannschaft gespielt. „Nach meinem Umzug nach Lüneburg wollte ich mich aber umorientieren, habe nach einem Sport gesucht, der mich an den Wochenenden nicht so bindet, gleichzeitig aber mit anderen zusammenbringt.“ Im Ultimate Frisbee ist sie fündig geworden: „Das ist für mich einfach ein ideales Spiel“, sagt die Studentin, „es ist so gut wie kontaktlos, fair, hat einen enormen Teamgeist, man kann sich total gut auspowern, ist im Sommer draußen, im Winter in der Halle, zudem lässt es sich ohne den Wettbewerbsgedanken in geschlechtergemischten Mannschaften spielen. Das ist einmalig.“
Geringes Verletzungsrisiko
Das sieht Felix Lemke ähnlich: „Ich komme eigentlich vom Fußball“, erzählt der 27-Jährige, „und bin zu Beginn meines Studiums auch erstmal dorthin wieder zurückgekehrt.“ Niederklassiger Ligasport, der einen regelmäßigen Einsatz an den Wochenenden erforderte, widersprach aber bald seinen Vorstellungen vom idealen Mannschaftssport. Er sah sich um. „Ultimate hat mir von Anfang an gut gefallen, es ist unglaublich fordernd, mit einem aber ganz geringen Verletzungsrisiko und dabei einem Höchstmaß an Gemeinschaft.“ Und die wird gepflegt: Regelmäßig nehmen die „Farmers“, wie sich der Verein inoffiziell nennt, an nationalen und regionalen Turnieren teil. Christian Wapenhensch erklärt: „Dabei steht der Spaß und nicht der Wettkampf im Vordergrund, und auch deshalb können wir dort in gemischten Teams an den Start gehen.“
Spaß statt Wettkampf
Sieben Spielerinnen und Spieler bilden eine Mannschaft, die sich auf einem Feld von der Länge und der halben Breite eines Fußballplatzes gegenüberstehen. An den langen Enden der Fläche gibt es jeweils eine Endzone – ähnlich wie beim American Football – von 15 bis 20 Metern Tiefe. Ziel ist es, diesen Bereich durch Zupassen, ohne mit der Scheibe in der Hand zu laufen, zu erreichen. Zehn Sekunden haben die Aktiven Zeit, das Spielgerät zu passen, dürfen dabei nur einen Sternschritt vollführen, alle anderen können sich frei bewegen. Damit die Chancen für beide Teams vergleichbar sind, werden Männer und Frauen in bestimmten Verhältnissen eingesetzt. Und das hat einen guten Grund, wie Nele Steinbrecher sagt: „Die Jungs sind einfach kräftiger, können dadurch meist weiter werfen, höher springen und haben aufgrund ihrer Größe eine bessere Reichweite der Arme, was sich bei der Verteidigung natürlich bemerkbar macht.“
Ursprung aus der Pizzastube
Verteidigt wird beim Ultimate ähnlich wie beim Basketball: Räume werden eng gemacht, ohne den Gegner in seinem Spiel direkt anzugehen. Sollte es dennoch zu einem Foul kommen, wird der Spielfluss kurz eingefroren, die Situation besprochen und dann geklärt. Felix Lemke sagt: „Spielbeobachter kommen erst in den wirklich kompetitiven Bereichen zum Einsatz, beispielsweise in der amerikanischen Profi-Liga.“ Wie so viele der Trendsportarten hat auch Ultimate seinen Ursprung in Nordamerika. Christian Wapenhensch erklärt: „In den 80er-Jahren haben dort wohl Pizzabäcker ihre runden Bleche durch die Gegend geworfen und Gefallen daran gefunden. Daraus hat es sich entwickelt.“
Discgolf bald in Lüneburg?
Mittlerweile ist der Sport eine große Nummer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, hat starke Ausprägungen aber auch in Japan, Columbien oder Kanada. Mit einer weiteren Disziplin. „Neben dem Ultimate, welches ein Laufspiel ist, gibt es noch weitere Varianten“, erklärt der 31-Jährige, „darunter das immer populärer werdende Discgolf.“ Hierbei muss ähnlich wie beim Pendant mit dem Ball ein Kurs von 18 Bahnen mit möglichst wenig Würfen absolviert werden. „Ziel ist ein Fangkorb aus Metall, in dem die Scheibe dann letztlich landen muss“, sagt der Lüneburger – der Gefallen an der Variante findet: In der kleinen Hansestadt soll, wenn es nach den Wünschen der Lüneburg Farmers geht, bald eine öffentliche Anlage für Discgolf entstehen. „Dazu werden wir das Gespräch mit der Stadt suchen“, sagt er.
Großes Spaßturnier
Bis es so weit ist, konzentrieren sich die Ultimates aber noch auf ihre Kernaktivität, die trotz – bedingt durch den hohen Anteil an Studierenden – großer Fluktuation im Verein mittlerweile enorme Ausmaße angenommen hat: Einmal im Jahr organisieren die Aktiven ein großes Spaßturnier auf der Anlage des VfL, laden für ein Wochenende im Sommer rund 300 Spielerinnen und Spieler ein. „Nach Braunschweig haben wir damit das größte dieser Art im Norden Deutschlands bei uns in Lüneburg“, sagt Christian Wapenhensch nicht ohne Stolz. Um für den Höhepunkt des Jahres, aber auch alle anderen Veranstaltungen, gut vorbereitet zu sein, wird regelmäßig trainiert: Dreimal pro Woche finden Übungseinheiten statt. Abgesehen von Sportkleidung und für die Saison im Freien Stollenschuhe wird nichts benötigt. Wer Interesse hat, kann sich bei Christian Wapenhensch unter melden.