Im September fängt die 32-jährige Künstlerin Alexa Kovacs eine Zusatzausbildung als Tagesmutter an. Sie liebt Kinder. Sie lebt Kunst. „Es ist wichtig, Kinder schon jung an die Kunst heranzuführen“, erzählt Alexa Kovacs. Während ihrer Schulzeit hat sie oft Kinder betreut, um sich ihr Taschengeld aufzubessern. Eine große Tasche mit Utensilien, voll bepackt mit bunten Stiften, Tonpapier, Kleber, alten Kartons, hatte Alexa Kovacs immer dabei.
„Die Kinder haben es geliebt mit mir zu basteln, Dinge zu bekleben, zu malen oder zu modellieren“, erzählt die Künstlerin. Nach ihrer Schulzeit ist sie dann nach Hamburg gezogen. In einer Werbeagentur hat man versucht, den Freigeist einzufangen. Hat nicht geklappt. Danach Aufenthalte in Rostock, Ratzeburg und Rotterdam. In Ratzeburg renovierte sie alte Zugabteile und verschönerte sie mit eigenen Kunstwerken. Seit knapp drei Monaten ist Alexa Kovacs wieder zurück in Lüneburg.

Alexa, wo hast du die letzten Jahre gelebt?
Ich habe die meiste Zeit meines Lebens in Lüneburg gelebt. Mit einigen Zwischenstopps zog ich für ein Jahr nach Schmilau. Am Waldrand in einen umgebauten Zugwaggon. Minimalistisch. Das war mit Abstand eine der schönsten und prägendsten Erfahrungen in meinem Leben als „erwachsener Mensch”. Was habe ich dort gemacht? Ich würde es ganz simpel – Selbstfindung – nennen.
Ich sehnte mich nach einer Zeit, in der ich mich umorientieren kann. In der ich, ICH sein kann ohne viele Erwartungen von außerhalb. Ich wollte vieles umdenken, denn trotz Job im Marketing mit angenehmen Gehalt, materialistischem Besitz, moderner Kleidung und schickem Auto, fühlte ich mich irgendwie nicht glücklich. Ich wollte etwas ausprobieren und das war der perfekte Ort dafür. Ich hatte viele Fragen, die ich mir selbst beantworten wollte.
„Was brauche ich, um glücklich zu sein?” Die Antworten kamen von ganz alleine, nachdem mich all das viel Mut und Loslassen gekostet hat. Ich habe gelernt, dass ich mich nah an der Natur viel wohler fühle, weil es mich vom tiefsten Inneren heilt, dass ich mit wenig Platz auskomme, denn 8 m x 2,5 m sind absolut ausreichend. Ich habe gelernt, dass Besitz nicht glücklich macht, sondern Lebenszeit. In meinem Fall die Zeit für Kunst.
Ich habe zum ersten Mal gemerkt, wie viel unterschwelligen Stress wir im Leben haben, den wir gar nicht mehr wahrnehmen und wie sehr wir uns auf diese paar Tage Urlaub freuen, die wir mit Überstunden zusammengespart haben. Schöne Momente sollten nicht geplante Zeiten im Leben sein, sondern Begegnungen mit gleichgesinnten Menschen, von denen man fürs Leben lernt, und Zeit, die man im Stillen mit sich selbst verbringt – eben Momente tiefster innerer Zufriedenheit und seelischer Ruhe.
Warum bist du nach Lüneburg zurückgekehrt?
Die Zeit im Zugwaggon war begrenzt und ich entschied mich, wieder „nach Hause” zu kommen. Hier kenne ich jede wundervolle Ecke mit geschlossenen Augen und hier habe ich die liebsten Menschen um mich herum, die ich vermisst habe.
„Ich hatte viele Fragen, die ich mir selbst beantworten wollte. Was brauche ich wirklich, um glücklich zu sein? war jedoch die wichtigste.“Alexa Kovacs

Wann wirst du besonders kreativ?
Es gibt dafür keine Tageszeit und keine bestimmten emotionalen Zustände. Es sind eher zwei verschiedene Herangehensweisen. Die eine ist eher ein Gefühl. Wie andere blitzartig Ideen haben, so habe ich Bilder vor Augen und dann ist es ein: „Jetzt sofort, ansonsten ist es weg”-Moment. Es kribbelt im Bauch, es ist wie eine Art positive Aufregung und dann lasse ich alles stehen und skizziere, was aus meinen Gedanken sprießt.
Ich schlafe sogar mit einem Zeichenblock neben meinem Kopfkissen, um alles sofort festhalten zu können. Denn es kommt vor, dass ich nachts aufwache und etwas zeichne oder Ideen notiere, ansonsten fühlt es sich so an, als hätte ich etwas Wertvolles verloren. Auch mein Handy ist ein absolutes Chaos aus Skizzen und Notizen. Dann gibt es noch die Momente des Loslassens.
Ich nehme mir Papier oder eine Leinwand, Farben, mache es mir gemütlich mit ruhiger Musik. Es ist wie eine Meditation – ich beschreibe es als unterbewusstes Malen. Ohne bewusst einzugreifen, schaue ich meiner Hand beim Malen zu. Das sind meine schönsten und wertvollsten Bilder. Sie kommen von innen und sind so pur. Von diesen Originalen, kann ich mich noch nicht trennen, jedoch wird es bald davon Drucke geben.
Was wäre dein Leben ohne Kunst?
Was wäre denn dein Leben ohne deine Stimme? Ich rede wahnsinnig viel und auch gerne, aber Worte sind so primitiv. Sie beschränken unsere Kommunikation auf das Minimum. Durch Bilder drücke ich Emotionen und Gefühle aus. Die sind jedoch so intensiv, dass ich sie nicht wirklich detailliert beschreiben kann. Wenn ich dir in Worte fasse, was ich fühle, weißt du zwar ansatzweise, was ich meine, aber du interpretierst und fühlst es auf deine Art. Ein Leben ohne Kunst ist für mich ein Leben ohne mich mitzuteilen – aber nicht nur das.
Es würde mir ein großer Teil meiner Persönlichkeit fehlen. Die Bilder, die ich unterbewusst male, verstehe ich selbst nicht. Es dauert Wochen und Monate, bis ich irgendwann das Bild auch „sehe” und verstehe, was es mir mitteilen möchte. Oft braucht es Zeit, bis ich selbst den Sinn des Bildes erkenne. Es ist schwer zu beschreiben, wenn man nicht in meinem Kopf steckt. Darüber könnte ich ganze Stunden erzählen und ich würde bei Weitem nicht das formuliert bekommen, was ich in einem Bild ausdrücke.
Du hast dir gerade eine besondere Fläche als Malobjekt ausgesucht. Wie bist du auf die Idee gekommen, dein Auto anzumalen und welche Bedeutung hat das Fahrzeug für dich?
Das Auto ist weiß. Ich glaube kaum etwas, das mir so viel weiße Fläche bietet, bleibt bei mir weiß. Nicht einmal meine Schuhe. Das wäre nicht ich. Diese kleine Dose aus Metall mit eingebauten Bett ist für mich pure Freiheit. Freiheit statt Statussymbol.
Was darf für dich an einem Ausflug raus ins Grüne nicht fehlen?
Kunst – Katze – Klamotten. Und noch etwas … 1. Wo wir bei Katze sind – Herbert. Mein Kater, der seit er ein Baby ist, mit mir reist. 2. Meine Kunst darf nirgends fehlen, und wenn es am Ende nur das Auto ist und die Lackstifte, aber ich fahre nicht ohne Kunstkram los. 3. Kleidung – ganz ohne geht nun auch nicht. 4. Mein Aufnahmegerät ist seit Kurzem ein wichtiger Begleiter, seit ich angefangen habe Podcasts aufzunehmen. Schreiben kann ich nicht gut, aber reden wie ein Wasserfall.
Eine Frage, die dich gerade bewegt …?
Wie viel Zeit muss noch vergehen, bis wir Menschen erkennen, dass Besitz, Konsum und das Ego nicht glücklich machen? Es tut weder uns selbst gut noch unserer Umwelt.

Wie wichtig findest du es, Kinder an Kunst heranzuführen und warum?
Besonders Kinder haben noch kein ausgeprägtes Vokabular oder trauen sich oft nicht Dinge auszusprechen, weil sie verunsichert sind oder es einfach noch nicht können. Unser Schulsystem ist ein Paradoxon und meisterhaft gut darin, die Kinder zu verunsichern. Es ist erwünscht, dass man eigenständig mitdenkt, aber das bitte nur in den vorgegebenen Standards, ansonsten ist eine Antwort falsch. Es bleibt kaum Raum für Kreativität. Kinder sehen Malen nicht als eine Art der Kommunikation, sondern als eine Tätigkeit, die Spaß macht. Somit können sie völlig ungehemmt zu Farben greifen.
Wenn wir Erwachsenen unseren Kindern mehr zuhören, und damit meine ich nicht nur mit unseren Ohren, sondern auch mit allen anderen Sinnen, könnten wir viel mehr von ihnen und über sie lernen. Kinder wachsen in einer ständigen Ablenkung durch Technik auf und nehmen täglich so viel Input auf. Sie haben kaum Momente der Achtsamkeit. Sie brauchen mehr Zeit, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Durch Kunst kann man ihnen beibringen, dass es kein Richtig oder Falsch gibt, sondern nur die eigene Wahrnehmung der Dinge, die auf eigene Erfahrungen basiert.
Dadurch lernen sie mehr Selbstvertrauen und mehr Mut zu haben, Dinge nach ihrer Vorstellung umzusetzen, ohne die Angst, Fehler zu machen. Unsere Kinder sollten mit mehr Selbstwertgefühl aufwachsen und Kunst ist genau das richtige Element dafür. Es hat keine Fehler und keine Normen und es fördert die Kreativität.

Gibt es ein Kunstwerk in deinem Leben, was dich besonders geprägt hat?
Ich bewundere so einige große Künstler und jeder in seiner Art hat unbewusst sicherlich Einfluss auf mich, aber wirklich prägend in dem Sinne – quasi wie ein wichtiger Meilenstein – war der Tag, an dem ich mein Bild namens „Woher wir kommen – wohin wir gehen” angefangen habe zu malen. Es hat eine lange Vorgeschichte und es war das erste Bild, bei welchem ich zum ersten Mal wirklich losgelassen habe und gelernt habe, dass ich beim Malen keine Fehler machen kann.
Wo siehst du dich in fünf Jahren?
Wenn du meine Eltern fragst, die im Kommunismus aufgewachsen sind, würden sie gerne hören „Mit großem Haus, reichem Mann, verwöhntem Kind und schnellem Auto“ – eben festgefahren in ein ,normales‘ Leben – das wäre auch die gesellschaftlich akzeptierte Form.
Wenn ich aber auf meine innere Stimme hören darf, würde ich gerne nah an der Natur wohnen, kleiner wohnen, gerne auch mobil (zum Beispiel in einem Tiny House), minimalistisch, mit wenig Besitz, weniger Ausgaben, einem kleinen Job, den ich mit Liebe mache und genügend Zeit für meine Kunst habe.
Und wer weiß, eventuell findet sich eines Tages der eine Mann, der es ähnlich sieht. Gemeinsam kleiner leben … für uns, für die Umwelt und vielleicht eines Tages für ein Kind, welches etwas alternativer und mit mehr Bewusstsein für sich und seine Umwelt aufwachsen soll.