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Blinker an, dann bestellen

von Melanie Jepsen
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Manchmal braucht es die eine zündende Idee, um Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Nicht zu vergessen den nötigen Mut. So war das auch bei Jasper Fuhrmann (28) und Jan Droste (23). Als die beiden Gastronomen im Oktober vergangenen Jahres Grätsch‘s Landgasthaus in Amelinghausen aus dem Dornröschenschlaf holten, hätten sie nicht gedacht, dass die Küche vorerst schon bald wieder kalt bleiben sollte. Der Lockdown erwischte sie genauso eiskalt wie wohl alle Gastronomen in der Region. Kurz nach der coronabedingten Vollbremse stampften sie einen Lieferdienst aus dem Boden, um ihren Gästen zumindest einen Teil ihres Services weiter anbieten zu können.

Eiskalt erwischt

„Es war hart und schwer, aber es hat trotzdem noch Spaß gemacht, kreativ zu arbeiten und Gastgeber sein zu dürfen“, meint Jasper Fuhrmann. Nicht jeder habe diese Möglichkeit während der Krise gehabt. Aus der Not heraus standen sie zudem anfangs mit einem Imbissanhänger vor dem örtlichen Supermarkt und brachten ihre Speisen an die Kundschaft. „Das lief sehr gut“, blickt Jan Droste zurück. Ein Fernsehbeitrag sollte sich schließlich als Glücksfall herausstellen. Jasper Fuhrmanns Vater war es, der darin von einer Art Dinner im Wohnmobil erfuhr. Eine Idee, die die jungen Gastronomen kurzerhand aufgriffen und ihr eigenes Konzept austüftelten. „Angefangen haben wir samstags in der Spitze mit 15 Wohnmobilen“, erinnert sich Jan Droste. 

„Hätten wir nicht alles gemacht und versucht zu überleben, wären wir heute nicht mehr hier.“
Jan Droste, Grätsch‘s Landgasthaus

Dinner im Wohnmobil

Über die lokale Presse und Facebook machten sie auf sich aufmerksam und stellten weitere Mitarbeiter ein: „Wir konnten endlich wieder à la carte anbieten.“ Mittlerweile ist das Wohnmobildinner durch die Krise zum Kerngeschäft geworden. Schon im Dezember gaben sie den Imbissanhänger auf und stellten komplett auf das Dinner im Wohnwagen um. Bis zu 26 Fahrzeuge gleichzeitig können auf den Hof des Landgasthauses fahren. Ganz wie im Restaurant müssen die Gäste auch im eigenen Wohnmobil nicht auf ein Glas Wein zum Abendessen verzichten. Alles wird nach Wunsch serviert. Jeder Gast ist dabei völlig für sich im Wohnmobil. Wer das Fahrzeug verlässt, muss einen Mund-Nasen-Schutz tragen.

Gastronomie lebt von der Diversität

 „Wir haben ein Konzept geschaffen, das langfristig Bestand haben soll. Das hat uns in der Krise sehr geholfen, um zu überleben“, sagt Jan Droste. Seien sie anfangs die ersten in der Region gewesen, die ein solches Dinner für sich entdeckt haben, sind ihnen mittlerweile weitere Gastronomen gefolgt. „Gastronomie lebt von der Diversität“, meint Jan Droste. Umso mehr freuen sie sich, dass dieses Konzept auch andernorts aufgegriffen wird. Die Gäste können online reservieren oder anrufen. Danach fragt das Team die genaue Personenzahl ab, erklären die jungen Unternehmer das Prinzip. Auch Gäste mit Pkws können sich anmelden. Allerdings, so sagt Jan Droste, sei dies nicht so komfortabel beim Essen. Bei der Ankunft weisen die Mitarbeiter jedem Gast einen Parkplatz zu. 

Gäste aus dem gesamten Nordwesten

Und los geht‘s. Das Essen wird durch das Fenster gereicht. Wer bestellen oder zahlen möchte, schaltet einfach den Blinker ein. Schnell hat sich das Dinner herumgesprochen. Nicht nur aus Lüneburg und der Umgebung kommen die Gäste jedes Wochenende vorgefahren, sondern auch aus Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Bremen, Oldenburg, Bremervörde. Eigentlich aus dem gesamten Nordwesten, berichten die beiden Gastronomen. „Dadurch konnten wir eine Fanbasis aufbauen, die wir sonst nicht erreicht hätten. Und wir konnten mit unserer Qualität überzeugen.“ Statt eines festen Menüs können die Gäste aus einer kleinen Speisen- und Getränkekarte wählen. Und, so verrät Jasper Fuhrmann, immer mit einem kleinen kulinarischen Gruß aus der Küche. „Wir lassen uns immer etwas einfallen und wollen uns damit für die Unterstützung bedanken.“

Produkte aus der Region

Mit ihrem Konzept wollen sich Jan Droste und Jasper Fuhrmann nicht nur von der Masse abheben, sondern auch die regionalen Vermarkter und Erzeuger unterstützen. Sämtliche Produkte beziehen sie aus der Region. Ob Saibling, frisches Biogemüse oder Spargel, die Unternehmer versuchen sich regional zu orientieren. „Wir haben ein breites Netzwerk in der Region aufgebaut“, sagt Jasper Fuhrmann, der schon früh seine Leidenschaft fürs Kochen entdeckt hat. „Wir lieben das Handwerk und toben uns da auch aus“,  meint er. Der Renner auf der Speisekarte: ganz klassisch Roulade.

Pandemie bis jetzt überstanden

Er hätte nicht gedacht, dass so viele Wohnmobilisten zu ihnen rausfahren, ist Jasper Fuhrmann immer noch begeistert vom Zuspruch. Auch viele junge Gäste, darunter immer auch Paare, stehen mit ihren Fahrzeugen auf dem Hof. Auch nach Corona wollen sie das Wohnmobildinner weiter anbieten. Vielleicht sogar mal ein Wohnmobildinner-Event auf die Beine stellen. Mal schauen. „Wir haben die Pandemie bis jetzt überstanden“, zieht Jan Droste Zwischenbilanz. Auch die Außengastronomie sei eine Riesenchance. „Hätten wir nicht alles gemacht und versucht zu überleben, wären wir heute nicht mehr hier.“

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