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Die, die dir den Weg zeigt

von Gastautor
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Unsere Komfortzone verlassen. Mutig sein. Ängste beiseite schieben und einfach mal machen. Gar nicht so einfach in dieser Zeit. Oder doch? Rund 25 000 Insolvenzen werden laut Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung noch dieses Jahr erwartet. Mut machen aber die Zahlen des Gewerbeamtes Lüneburg: Allein 244 Gewerbeanmeldungen sind seit dem 1. Januar erfasst worden. Den letzten Schritt muss man selber gehen, aber es gibt Hilfe auf dem Weg. Wer seine Geschäftsidee weiterentwickeln möchte, Hilfe bei der Existenzgründung benötigt oder einfach nur den Austausch mit anderen sucht, ist bei Wiebke Wenzel richtig. Sie ist Veranstaltungskoordinatorin bei der Industrie- und Handelskammer für Existenzgründer. Ich habe mich mit der 35-Jährigen zum Plaudern getroffen.

Moin Wiebke, stell dich doch bitte einmal kurz vor.
Ich bin Wiebke – abends findet man mich irgendwo zwischen Yogamatte und Biergarten, beim Saxophon üben, im Sopran des New Voices Chors oder an der Wand des Kraftwerks beim Bouldern. Jobtechnisch bin ich mit Schlenker über die Hotel- und Gastroszene sowie die Touristik reingesprungen in die IHK Lüneburg-Wolfsburg. Hier habe ich die Gründungsinitiative „Gründergold“ von Anfang an mit begleitet und baue seit Januar 2021 in einem kleinen Team das zentrale Veranstaltungsmanagement mit auf.

Du unterstützt Menschen dabei, den Weg in die Selbstständigkeit zu gehen. Wie muss man sich deine Arbeit vorstellen?  
Zu meiner Arbeit in der IHK gehört neben der Orga von Events auch die Entwicklung neuer Veranstaltungskonzepte. Vor allem für GründerInnen ist es unglaublich wichtig, auf ein Netzwerk aus BeraterInnen, UnterstützerInnen und anderen GründerInnen mit ähnlichen Problemlösungen zurückgreifen zu können. Und wo lernt man die am besten kennen? Genau: beim Feierabendbier. Über unsere Formate bieten wir die Möglichkeit sich zu informieren, das eigene Netzwerk auszubauen und aus dem Schwarmintelligenzwissen zu schöpfen. Ein tolles Beispiel ist unsere monatliche Reihe LaborX.

Was ist das genau ?
LaborX ist so was wie Las Vegas – ein Spielplatz für Gründungsideen. Die erste Regel des Abends lautet: Was im LaborX passiert, bleibt im LaborX. Wir bieten an solchen Abenden Menschen, die eine Gründungsidee haben, die Möglichkeit, diese mit einer gemischten unterschiedlichen Gruppe einmal zu diskutieren und „durchzuspielen“ und dabei ganz neue Blickwinkel zu erhalten und Herausforderungen zu erkennen. Oftmals spielen GründerInnen die Idee für ihre Selbstständigkeit mit Familie und Freunden durch – ein sehr kleiner Dunstkreis, der natürlich emotional auch eher subjektiv ist. Im LaborX hingegen kommen unterschiedlichste Personen und damit auch potenzielle Zielgruppen an einem Abend zusammen und so kann der/die GründerIn mal mit einer ganz neuen Bubble sein Geschäftsmodell auf Tauglichkeit testen. Ein unglaubliches Geschenk. Und eben genau, um die eigene Gründungsidee beim Gründer/der Gründerin selbst zu belassen, heißt es bei uns „was im LaborX passiert – bleibt im LaborX“ – eben fast so wie in Vegas – nur mit höheren Erfolgschancen.

Foto: nh/Philipp Schulze

Was begeistert dich an deinem Job?
Mein Job ist super vielfältig. Ich darf planen, rumspinnen, organisieren, moderieren und vor allem so viele Menschen kennenlernen. Nicht nur, dass unser Kammergebiet regional weit gefasst ist, also von Harburg bis nach Gifhorn, sondern auch die Anzahl der Menschen und Gründungsideen, die ich kennenlerne, ist enorm. Da steckt so viel Motivation, Elan, Liebe und Leidenschaft in den Unternehmen hier in der Region – ich warte quasi nur noch auf meinen eigenen coolen Einfall.

Was sind so die Klassiker, wobei wünschen sich GründerInnen oft Unterstützung?
Finanzierung, Struktur und Netzwerk – oft auch einfach einen Sparringspartner, jemand, mit dem man mal die Idee durchdenkt. Man kann sich das ja gut vorstellen: Wenn die Idee einmal steht, kribbelt es in den Fingern und man will einfach nur starten. Aber um wirklich aus einer Idee auch ein tragfähiges Geschäftsmodell zu machen, braucht es eben solide Vorbereitung. Klingt nervig – ist aber nicht nur langfristig wichtig, um selber auf sicheren Beinen zu stehen, sondern hilft oft (unverhofft) dabei, die Geschäftsidee rund zu machen. Der klassische Businessplan oder das Business Model Canvas sind tolle und unterschätzte Hilfsmittel, um sich voll und ganz auf die Selbstständigkeit vorzubereiten.

Was meinst Du, hemmt uns die Krise langfristig beim Streben nach Selbstständigkeit? 
Das war auf jeden Fall mal ein krasses Jahr! Was viele sicherlich zum ersten Mal so richtig wahrgenommen haben, ist die Verantwortung, die man als UnternehmerIn seinen Mitarbeitenden und Kunden gegenüber trägt. Nach einer Umfrage des Deutschen Startup Monitors gaben 74,2 % der befragten Startups an, dass sie erhebliche Einbußen hinnehmen mussten. Umso spannender, dass trotz allem zu diesem Jahr rund 90 % der Startups mit Neueinstellungen planen.
Langfristig merken wir, dass in neuen Geschäftsideen die Themen ökologische Nachhaltigkeit und künstliche Intelligenz immer stärker in den Vordergrund rücken.*
Zudem hat die Krise uns als Menschen gezeigt, wie wertvoll unsere Zeit ist. Und Fakt ist nun einmal, dass wir einen Großteil unseres Lebens auf der Arbeit verbringen. Das fördert natürlich die Idee, sich einen Ruck zu geben, und endlich mal in die Selbstständigkeit zu starten.

Schwarmintelligenz nutzen, Beratung zur Unterstützung herbeiziehen, sich gut vernetzen und immer schön im Team arbeiten – so kann man von den Besten lernen.
Wiebke Wenzel

Was ist dein Gründungs-Highlight der letzten Monate?
Seit wir das LaborX digital anbieten, hatten wir jetzt jedes Mal 3–4 Gründungsideen pro Monat am Start. Die kamen u. a. aus den Bereichen Mobilität, Forschung, Gesundheit, Journalismus und Gaming. Mein ganz persönliches Highlight ist die Szene der jungen UnternehmerInnen hier in Lüneburg – so viele haben sich unglaublich schnell umorientiert, waren flexibel und haben die Geschäftsmodelle einfach komplett umgekrempelt. Ein Hoch auf die Gastroszene, die in den letzten Monaten so fleißig für mich gekocht hat. Wenn wir jetzt noch mehr in Richtung Pfandsysteme (für Food) in Lüneburg auf die Beine gestellt bekommen, wäre ich überglücklich.

Würdest du Existenzgründung gleichsetzen mit „Mut“?
Auf jeden Fall gehört Mut dazu – aber auch Wissensdurst. Oft sind aber auch andere Faktoren wie finanzielle Sicherheit oder ein Freundeskreis aus erfahrenen GründerInnen eine Befeuerung von „mutig sein“. Ich z. B. bin von zu Hause aus eher nicht auf Selbstständigkeit gepolt, aber ich bin fest davon überzeugt, dass man es lernen kann.

Wie mutig ist Lüneburg? Haben neue Ideen in der Stadt überhaupt Platz? 
Ich habe oft das Gefühl, dass neue Ideen viel Kampfgeist brauchen in Lüneburg. Hier braucht man manchmal Ellbogen, wenn man in „die alte Szene“ rein will, findet aber auch ebenso viel Unterstützung und Rückhalt, wenn man die positiv eingestellten, voranschreitenden Menschen trifft. Man sollte sich auf keinen Fall entmutigen lassen, sondern offen auf Menschen zugehen und sich nicht davor scheuen, um Hilfe zu bitten. Die meisten beißen nämlich gar nicht, sondern greifen gern unter die Arme.

Wie ist die perfekte Geschäftsidee gestrickt – frage für einen Freund 😉 ? 
Copy and Paste. Nee, Spaß beiseite. Sie sollte was Neues mitbringen – so weit, so gut. Aber es sollte vor allem nicht nur eine tolle Idee sein, sondern man sollte als GründerIn auch Risikobereitschaft mitbringen. Nachforschungen anstellen, ob die Idee überhaupt gebraucht wird. Gerade der Wettbewerb wird öfter mal unterschätzt. Dabei hilft so was Einfaches wie das Business Model Canvas. Und dabei natürlich schauen, wie das Geld rein kommt. Denn von der Idee will man ja im besten Fall auch seine Miete bezahlen. Und letzter Tipp: Schwarmintelligenz nutzen, Beratung zur Unterstützung herbeiziehen, sich gut vernetzen und immer schön im Team arbeiten – so kann man von den Besten lernen. Man darf auch mal scheitern, denn nur so kann man die Idee weiterentwickeln und verbessern.

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