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Ideenschmiede

von Melanie Jepsen
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Was, wenn die georderte Ware plötzlich liegen bleibt, weil die Läden nicht öffnen können? Vor diesem Problem standen Anna-Lena Elfers und ihr Bruder André, als Corona ihr tägliches Geschäft zum Erliegen brachte. „Wie fast alle haben wir gedacht, dass wir bald wieder öffnen“, sagt André Elfers. Die Realität sah anders aus. „Es ging darum, unseren Mitarbeitern schnell ein Sicherheitsgefühl zu geben. Denn natürlich fließen da auch Ängste mit ein“, fasst seine Schwester die Situation zusammen.

Familienunternehmen in zweiter Generation

Seit Oktober 2013 führen die Geschwister das Lüneburger Modeunternehmen HOLD. Ihre Eltern, Angelika und Ralf Elfers haben die Firma aufgebaut und über Jahre geleitet. „Es war eine große Entscheidung, ein Familienunternehmen in der zweiten Generation weiterzuführen“, meint André Elfers. Sehr schnell fanden er und seine Schwester einen gemeinsamen Weg. Während sich die 31-Jährige um den Einkauf der Ware, Merchandising, Fenstergestaltung, Kampagnen und die gesamte Pflege der Social-Media-Kanäle kümmert, ist ihr Bruder für das Backoffice zuständig und verantwortet Controlling, Planungen, sämtliche IT-Themen. Von Lüneburg aus managen sie insgesamt 20 Stores in Niedersachsen und Schleswig-Holstein mit über 100 Mitarbeitern.

Ein eingespieltes Team

„Wir sind hier im Office in der Innenstadt ein kleines, eingeschworenes Team“, sagt André Elfers. Im Gegensatz zu seiner Schwester, die schon als Schülerin in das Unternehmen hineinschnupperte, studierte der heute 35-Jährige zunächst Ingenieurwesen, bevor er Produktmanagement in Amsterdam lernte und später bei Street One arbeitete. Für Anna-Lena war schon früh klar, in die Fußstapfen ihrer Familie zu treten. Nach dem Abitur sammelte sie berufliche Erfahrungen, darunter bei Marc O‘Polo in Bayern und Street One in Hannover, und besuchte danach eine Fachakademie für Textil und Schuhe. Heute sind sie ein eingespieltes Team und geben dem Unternehmen ihre eigene Handschrift.

Foto: nh/tonwert21.de

#Zusammenhalt

Die Pandemie hat die Geschwister auf eine Bewährungsprobe gestellt und gleichzeitig das gesamte Team noch mehr zusammengeschweißt. „Damals standen die Telefone nicht still“, erinnert sich Anna-Lena Elfers an die Anfänge der Krise. „Deutschland wurde unvorbereitet getroffen. Man hat nirgendwo Antworten bekommen, musste aber selbst Antworten geben.“ Die jungen Modeunternehmer haben in der Krise ihren eigenen Weg für sich gefunden, auch wenn es für alle ein kräftezehrender war. Schon vor dem ersten Lockdown erstellten sie für die Mitarbeiter aller 20 Stores eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe unter dem Namen #Zusammenhalt. Zudem schrieben sie jede Woche allen Mitarbeitern einen Brief, um sie über die aktuellen Entwicklungen zu informieren. „Wir haben uns überlegt, was wir ihnen an die Hand geben können. Das alles hat für Zusammenhalt gesorgt“, sagt die Lüneburgerin. 

Thema lokaler Einzelhandel

Gemeinsam entwickelten sie einen Notfallfahrplan, setzten schon früher als gefordert ein Hygienekonzept um: „Uns war wichtig, dass die Atmosphäre dennoch sympathisch auf den Kunden wirkt und zugleich den Mitarbeitern von Anfang an ein gutes Gefühl gibt.“ Ein lokaler Tischler fertigte in Eichenholz gefasste Plexiglasscheiben für den Kassenbereich. „Es sind ganz viele verschiedene Ideen entstanden. Zum einen war es uns wichtig, das Thema Einzelhandel weiterhin lokal zu spielen, was wir vorher ja auch schon immer gemacht haben“, sagt Anna-Lena Elfers. „Gerade jetzt ist es so wichtig den Leuten zu erzählen, dass wir kein Großkonzern sind, sondern dass da wirklich eine Familie dahintersteckt, die gerade kämpft.“ 

„In den kleinen Städten war die Angst der Kunden groß.“
André Elfers
Geschäftsführung von HOLD

Arbeitsplätze vor Ort

So dekorierten sie kurzerhand ihre Schaufenster trotz geschlossener Läden und stellten sich und ihr Unternehmen mit Texten vor. Über die sozialen Medien veröffentlichten sie Fotos und Videos, um sich in Erinnerung zu rufen. „Hier geht es wirklich um Arbeitsplätze vor Ort. Das hat die Kunden sehr interessiert, es kamen schöne Gespräche zustande“, freut sich Anna-Lena Elfers. „In den kleinen Städten war die Angst der Kunden groß. Dort sind wir wirklich eine Anlaufstelle. Es gibt so viele tolle kleine Städte. Und da gehört ein gesunder Einzelhandel, eine gesunde Gastronomie, ein gesunder Mix einfach dazu“, ergänzt ihr Bruder. Über Instagram und Facebook habe das Team viel Zuspruch erfahren.

HOLD-Abholzeiten und Wundertüten

Weitermachen, sich in Erinnerung rufen, kein Stillstand. Einfach überleben. Darum ging es. So drehten sie Videos und stellten online ihre Ware vor. Daraus entstanden dann sogenannte HOLD-Abholzeiten. Dreimal pro Woche waren die Stores für gewisse Stunden besetzt, so dass jeder via Click-and-Collect seine Ware abholen konnte. In diesem Zuge entwickelten sie auch die Wundertüten, bei der die Kundin vorher lediglich ihre Größe und Wunschmarke durchgab und dann eine Tüte mit mindestens fünf Kleidungsstücken zu einem stark vergünstigten Preis erhielt. „Dadurch haben uns auch Kunden kennengelernt, die uns vorher nicht wahrgenommen haben.“

Foto: nh/tonwert21.de

Geschäft nimmt wieder Fahrt auf

Mittlerweile ist jeder ihrer Stores auch via WhatsApp erreichbar. Social Media möchten sie auch zukünftig weiter ausbauen, kündigen die Geschwister an. „Jeder Kunde, der mit uns nicht in Kontakt ist, ist ein potenzieller Kunde für den Onlinehandel“, sagt André Elfers. „Unser Team hat es geschafft, auch beim Kunden auf dem Sofa anzukommen. Ohne unsere Mitarbeiter, wäre das alles nicht möglich gewesen.“
Langsam nimmt das tägliche Geschäft durch die aktuellen Lockerungen wieder Fahrt auf. Überstanden ist die Krise noch nicht. „Grundsätzlich wächst man an solchen Dingen“, sagt Anna-Lena Elfers. „Allgemein sind wir immer positive Menschen gewesen und daher auch optimistisch durch diese Zeit gegangen. Jede Krise kann auch wieder neue Chancen bringen.“ Für beide sei es definitiv eine Achterbahnfahrt der Emotionen gewesen.

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