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Coach auf vier Beinen

von Ute Lühr
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Es liegt wohl in der Natur des Menschen, seinen tierischen Mitbewohnern Charaktereigenschaften anzudichten, um ihnen damit das Befremdliche zu nehmen. So gilt der Fuchs als schlau und hinterlistig, der Bär als gutmütig und einfältig oder der Löwe als stolz und königlich. Und auch der Esel bekommt seinen Stempel aufgedrückt: Er ist störrisch und faul, heißt es. „Das aber ist völlig falsch“, sagt Gabriele Duchek. Und die muss es wissen.

Sensible Vierbeiner

Seit mittlerweile acht Jahren bietet die Lüneburgerin Führungskräfte-Training, Team-Entwicklung und Burnout-Prävention in Zusammenarbeit mit den sensiblen Vierbeinern an. „Denn die gehen auf die kleinsten Signale sofort ein, fordern Klarheit und Präsenz, bleiben stehen, wenn sie unsicher werden und überdenken ihren nächsten Schritt.“ Das liege in ihrem Wesen fest verankert, und das mache sie zu idealen Co-Trainern, sagt ihre Besitzerin.

Natürliche Eigenarten

Drei der zuverlässigen Huftiere zählt sie derzeit zu ihrem Team, acht, zwölf und 15 Jahre sind Lotti, Pepe und Rasmus alt. Eine vierte Kollegin soll die Truppe demnächst ergänzen. Das passende Tier für diese Stelle zu finden ist ähnlich schwierig wie in einer Firma – die Chemie muss eben passen. Die beruflichen Voraussetzungen sind dagegen überschaubar: „Trainiert soll der Esel auf gar keinen Fall sein“, sagt Gabriele Duchek, „ich setze da allein auf ihre natürlichen Eigenarten.“

Stillstand bei Gefahr

Und die sind vielfältig und lehrreich. Das macht sich die systemische Coachin zunutze. „Das Tier spiegelt das Verhalten des Menschen eins zu eins wider“, sagt sie, „wenn der Mensch also beispielsweise gemeinsam mit dem Esel einen Parcours durchlaufen soll und nicht sicher ist, welchen Weg er wählen muss, bleibt sein Begleiter einfach stehen.“ Denn das sei eine ureigene Charaktereigenschaft der Vierbeiner: Bei Gefahr reagiert er nicht mit Panik oder Flucht, er verordnet sich Stillstand und überdenkt den nächsten Schritt – in freier Wildbahn überlebenswichtig.

Nicht star und dumm, sondern intelligent

„Diese domestizierten Tiere haben ihren eigentlichen Lebensraum ja im Gebirge“, erklärt die Diplom-Betriebswirtin, die sich bereits vor gut 20 Jahren in Hamburg mit ihrer Coaching-Agentur selbstständig gemacht hat und 2012 zurück in ihre Heimat Lüneburg gezogen ist. „Wenn sie dort eine falsche Entscheidung treffen, weil sie sich in die Enge gedrückt fühlen, kann das den schnellen Tod bedeuten.“ Der Mensch deute dieses Verhalten als stur und mitunter auch dumm, „aber das ist doch wohl eher sehr intelligent“, sagt die Expertin.

Stressfreie Kommunikation

Situativ und authentisch führen – das zeichne eine gute Kraft in gehobener Position aus. Und das wird bei Gabriele Duchek vermittelt: „Der Esel fordert uns durch sein Verhalten auf, eindeutige Signale zu senden, achtsam und stressfrei zu kommunizieren.“ Die ungewohnte Situation – mit dem Tier an der Leine – bringe dabei schnell eingefahrene Verhaltensmuster ans Tageslicht und biete so eine sofortige Reflexionsmöglichkeit, erklärt sie. Und das gespiegelt von den unterschiedlichen Charakteren.
Ähnlich seien sich die Vierbeiner nämlich keineswegs. „Deshalb durchlaufen wir den Parcours auch mehrere Male und wechseln die Tiere dabei durch“, erklärt die Lüneburgerin, „dadurch müssen sich die Teilnehmenden immer wieder auf neue Persönlichkeiten einstellen – letztlich wie im Berufsleben ja auch.“

Unglaubliche Ruhe

Neben Führungskräfte-Training und Team-Entwicklung bietet die Fachfrau aber auch Burnout-Prävention mit den drei behaarten Co-Trainern an. „Sehr viel bedarf es dafür eigentlich nicht“, sagt sie, denn die sensiblen ponygroßen Vertreter der Pferdefamilie verbreiteten schon von sich aus eine unglaubliche Ruhe, die zu sofortiger Entspannung führe. „Wenn man sich nur auf das Tier fokussiert, kann man den Alltagsstress allein dadurch ganz leicht vergessen.“

Mehr Platz, mehr Ruhe

Alltagsstress – dem versuchte auch Gabriele Duchek den Rücken zu kehren, als sie vor nunmehr neun Jahren von Hamburg zurück in die alte Heimat gezogen ist. Mehr Platz, mehr Ruhe und endlich auch Gelegenheit, sich einen lang gehegten Traum zu erfüllen: „Esel fand ich schon als Kind faszinierend“, sagt die 58-Jährige, „musste mich aber bis dahin mit einer ansehnlichen Stofftier-Variante begnügen.“ Ihre Schwestern wollten das ändern, suchten einen passenden Gefährten. Ein Tier allein sei aber nicht artgerecht, hieß es, so wurden es zum Start gleich zwei. Und die fanden ein neues Zuhause in Adendorf, wurden schon bald in das Seminarangebot miteingebunden. Eine Marktlücke.

Fundierte Expertise

„In Deutschland gab es ein solches Angebot sonst nicht“, sagt sie, „das findet sich als nächstes erst in Österreich.“ Dementsprechend groß ist auch ihr Einzugsgebiet: Die Teilnehmer kämen aus ganz Norddeutschland sowie Berlin. Und die können sich auf fundierte Expertise verlassen: „Eine Eseltrainerin aus Belgien hat mich hier vor Ort im Umgang mit den Tieren eine Woche lang geschult“, berichtet Gabriele Duchek, „und mir erklärt, wie sie sich verhalten, was ihre Eigenarten sind.“

Esel-Haltung ganz einfach

Gezwungen werden Lotti, Pepe und Rasmus dazu aber nicht: „Das ist wie mit uns Menschen. Wir haben schließlich auch mal einen schlechten Tag“, sagt die 58-Jährige, die ihr Coaching-Büro in der Roten Straße in Lüneburg hat, die Tiere in Adendorf deshalb auch nicht jeden Tag betreuen kann. Dafür hat sie aber Hilfe – und vieles machen die Vierbeiner auch ganz allein.
„Überaus kompliziert ist die Haltung von Eseln nicht“, erklärt Gabriele Duchek, „sie fressen vornehmlich Heu, dürfen auch in das hochgewachsene Gras.“ Weiden, wie sie die Pferde gerne nutzen, seien für die kleineren Verwandten nicht geeignet: „Durch die Fructose bekommen sie Probleme mit den Hufen.“ Und auch sonst unterscheide die beiden Arten doch einiges voneinander – für die Trainerin ist ein Aspekt entscheidend: „Vor Pferden habe ich Angst, vor Eseln nicht.“

1. Familienbande Gabriele Duchek (l.) und Tochter Elena Ites bilden ein erfolgreiches Gespann. Die Teilnehmer der Coachings kommen aus dem gesamten norddeutschen Raum. 2-5. Parcours Verschiedene bewegliche und farbenfrohe Hindernisse sind Bestandteil des Parcours, den die Teilnehmer beim Eselcoaching mit den Tieren an der Leine durchlaufen müssen. Wer unsicher ist, wie die Herausforderungen zu meistern sind, überträgt das auf den Vierbeiner: Er bleibt stehen. 

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