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Säen, ernten, auswerten

von Melanie Jepsen
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Landwirtschaft, das ist mehr als Ackerbau und Viehwirtschaft. Kaum ein Wirtschaftszweig ist so vielseitig und komplex. Schon seit Jahrtausenden bewirtschaften die Menschen Äcker, halten Vieh, ernähren ihre Familien. Die Landwirtschaft ist Grundlage für die Lebensmittelindustrie. Heute werden bundesweit 16,6 Millionen Hektar Fläche landwirtschaftlich genutzt. Der Wunsch nach Qualität und Frische ist genauso groß, wie die Anforderungen an die Landwirte. Die Verbraucher wollen wissen, wo die Erzeugnisse herkommen, wie sie produziert werden. Auch die Nachhaltigkeit und die Frage nach dem Tierwohl spielen eine große Rolle.

 
Die Landwirtschaft war einst der bestimmende Wirtschaftszweig in der Lüneburger Heide. Die Arbeit mühsam, die Ernteerträge gering, der Boden karg. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Landwirtschaft einen starken Wandel erlebt. Neue Wirtschaftszweige kamen mit der Industrialisierung hinzu. Die Betriebe wurden leistungsfähiger, die Abläufe effizienter. Hinzu kommen heute immer neuere Bewirtschaftungsweisen und zukunftsweisende Ideen, mit denen sich die Betriebe weiterentwickeln.

Foto: nh/phs

„Bis zur Industria­li­sierung haben rund 80 Prozent der Bevölkerung auf dem Land gelebt. Viele Leute verlieren heutzutage den Kontakt zur Landwirtschaft und zum Handwerk.
Dr. Ulrich Brohm, Museumsleiter des Museumsdorfes Hösseringen

Vorsichtig legen Luise Köpke und ihr Kollege Martin Hagemann der Kuh eine Manschette mit integriertem Bewegungssensor und SIM-Karte an. Moocall heißt dieser unscheinbar aussehende Abkalbesensor, der jetzt aktuell im Landwirtschaftlichen Bildungszentrum (LBZ) in Echem erprobt wird. Der Sensor, so erklärt Luise Köpke, die für die Koordination Weiterbildung Nutztierhaltung zuständig ist, dient der Geburtsüberwachung. 

Frühzeitiger Alarm rettet Leben

Der Sensor misst dabei die Schwanzbewegung des Tieres. Anhand eines bestimmten Bewegungsmusters erkennt das Gerät das Einsetzen der Wehen und sendet dem Landwirt eine Meldung per SMS direkt aufs Smartphone. Moocall soll den Landwirt rechtzeitig benachrichtigen, wenn die Kalbung ansteht, so das Versprechen des Herstellers. Der frühzeitige Alarm könne Leben retten und Totgeburten verringern. Das sei ein großer Vorteil, vor allem auch nachts. 

Digitalisierung im Stall

Die Digitalisierung ist längst im Stall angekommen. Vernetzte Systeme unterstützen die Landwirte und liefern ihnen wichtige Daten über ihre Tiere. Heute übernehmen Melkroboter das Melken, Milchtaxis und Kälbermamas lösen das Schleppen schwerer Milchkannen ab und ermöglichen eine präzise und auf die Bedürfnisse des Tieres abgestimmte Kälberfütterung. Herdenmanagementsysteme erfassen die Aktivitäts- und Gesundheitsdaten der Tiere. Anhand dieser Daten lässt sich der Gesundheitszustand des Tieres analysieren. Auch die optimale Besamungszeit kann heutzutage genau errechnet werden. Nicht nur in der Tierhaltung, auch in allen anderen Bereichen der Landwirtschaft sind intelligente Technologien für viele Betriebe zu unverzichtbaren Helfern geworden. Auf den Feldern kommen Drohnen zum Einsatz, die Rehkitze im hohen Gras lokalisieren oder den Pflanzenbestand erfassen. Feldroboter erleichtern den Rüben- und Kartoffelanbau. All diese Technologien sollen Betriebsabläufe effizienter gestalten. 

Das Tier nicht aus dem Blick verlieren

Der Einsatz von digitalen Systemen ersetze aber nie den geschulten Blick des Landwirtes, sondern sei immer nur unterstützend. Nur er könne die Daten richtig interpretieren, Rückschlüsse ziehen, zeigt Martina Weber, Geschäftsführerin des LBZ, die Grenzen der Digitalisierung auf. „Es ist wichtig, dass man das einzelne Tier nicht aus dem Blick verliert. Man darf nicht nur auf die Zahlen am Computer schauen, sondern muss auch durch den Stall gehen“, ergänzt Luise Köpke. Jährlich bildet das LBZ in Echem gut 1600 Menschen aus, die sich für einen Beruf in der Landwirtschaft entscheiden. Sie alle werden während ihrer Ausbildung an intelligente Technologien herangeführt. Dabei gelte stets: „Die Technik ist immer so gut, wie der Landwirt sie nutzen und analysieren kann“, sagt Martin Hagemann, Ausbilder im Landwirtschaftlichen Bildungszentrum. Dies vermittelt er auch dem beruflichen Nachwuchs. 

Die Digitalisierung optimiert Arbeitsabläufe und zeigt Probleme durch intelligente Verknüpfung verschiedenster Daten auf. Der Tierhalter trifft die Entscheidungen und trägt die Verantwortung für die ihm anvertrauten Tiere.
Martina Weber, Geschäftsführerin des Landwirtschaftlichen Bildungszentrums (LBZ) in Echem

Jungsteinzeit und Mittelalter

Die Menschen in der Region wurden sesshaft und fingen an, Korn und andere Kulturpflanzen anzubauen sowie Vieh zu halten. Im Verlauf des Mittelalters bildete sich die Heidebauernwirtschaft aus. Die Bauern hielten auf den Heideflächen Heidschnucken und verarbeiteten Fleisch und Wolle der Tiere. Hinzu kam die Heideimkerei als weiterer Zweig der Landwirtschaft. Auch Rinder, Schweine und Pferde wurden gehalten. Kennzeichnend für die Heidebauernwirtschaft war das Plaggen. Regelmäßig wurde der Oberboden der Heidefläche abgetragen und als Streu für die Heidschnucken verwendet. Angereichert mit Kot und Streu der Tiere brachten ihn die Bauern als Dünger auf die Felder auf.

Roggen war die dominierende Nutzpflanze. Auf sehr mageren Boden, der für den Roggenanbau (Wintergetreide) ungeeignet war, wurde Buchweizen angebaut. Buchweizen verarbeiteten die Bauern zu Mehl und Grütze oder nutzten ihn als Viehfutter. Flachs und Faserlein dienten zur Herstellung von Textilien. Ebenso der Kultur-Hanf, der in den Moorgebieten der Lüneburger Heide angebaut wurde. Die wichtigste Sommerhalmfrucht in der Lüneburger Heide war der Hafer. Er wurde hauptsächlich als Pferdefutter verwendet.

Moderne Landwirtschaft

Nach 1950 kommt es in der Landwirtschaft zu einer Umstrukturierung. Während sich die Zahl der Höfe verringerte, stiegen die Betriebsgrößen und auch die Anforderungen an die Landwirte. Diese Entwicklung führte letztendlich zu einer leistungsfähigen Landwirtschaft. Damit verbunden waren ein erhöhter Einsatz von Kraftfutter, eine optimierte Fütterung, Haltung und Zucht. Auch die Technik entwickelte sich stetig weiter. Heute ist die Landwirtschaft der Lüneburger Heide durch den Marktfruchtbau und durch Milchvieh- und Schweinehaltung geprägt.

Ab 1900

erfolgte eine Ausweitung der Anbauflächen in der regionalen Landwirtschaft. Mit zunehmendem Kartoffelanbau intensivierten die Bauern die Schweinehaltung. Nun konnten die Tiere in größerer Anzahl günstig gefüttert werden. Auch Ziegen wurden gehalten. Die Heidebauernwirtschaft war unrentabel geworden, viele Heideflächen wieder aufgeforstet. Der verstärkte Anbau von Kartoffeln und Zuckerrüben, aber auch die verbesserte Düngung, Be- und Entwässerung und die Mechanisierung führten zu einer großen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion. Betriebe spezialisierten sich.

Kartoffel auf dem Vormarsch

Kunstdünger und der Anbau von Speisekartoffeln veränderten nach und nach die Agrarlandschaft. Der Roggen trat in der Fruchtfolge zurück. Seit 1800 war die Kartoffel Grundnahrungsmittel der ländlichen Bevölkerung. In größerem Maße wurde sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kultiviert. Ende der 1870er-Jahre setzte der Anbau der Zuckerrübe ein und dehnte sich vor der Jahrhundertwende aus.

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