Seit etwa einem Jahr gibt es in der Weinhandlung meines Vaters einen Wein namens „Weißer Racker”. Die Bezeichnung und der große goldene Ritter auf dem Etikett spielen auf die besondere Lage des Geschäftes an. Adresse: Ritterstraße, Eingang: Rackerstraße.
Gerade kam der neue Jahrgang in die Flasche; leckerer Riesling von der Mosel. „Gutsabfüllung Weingut Josef Milz” steht auf der Rückseite. Wird da lediglich ein Sonderetikett aufgeklebt oder steckt doch mehr dahinter? Mein Vater verweist mich an den Hannoveraner Sebastian Schmidtke – mit ihm gemeinsam hat er den Wein kreiert. Zwei Norddeutsche machen Moselwein? Ich werde immer neugieriger.
Gegenüber der Moselschleife
Am Telefon erzählt mir der Quereinsteiger, dass er seinen Traum vom eigenen Weingut lange verfolgt habe. Per Zufall sei er nach erfolgloser Suche in Trittenheim an der Mosel gelandet. Hier, gegenüber der berühmten Moselschleife, wo der Fluss tatsächlich eine beeindruckende Wende von 180° vollführt, ist die Familie Milz ansässig. Sie ist tief in der deutschen Weingeschichte verankert, man munkelt sogar, sie besäßen das älteste bürgerliche Weingut Deutschlands.
In 16. Generation
Gegründet wurde der Betrieb 1520, heute ist Markus Milz Inhaber in sechzehnter Generation. Das Geschäftsverhältnis sei im Vorfeld des 500-jährigen Weingutsjubiläums entstanden. „Markus suchte jemanden, mit dem er gemeinsam das Weingut langfristig umstrukturieren konnte und ich suchte jemanden wie ihn, der mir den Einstieg in die Weinwelt erleichtern würde”, erzählt Schmidtke. Scheint geklappt zu haben: Seit drei Jahren ist er der Geschäftsführer des Gutes, und inzwischen auch Miteigentümer.

In diesem Monat geht es um
einen Wein, der extra für
Weinliebhaber im Norden
gemacht wurde. Foto: nh/tonwert21.de
Hausweingeschäfte sind nicht unüblich
Von seiner Heimat Hannover aus kann Schmidtke den norddeutschen Weinmarkt gut bespielen und seine Weine in die Fachgeschäfte bringen. Ab und an seien da auch solche Sonderabfüllungen wie der Weiße Racker dabei. „Neben unseren eigenen Weinen erzeugen wir jährlich etwa fünf Weine, die es sonst nirgends zu kaufen gibt. Dieses sogenannte Hausweingeschäft ist in der Branche nicht unüblich, sicher hat fast jedes Weingut solche Arrangements.“ Wie kommt es dazu? „Häufig treten die Kunden an uns heran, weil sie einen eigenen, auf sie zugeschnittenen Wein haben möchten und von unseren Qualitäten begeistert sind. Manchmal geben auch wir die Impulse. Dazu muss gesagt werden, dass wir das nur bei langjährigen Geschäftsbeziehungen machen.“
1800 Flaschen „Weißer Racker“
Das liege auch an der begrenzten Menge: „Jedes Jahr haben wir nur ein festgelegtes Kontingent an Ware, die wir für die Sonderabfüllungen nehmen können. An uns müssen wir schließlich auch denken“, meint Schmidtke lachend. Für den „Weißen Racker” etwa seien 1800 Flaschen vorgesehen. Wer bestimmt nun den Geschmack der Weine? „Ganz klar der Kunde. Wir bieten mehrere Fässer Grundwein an, jeder dieser Weine schmeckt ein wenig anders, der eine ist kräftiger, der andere hat mehr Säure und so weiter. Alle sind durchgegoren und somit meist richtig trocken. Ist der Wein ausgesucht, stellt sich die Frage, ob er so trocken bleiben soll. Wir beraten, doch letztlich überlassen wir diese Entscheidung dem Auftraggeber.“
Geschmack des Kunden treffen
Dem fertigen Wein werde eine kleine Partie Süßweinreserve zugefügt, die letzten Endes dann den Zuckergehalt des Produkts bestimme. Die Kunden erhielten Proben oder könnten die Weine vor Ort in Trittenheim selbst einstellen. „Durch das Cuvéetieren, also das Mischen der Weine, treffen wir perfekt den Geschmack des Kunden. Er bestimmt, wie süß der Wein sein und wie viel Säure er enthalten soll.“ Das Mischverhältnis müsse genau dokumentiert werden, um den späteren Wein exakt nach dem Muster füllen zu können. Sicher ein spannender Prozess, da die Entscheidung über den Geschmack auch im Hinblick auf den Endverbraucher getroffen werden muss. Hier muss man das eigene Klientel genau kennen – die Lüneburger zum Beispiel trinken gerne trockene Rieslinge.
Trockene Rieslinge mögen die Lüneburger
Nach der ersten Verkostung empfehle es sich, die Probe vor dem zweiten Bewerten ein paar Tage ruhen zu lassen. „Wein ist ein lebendiges Getränk, welches sich fortlaufend entwickelt. Und der Hauswein soll ja auch schmecken, wenn er schon länger in der Flasche ist.“ Wie sieht es mit der Ausstattung der Flasche aus – zufällig weiß ich, dass Name und Design des Rackerweines in Lüneburg entwickelt wurden. Ist das üblich? „Das Etikett überlassen wir stets dem Kunden. Neben dem Einstellen macht das sicher auch am meisten Spaß, und so wird es wirklich der eigene Wein.” Dennoch werde genau darauf geachtet, den rechtlichen Rahmen einzuhalten. „Auf dem Rückenetikett müssen einige Infos über den Wein und den Erzeuger stehen, darauf haben wir immer ein besonderes Auge, wenn uns der Kunde sein Design vorlegt.“
Ein frischer und knackiger Racker
Man muss also gar kein Weingut haben, wenn man einen eigenen Wein haben möchte: das Hausweingeschäft macht es möglich. Cool! Nur die Mengen sind nicht gerade haushaltsüblich – ich warte mit einem solchen Projekt wohl noch …
Mit dem weißen Racker ist Schmidtke in diesem Jahr besonders zufrieden: „Wir haben eine tolle Mischung aus Guts- und Ortsweinen gefunden, es sind also Weine der guten und sehr guten Qualität enthalten. Somit stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis auf jeden Fall. Der Racker schmeckt frisch und knackig, trägt also ganz bewusst den Moselcharakter bis an die Ilmenau.“