Restaurants und Köche, die auf Nachhaltigkeit, Regionalität und Wertschätzung von Lebensmittel bedacht sind – einer, der sich genau für diese Themen einsetzt, ist Michael Haupt, Vizepräsident von Euro-Toques Deutschland e. V.. Sie wissen ja, kulinarische Themen sind genau meins. Deshalb möchte ich mehr über seine Arbeit erfahren. Der 60-Jährige ist nicht nur Bäcker und Koch, sondern kann mit diversen Zusatzqualifikationen wie Verpflegungsbetriebswirt, Diätkoch, Küchenmeister, Experte für Vegetarisch-Vegane Küche (IHK) aufwarten. Einen eigenen Cateringservice schmeißt er so ganz nebenbei auch noch seit 2004. Schön, dass sich Michael Haupt trotzdem Zeit für einen Schnack mit mir genommen hat.
Moin Herr Haupt, wie ist die Idee entstanden, „Euro-Toques“ zu gründen und wofür steht dieser Zusammenschluss?
Die Organisation wurde am 18. November 1986 von dem Belgier Baron Pierre Romeyer mit Unterstützung des Präsidenten der Europäischen Kommission Jacques Delors gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten die Köche Paul Bocuse aus Frankreich und Eckart Witzigmann aus Deutschland. Weitere bekannte Küchenchefs sind Gualtiero Marchesi, Cas Spijkers, René Jacquemin oder David Miller. Eckart Witzigmann als Gründungspräsident sowie Heinz Winkler, Hans-Peter Wodarz und Günther Scherrer sind Köche, die seit der ersten Stunde mit dabei waren. Der Name „Euro-Toques“ setzt sich zusammen aus den Begriffen Euro für Europa und Toques für la toque (französisch für Kochhut), dem Standeszeichen der Köche. Die Grundphilosophie von „Euro-Toques“ ist verankert im Ehrenkodex, den einzuhalten sich jeder Euro-Toques-Koch verpflichtet. Vor allem geht es um die Verwendung jahreszeitlicher und frischer, unverfälschter Produkte und traditioneller Rezepte, um den Fortbestand regional erzeugter Produkte und darum, die Vielfalt des europäischen kulinarischen Erbes zu erhalten. Neben dem Verbraucherschutz geht es auch um die Information und die Schulung der Konsumenten. Euro-Toques hat nach seiner Satzung philanthropische, wissenschaftliche und pädagogische Ziele.

Sie sagen, ein Euro-Toques-Chefkoch verpflichtet sich diesen Ehrenkodex einzuhalten. Worum geht es dabei genau?
Wir stehen für einen vorurteilslosen Respekt der unterschiedlichen Traditionen der Länder und Regionen. Das heißt, alle Menschen, egal welcher Hautfarbe, Nation oder Religion, werden gleich behandelt. Genauso wichtig ist für uns der Erhalt und Einkauf von regionalen und saisonalen Produkten mit einer hohen Qualität. Somit wird der Fortbestand der regionalen Produkte gesichert.
Es werden beispielsweise wieder alte Gemüsesorten genutzt, die beim einen oder anderen Koch oder Konsument schon in Vergessenheit geraten sind. Dazu zählen zum Beispiel die lila Kartoffel, die Urmöhren, Pastinaken oder alte Obssorten wie die alte Pastorenbirne oder Berlepsch. Bei uns werden außerdem eine Vielzahl an Zutaten und natürliche Aromen eingesetzt, somit wird eine ausgewogene Ernährung gefördert. Mit all dem Tun vermitteln wir unseren Gästen und auch den Verbrauchern eine gewisse Geborgenheit und Sicherheit.
Was müsste sich Ihrer Meinung nach verändern, damit Lebensmittel wieder mehr geschätzt werden?
Da gibt es einiges zu tun. Es müssen wieder mehr hochwertige, anstatt preiswerte Produkte in den Küchen verwertet werden. Das fängt an beim Fleischkonsum und hört auf bei der vollständigen Verwertung von Produkten. Außerdem ist es wichtig, sich dem natürlichen Zyklus anzupassen. Wir brauchen keine Flug-Mango, die aus Brasilien eingeflogen wird, denn wir haben wunderbare alte saisonale Obstsorten in Deutschland zur Verfügung. Nachhaltige Beschaffungswege spielen auch hier eine große Rolle. Es ist doch ganz einfach, den regionalen und saisonalen Kalender mit in den Küchenalltag zu integrieren.
Lebensmittelverschwendung und Nachhaltigkeit sind in aller Munde. Wie geht „Euro-Toques“ mit diesen Themen um?
Schön, dass Sie das Thema ansprechen, denn das ist auch ein wichtiger Aspekt, warum Euro-Toques e. V. gegründet worden ist. Nur ein Beispiel: Früher wurde das ganze Tier von Kopf bis Schwanz verarbeitet. Beispiel Rind: Heute wird doch zum größten Teil in der Küchengastronomie nur noch das Filet verwertet. Wenn es gut läuft, noch das Hack. Der Rest des Tieres kommt in den Abfall. Irgendwann sind wir falsch abgebogen auf unserem Weg des Konsums. Unser Ziel ist es, dass wieder alles verwertet wird. Das gilt nicht nur fürs Tier, sondern auch beim Gemüse. Warum die Schalen wegwerfen, wenn daraus noch eine wunderbare Brühe gekocht werden kann.
Stichwort: Zu gut für die Tonne – Gibt es unter Ihren Mitgliedern Köche, die mit Produkten kochen, die nicht der EU-Norm entsprechen und aussortiert wurden?
Wegen des Unsinns mit der EU-Norm wurde 1986 Euro-Toques überhaupt erst gegründet. Wir wollten nicht hinnehmen, was von der EU über unsere Köpfe hinweg entschieden wurde und haben Euro-Toques e. V. gegründet. Nur weil eine Gurke krumm ist und nicht gerade, soll sie nicht mehr genutzt werden? Der Apfel, der nicht 100 Prozent rund ist oder einen Makel in der Schale hat, soll nicht mehr verwendet werden? Viel schlimmer noch, diese Produkte sollten alle in den Müll gehen? Das wollten wir nicht.
Auch hier versuchen wir ein Vorbild für den Verbraucher zu sein, indem wir das in unseren Leitsätzen bewerben und in unserem Handeln aktiv in der Küche umsetzen. Natürlich nicht nur beruflich, sondern auch privat.

Immer weniger Tiere, immer besser halten – das ist der einzige Slogan, der zukunftsfähig ist.Sarah Wiener
Köchin
Wie attraktiv ist der Beruf des Kochs heute noch?
Aus unserer Sicht ist es nach wie vor ein toller Beruf. Die verschiedenen Möglichkeiten, die man mit solch einer Ausbildung hat, sind schon klasse. Das Tätigkeitsfeld eines Koches hat schon eine große Bandbreite. Angefangen beim Care-Bereich über klassische Gastronomie bis hin zu der Kreuzfahrt- und Sternegastronomie. Es ist eigentlich für jeden etwas dabei.
Und wie sieht‘s mit dem Nachwuchs aus? Was tut Euro-Toques e. V., um diesen zu fördern?
Wir versuchen den Nachwuchs da zu erreichen, wo alles beginnt. Wir gehen direkt in die Berufsschulen und vermitteln unsere Werte dort weiter. Außerdem fördern wir die Jugend, indem wir Jugendwettbewerbe in ganz Deutschland organisieren. Angefangen haben wir mit einem Standort. Seit diesem Jahr sind es mit Bochum, Emden und Höchstadt a. d. Aich schon drei. Austauschprogramme nach Österreich, Luxemburg oder in andere EU-Länder gehören auch zu unserer Förderung. Unsere Mitglieder sitzen in den Prüfungsauschüssen, und was ganz wichtig ist, man kann seinen Auszubildenen auch bei uns als Mitglied bewerben. Voraussetzung dafür ist, das bereits ein Koch im Unternehmen arbeitet, der bei uns Mitglied ist. Ein weiteres Anliegen ist uns, dass uns keiner als Elite-Verein sieht. Wir wollen die Masse erreichen, aber vor allen Dingen von unseren Werten überzeugen.
Müssen die Köche bestimmte Kriterien erfüllen? Kann sich jeder bewerben?
Ja, Kriterien sind zum Beispiel, dass der Koch nachhaltig einkaufen und viel verwerten muss, sei es vom Tier oder anderen Lebensmitteln. Dazu gehört auch, auf den regionalen und saisonalen Kalender zu schauen sowie kleine Bauern und Unternehmen aus der Region zu unterstützen.
Wo sehen Sie Euro-Toques in fünf Jahren?
Dass wir weiter weiterhin wachsen. Dass wir unseren Bekanntheitsgrad weiterhin steigern und in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen werden mit unseren Zielen. In den letzten Jahren haben wir einige neue Mitglieder aufgenommen. Unser Tun wird schon wahrgenommen und es passt in die jetzige Zeit. Ein Umdenken findet gerade statt. Ein tolles Beispiel dafür ist die Gemeinschaft des guten Geschmacks. Hier ist Euro-Toques Gründungsmitglied und Mit-Initiator. Gegründet wurde diese Gemeinschaft von vielen Vereinen. Mit dabei sind unter anderem die DEHOGA, Slowfood e. V., oder der Verband der Deutschen Köche. Das sind noch lange nicht alle Mitbegründer. Wir natürlich auch. Als wohl populärstes, aktives Mitglied kann sich Sarah Wiener zählen. Seit vielen Jahren setzt sich die gebürtige Österreicherin für biodynamische Landwirtschaft und das Tierwohl in der EU ein. Der Wille gemeinsam den richtigen Weg zu gehen ist da.
Kochen ist für Sie … ?
… meine Berufung.