Der Donnerstag hat Perspektive. Nicht, weil das Wochenende quasi schon anklopft, sondern vielmehr der späte Mittag immer eine Überraschung bereithält. Wiederkehrend zur fast selben Zeit klingelt es an der Tür, und ein schlanker, hochgewachsener junger Mann bringt zwei Beutel vorbei. Deren Inhalt ist im Vorfeld zwar angekündigt – Vorstellung und Realität sind aber selten deckungsgleich, denn Gemüse frisch vom Feld hat mit dem aus dem Supermarkt in der Regel nur wenig gemein. Und manches ist dort auch gar nicht zu finden.
Gemüse frisch vom Feld
Trust your Food heißt das junge Start-up, das Anja und Markus Wölk gemeinsam mit Hendrik Harwege vor nunmehr einem Jahr gegründet haben – in seiner schnellen Umsetzung aus einer Notlage heraus, in seiner Konzeption aber von langer Hand geplant: „Ich habe an der Leuphana Umweltwissenschaften studiert“, sagt die Digital Designerin, „und in einem Seminar zum Thema nachhaltige Ernährung ein Praxismodell entwickelt, welches das Prinzip der solidarischen Landwirtschaft weiterdenkt, es noch alltagstauglicher macht.“ Und das stand Pate.
Durch Corona Zeit gewonnen
Frisches Gemüse direkt vom Bio-Hof, ohne Zwischenhändler, ohne Lieferkette, mit einem hohen Nutzen für Anbieter, Umwelt und Konsumenten, das ist es, was Anja Wölk im Sinn hatte. Und was sie vorantreiben wollte. Nur fehlte dafür die notwendige Zeit: „Das hatte sich durch Corona aber spontan geändert“, erzählt sie, „und so gesehen auch etwas Gutes gebracht.“ Als Selbstständige im Kommunikationsbereich blieben plötzlich die Aufträge aus, zwangen das Paar, sich neu zu sortieren. Sie wurden aktiv.
Interessierten Mitstreiter gesucht und gefunden
„Wir haben das Projekt in die Hand genommen und im ersten Schritt die Landwirte kontaktiert“, sagt Anja Wölk. Das war anfangs nicht leicht, scheiterte auch oft an deren Zeit. Mit Hendrik Harwege, der in Ahndorf seit mehr als 30 Jahren Erfahrung im Bio-Landbau und in der Direktvermarktung hat und zu einem Demeter-Betrieb der erste Stunden zählt, konnte aber schnell ein interessierter Mitstreiter gefunden werden. Die Idee kam ins Rollen.
Tendenz steigend
Anfang Juni vergangenen Jahres wurden die ersten Lieferungen gepackt, nach Lüneburg und ins Wendland gebracht. Aus einer Kooperation mit drei Höfen ist mittlerweile eine Zusammenarbeit mit 13 Betrieben geworden, aus einigen wenigen Abnehmern zum heutigen Zeitpunkt mehr als 90 Kunden – Tendenz steigend. Einmal pro Woche erhalten diese Beutel mit frischem Gemüse aus der Landkreisgrenzregion, am Tag selbst geerntet, dann auch gleich verpackt. Wir gehören auch dazu.

Jeden Donnerstag zwei Beutel mit Gemüse
Mit vier Jungs im Alter zwischen zehn und 17 Jahren haben wir definitiv keine Grünzeugfans im Haus, dafür aber ein experimentierfreudiges, umwelt- und ernährungsbewusstes Familienoberhaupt. Das gab der Sache eine Chance. Für einen festen Betrag im Monat bekommen wir deshalb seit einiger Zeit nun jeden Donnerstag zwei Beutel Gemüse an die Tür. Größe M, das entspricht etwa fünf Kilo. „Es gibt Ernte-Anteile von XS bis L“, erklärt Anja Wölk, „damit wir alle Haushaltsgrößen berücksichtigen.“ Wer allein lebt, benötigt weniger, denn im Abfall sollen die erntefrischen Produkte aus der Region nun ganz gewiss nicht landen. Aber das verhindert auch die umfangreiche Kommunikation. Übersichtlich und anschaulich erhalten wir stets vor dem Gemüse eine Mail – mit kleinen Bildern, die uns zeigen, was geliefert wird, mit Zahlen, die angeben, wieviel davon, und Bezeichnungen, die einen Hinweis geben, von welchem Hof.
Umfangreiche Kommunikation mit Infos und Rezeptideen
Acht verschiedene Sorten sind es in dieser Woche, darunter Annabelle als Frühkartoffel sowie Möhren, Zwiebel, Mangold und Tomaten. Besonders interessant sind die kleinen grünen, stacheligen Gewächse. Äußerlich den Gewürzgurken ähnelnd, entpuppe sie sich bei einem mutigen Test als großartige Alternative zu ihren größeren Verwandten: „Es sind Einlegegurken, die du natürlich auch als Salat oder geschmort zubereiten kannst. Sie sind etwas fester und aromatischer im Geschmack als klassische Salatgurken“, heißt es in der Mail. Nun wissen wir Bescheid. Anregungen und Produktinformationen sind das eine, eine konkrete Verwendung der Nahrungsmittel aber etwas ganz anderes. Doch auch da gibt es Hilfe: Im Anhang an der wöchentlichen digitalen Post sind immer zahlreiche Rezeptideen dabei, die sich zur Verwendung der aktuellen Lieferung eignen. Möhren-Curry oder Frühkartoffel-Pfanne, Kohlrabi-Gnocchi oder Fenchel- Salat. Der ist eine echte Wucht.
Baumwolltaschen im Kreislauf
Die Beutel, das sind helle Baumwolltaschen mit dem Logo des Start-ups, gehören zum Konzept. „Denn damit reduzieren wir in einem höchsten Maß Verpackungsmüll“, erklärt die Geschäftsführerin, „und das ist neben der Unterstützung kleinbäuerlicher Landwirtschaft, aktiven Klimaschutzes, fairer Preise für alle Beteiligten und einer Reduzierung von Lebensmittelverschwendung ein Element unserer gemeinsamen Vision von Nachhaltigkeit.“ Gewaschen werden müssen die Beutel nach ihrer Benutzung vom Kunden nicht, lediglich die Reste vom Feld werden ausgeschüttelt. Dann gehen die Taschen – am Ende vollständig gereinigt – zurück in den Kreislauf. Und der läuft jede Woche aufs Neue, das ganze Jahr hindurch. „Im Sommer und Herbst ist das natürlich weniger ein Problem“, sagt Anja Wölk, „im Winter wurde das mitunter zur kleinen Herausforderung.“ Schwarzkohl, Grünkohl, Rosenkohl: Die Vielfalt in der kalten Jahreszeit ist begrenzt, dazu kamen eisige Temperaturen im ungünstigen Moment: „Da ist das Gemüse zu Teilen eingefroren.“
Experimentierfreude
Irgendwie ist es den Jungunternehmern aber trotzdem gelungen, jede Woche regional hochwertige und frische Waren zu liefern. Auch dank des Anbaus in Hendrik Harweges Gewächshäusern. Der experimentiert gern – und das machen auch einige seiner Kollegen. „Das ist auch für uns ein großer Gewinn“, sagt die Geschäftsführerin, „denn dadurch stoßen auch wir auf immer neue Sorten.“ Die landen irgendwann auch bei uns auf dem Tisch, werden untersucht und bestaunt: Der Donnerstag hält immer eine kleine Überraschung bereit.