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„Merlot ist Weiss“

von Josephine Wabnitz
Erschienen: Zuletzt aktualisiert:

Wer beim Weinkauf ganz genau aufpasst, dem wird hin und wieder die Bezeichnung „Blanc de Noirs“ begegnen. Wörtlich übersetzt bedeutet es: „Weißer aus Schwarzen”, aber was ist damit gemeint? Sich im Etikettendschungel zurechtzufinden, kann eine wirkliche Herausforderung sein, zumal nicht jede Floskel, die auf der Flasche steht, viel zu sagen hat. In diesem Fall allerdings schon – der Ausdruck bezieht sich nämlich auf die Farbe der Weintrauben. Man kann also aus dunklen Trauben hellen Wein machen … Aber wie funktioniert das?

Aus dunklen Trauben hellen Wein machen

Das Grundprinzip verstehe ich dank der Oenologie-Vorlesungen in meinem Studium schon ganz gut. Entscheidend ist die Zusammensetzung einer Weintraube: In Schale, Fruchtfleisch und Kernen sind unterschiedliche Stoffe vorhanden. Und hier liegt der Knackpunkt, denn bei den allermeisten augenscheinlich „roten” Weintrauben sitzt die Farbe lediglich in der Schale – das Fruchtfleisch ist also hell. Wenn man solche Trauben presst und den Saft gleich von den Schalen trennt, ohne dass die darin enthaltenen Farbstoffe extrahiert werden, kann man daraus weißen Wein keltern.

Blanc de Noirs

So weit, so gut. Das ist allerdings noch nicht die ganze Geschichte. Um mehr Licht ins Dunkel zu bringen, kontaktiere ich jemandem, der einen ganz besonderen Blanc de Noirs erzeugt: Christian Bamberger. Zunächst hatte er BWL studiert und jahrelang bei einer Großbank in Frankfurt am Main gearbeitet. Als richtigen Quereinsteiger kann man ihn trotzdem nicht bezeichnen, schließlich blickt sein Familienweingut auf über 350 Jahre reicher Historie zurück. Als seine Mutter im Jahr 2000 starb, zog es ihn zu seinen Wurzeln. 2004 übernahm er das Gut dann offiziell von seinem Vater – das Abenteuer Weinberg hatte ihn schlussendlich gepackt. Seitdem hat er sich mit geradlinigen Weinen und unkonventionellem Marketing einen Namen in der deutschen Winzerszene gemacht. 

Weißwein macht man nur aus „weißen” Trauben? Jein. Foto: nh/tonwert21.de

Die Nahe ist seine Heimat; aufgrund ihrer nördlichen Lage gilt sie als kühlere Weinregion und ist daher hauptsächlich für ihre Weißweine bekannt. Das hielt Bamberger jedoch nicht davon ab, dort auch Rotwein zu produzieren. Mit seinem Motto „Die Nahe ist Rot” forderte er bei Weinkennern zum Aufhorchen, Nachdenken, Ausprobieren auf – und die Begeisterung war groß. Das Schlagwort „Merlot ist Weiß” setzte gleich noch einen drauf. Solche Kühnheit stieß auf Neugierde: Eine Rebsorte, die in Deutschland als fruchtiger Rotwein gefeiert wurde, sollte plötzlich weiß sein?

Hauseigener weißer Merlot

Ich frage den Winzer, woher er die Idee für das pfiffige Produkt hatte. „Ein guter Freund meines Vaters hat ein Weingut in der Schweiz, welches wir schon in meiner Kindheit häufig besuchten. Irgendwann, als ich schon alt genug war, um mich für Wein zu interessieren, schenkte man uns dort einen hauseigenen weißen Merlot aus. Der Geschmack ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und als ich dann selbst Wein produzieren konnte, musste ich das natürlich unbedingt ausprobieren.”

Rote Trauben anpressen

Was sollte man bei der Herstellung eines Blanc de Noirs beachten? „Das Lesegut muss absolut gesund sein und kühl geerntet werden, manchmal fahren wir dafür sogar nachts raus”, berichtet Bamberger. Anschließend presse man die roten Trauben leicht an und ziehe den ersten, helleren Saft ab. Der verbleibende Trester mit den kräftigeren Aromen könne für die Rotweinproduktion weiterverwendet werden. „Der Most wird anschließend, genau wie bei einem Grauburgunder oder Riesling, bei niedriger Temperatur von 18° C im Stahltank vergoren.” Im Endprodukt sei dann die intensiv-fruchtige Aromatik einer roten Traube mit der Frische eines Weißweins verbunden.

Simples Prinzip

Das heißt, die Produktion ist derart unkomplizert? „Im Grunde ja. Es kann vorkommen, dass der Saftabzug trotz aller Umsicht zu dunkel geraten ist, aber auch da weiß sich der Kellermeister zu helfen.” Bei der sogenannten Mostoxidation können die Farbe weiter reduziert und frische Aromen deutlicher hervorgehoben werden.
Wenn das Prinzip so simpel ist, wieso ist kein anderer Winzer früher auf die Idee mit dem Merlot gekommen? „Merlot wird erst seit einiger Zeit dank des Klimawandels in Deutschland angebaut. Spätburgunder gibt es hier schon viel länger – ein Blanc de Noirs wurde also in der Regel aus dieser etablierten Traube gemacht. Meiner Meinung nach aber eignet sich der Merlot noch besser. Weiß gekeltert wird er herrlich frisch und behält eine leichte Kohlensäure. Dazu eine feine Süße und eine schöne hellrote Frucht … das macht einfach Spaß!”, schwärmt der Winzer. 

Neue Ideen

Seinen weißen Merlot könne man übrigens auch zu leichten Speisen wie sommerlichen Salaten, grünem Spargel oder Fisch genießen.
Gibt es auch gereiften Blanc de Noirs? „Nein – weil ein Blanc de Noirs jung getrunken werden soll, wenn er am meisten Frucht hat“, so Bamberger. Auch im Holz werde er eigentlich nicht ausgebaut. Doch ganz fern ist dem Nahe-Winzer die Idee nicht: „Rein technisch gesehen spricht ja nichts dagegen. Ich habe schon ein paar Mal überlegt, einen Blanc de Noirs im Holzfass zu lagern. Fürs Erste bleibt es allerdings bei dem Gedanken.” Was nicht ist, kann doch noch werden, oder? Ich zumindest würde von einem solchen Wein gerne mal kosten.

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