Von Friederike Orth
Holprige Straßen, plötzlich endende Radwege und eine abenteuerliche Verkehrsführung – das war mein erster Eindruck, als wir mit unseren drei Kindern Lüneburg per Rad erkunden wollten. Der beste Weg vom Mittelfeld zum Bahnhof? – Entweder Zick-Zack durch kleine und mittlere Straßen am Rande der Innenstadt, mal auf der linken, mal auf der rechten Straßenseite geführt, mal im dichten Verkehr zwischen Bussen und einparkenden Autos.
Oder entlang des Stadtrings, wo Drückerampeln und Kreuzungen mit knappen Grünphasen die Fahrt verlangsamen. Außerdem fielen uns sehr schmale Radwege auf, die zu gefährlichen Ausweichmanövern über den Fußweg verführen und überdies mit mittigen Straßenlaternen garniert sind. Und rot gepflasterte Abschnitte, die wohl mal Radwege waren, lassen das entsprechende Verkehrsschild vermissen und verunsichern zusätzlich in der Routenwahl.
Als Fahrradstadt geeignet
Wie kann eine Stadt, die durch Größe und Bevölkerungsstruktur so ideal als Fahrradstadt wäre, so wenig für Radfahrende tun?, fragten wir uns. Unsere Familie macht fast alle innerstädtischen Wege mit dem Rad. Dass wir bisher nur kleine Unfälle hatten, ist unser aller Vorsicht zuzuschreiben. Die tägliche Fahrt über den Kreisel beim Klinikum mit mehrfachen Seitenwechseln hat immer etwas von russisch Roulette. Dabei ist das Fahrrad als Verkehrsmittel einfach perfekt: flexibel, schnell, preiswert, emissionsfrei, leise und es verbraucht wenig Fläche.
Keine sicheren Wege
Die Verdichtung der Stadt und der dadurch zunehmende Verkehrsstau belasten die Nerven und die Umwelt. Angesichts der Klimakatastrophe, die immer deutlicher auch bei uns zu spüren ist, muss es eine Antwort auf motorisierten Individualverkehr geben. Eine gute Taktung von Bus und Bahn sind dafür notwendig. Durch E-Bikes, Lastenräder oder auch Dreiräder für motorisch eingeschränkte Personen wird aber auch das Radfahren immer attraktiver.
Die dafür vorgesehenen Wege in Lüneburg jedoch schrecken viele Leute ab, weil sie nicht ausreichend sicher sind. Schon in den 90er-Jahren hatte der Lüneburger Rat einen Vorrang fürs Fahrrad beschlossen. Immer wieder wurden Gutachten zur Radverkehrsentwicklung in Auftrag gegeben – und die Empfehlungen nur sehr eingeschränkt umgesetzt.
Das Vorbild anderer Städte, die durch Bürgerentscheide, die einen Ratsbeschluss ersetzen, erfolgreich Lobbyarbeit für das Fahrrad als Verkehrsmittel machen, inspirierte mich.
Initiative „Radentscheid Lüneburg“
Daher habe ich mich im Sommer 2020 der Initiative „Radentscheid Lüneburg“ angeschlossen, die ich hier gerne vorstelle. Gemeinsam mit anderen Gruppen, die sich für eine Verkehrswende stark machen, machten wir öffentlichkeitswirksame Aktionen, um mehr Mitstreitende zu gewinnen.
Schließlich haben wir in unendlich vielen Online-Treffen einen Forderungskatalog für verbesserten Radverkehr aufgestellt, der den strengen Vorgaben eines Bürgerbegehrens entspricht: Ausbau von baulich getrennten Radwegen an stark befahrenen Straßen, Umbau von Kreuzungen, damit sie sicherer werden, Planung durchgängiger Radrouten, Einrichtung von mehr Fahrradzonen, geglättetes Pflaster auf den Radrouten und ausreichend Stellplätze für Räder.

Unterschriftensammlung und Bürgerentscheid
Nach der Erklärung der Zulässigkeit unserer Forderungen durch den Verwaltungsausschuss der Stadt konnten wir Anfang Juli 2021 endlich mit der Unterschriftensammlung beginnen. Die Lüneburger:innen schienen nur darauf gewartet zu haben. Nach einer Woche hatten wir bereits über 1000 Unterschriften gesammelt. Wenn wir ca. 6000 Unterschriften von wahlberechtigten Lüneburger:innen zusammen haben, würden im zweiten Schritt, dem Bürgerentscheid, alle Bürger:innen zur Abstimmung an die Urne gerufen werden – oder der Rat der Stadt schließt sich den geforderten Maßnahmen an.
Für eine lebenswerte, fahrradfreundliche und klimagerechte Stadt
Die Initiative „Radentscheid Lüneburg“ besteht aus ca. 20 aktiven Menschen unterschiedlichen Alters, die sich mit ihren Erfahrungen und Stärken in die Initiative einbringen: Betreuung der Website und der sozialen Medien, Schreiben von Beiträgen für den Newsletter und Leserbriefe, Organisieren von Demos und Veranstaltungen, Verhandlungen mit Politik und Verwaltung und das Sammeln von Unterschriften gehören dazu. Auch wenn unsere Maßnahmen durch den Bürgerentscheid oder einen Ratsbeschluss angenommen werden, bleibt für unsere Gruppe noch genug Arbeit, der sich Neu-Lüneburger:innen gern anschließen können. Wir werden die Umsetzung der Maßnahmen kritisch begleiten und uns weiter für eine lebenswerte, fahrradfreundliche und klimagerechte Stadt einsetzen.