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Gelungener Balanceakt

von Ute Lühr
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In einer neuen Stadt Fuß zu fassen, ist eine Herausforderung. In einer neuen Stadt zu Corona-Zeiten Fuß zu fassen, eine noch viel größere. Johannes Goerlitz kann ein Lied davon singen. Seit Februar vergangenen Jahres lebt der Facharzt für Innere Medizin in Lüneburg, allein, aber doch nicht einsam: Seine Großeltern wohnen im selben Haus, seine Freundin gut 50 Kilometer entfernt in Hamburg. Doch das soll sich bald ändern.

Kein Plan, aber eine Idee

Es ist schon der zweite Ausflug des gebürtigen Hessen in den hohen Norden: „Nach dem Abitur musste ich mir überlegen, wohin die Reise geht“, sagt der 32-Jährige, „beruflich zumindest.“ Einen konkreten Plan hatte er nicht, eine Idee schon: „In meiner Verwandtschaft gibt es Ärzte“, sagt er, „daher kam dann auch eine gewisse Inspiration.“ Die sich nicht ganz so einfach realisieren ließ. Zwar schloss der junge Wiesbadener die Schule mit einer beeindruckenden Note von 1,9 ab – für das Studium nach Numerus Clausus hätte das aber nicht gereicht.

Von Lüneburg über Hamburg nach Mannheim

Der Zufall kam den Absolventen dann zu Hilfe: „In Hamburg zählt nicht nur der Durchschnitt, hatte ich gehört, da entscheidet auch ein Test.“ Und den hatte er erfolgreich bestanden. Die ersten drei Monate kam er bei seinen Großeltern in der kleinen Hansestadt Lüneburg unter, merkte aber schnell die Versäumnisse in der nachbarschaftlichen großen: „Die Partys fanden in Hamburg statt“, sagt er lachend, „ich bin umgezogen.“ Bis zum Physikum blieb er den Norddeutschen treu, wechselte dann – aus Heimweh, aber auch der Liebe wegen – nach Mannheim, fand seine erste Anstellung später in Ludwigshafen und hätte den Main wohl auch nicht wieder überschritten, wäre seine Freundin nicht gewesen.

Herausfordernde und reizvolle Aufgaben

Die kommt gebürtig aus Sachsen, ist mit zwölf Jahren nach Heidelberg gezogen „und wollte aber unbedingt in Hamburg leben“, sagt der Mediziner schmunzelnd. Erneut packte er die Koffer. Durch Zufall fand das junge Paar eine geeignete Wohnung in Wandsbek, sie eine neue Anstellung als Intensivkrankenschwester. „Ich habe mich dann umgesehen und beworben“, erzählt Johannes Goerlitz, „und bin beim Klinikum in Lüneburg gelandet.“ Vier Wochen machte er damals dort eine Hospitation, erkannte schnell, welchen Wert der Wechsel haben würde: Ein nettes, junges Team, flache Hierarchien, eine abwechslungsreiche, herausfordernde, durchaus reizvolle Aufgabe. Er sagte zu.

Anfangs war das nur in kleinen Gruppen mit meinen Kollegen möglich, dann habe ich mit Outdoor-Fitness angefangen und dort neue Bekanntschaften gemacht.
Johannes Goerlitz

Zurück in Lüneburg

Im Februar vergangenen Jahres zog er dann wieder in eine der Mietwohnungen seiner Großeltern ein, denn Schichtdienst und Pendelei ergeben keine gute Kombination. Müssen sie auch nicht: „Zum einen können meine Freundin und ich das gut koordinieren, sehen uns zwei- bis dreimal pro Woche, das geht“, sagt der Intensivarzt, „zum anderen liegt mir Hamburg auch nicht unbedingt.“ Eine Stunde Fahrt quer durch die Stadt, um beispielsweise Freunde zu treffen: Das sei kein Gewinn für die Lebensqualität. „Der Verkehr ist einfach eine Katastrophe“, meint er. Da schätze er doch das überschaubare Lüneburg, wo er fast alles mit dem Rad erreichen kann. „Die Stadt könnte zwar schon etwas größer sein“, sagt er, „ansonsten fühle ich mich hier aber sehr wohl.“

Die Leidenschaft Hockey

Die ersten Kontakte hat er auch schon geknüpft – auch wenn das angesichts der Umstände in den vergangenen eineinhalb Jahren doch eher schwierig war. „Anfangs war das nur in kleinen Gruppen mit meinen Kollegen möglich, dann habe ich mit Outdoor-Fitness angefangen und dort neue Bekanntschaften gemacht.“ Seit Mai dieses Jahres spielt der 32-Jährige nun auch wieder Hockey, eine Leidenschaft, der er schon als kleiner Junge nachgegangen war. „Mannschaftssport ist einfach ideal, wenn man in eine fremde Stadt kommt und nur wenige Menschen kennt“, stellt er immer wieder fest. Der Schichtdienst lässt eine regelmäßige Trainingsbeteiligung zwar eher weniger zu, das ist für Johannes Goerlitz aber kein Problem: „Als Hockeyspieler wird man überall gut aufgenommen, die Menschen ticken einfach ähnlich.“
Ob er seinem neuen Team und dessen Heimat auf Dauer treu bleiben wird, hat er noch nicht endgültig entschieden. Fest aber steht: Ende des Jahres zieht auch seine Freundin nach Lüneburg, allein der günstigere Wohnraum ist ein klares Argument für die kleine Hansestadt. „Auch ihr gefällt es hier“, sagt der Mediziner, wie lange, wird sich zeigen.

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