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Maler als Marktführer

von Hans-Martin Koch
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Sie sind tausendfach fotografiert und hundertfach gemalt: Treppengiebel und Alter Kran, Markt und Sand, Rathaus und Johannis, Stint und Michaelis, Auf dem Meere, Brausebrücke und Nicolai. Tag um Tag nehmen Touristen Lüneburgs schönste Motive in den Sucher. Zeichner spitzen die Stifte, Maler mischen ihre Farben. Unzählige Künstler rückten der Stadt in den vergangenen Jahrhunderten und vor allem in den jüngeren Jahrzehnten mit Öl, Pastell, Acryl und Aquarell auf die Pelle. Und immer gab es einzelne, die den Markt beherrschten mit einem Mix aus mal mehr Kunst und mal mehr Marketing. Vier Lüneburg-Porträtisten/-Porträtistinnen seien stellvertretend kurz und chronologisch vorgestellt: Arthur Illies, Herbert Kessler, Swantje Crone, Karin Greife. Und von Benjamin Albrecht soll auch die Rede sein. 

Foto: nh/privat

Arthur Illies (1870-1952) war der Platzhirsch der Nachkriegs-, auch schon der NS-Zeit. Illies, eigentlich Hamburger, kam nach Lüneburg, kurz nachdem er 1933 als Lehrer an der Hamburger Kunstgewerbeschule entlassen wurde. Für den Künstler Illies verkörperte Lüneburg „niederdeutsche Wesensart“, besonders manifestierte sich das für ihn im Rathaus. Die Stadt kannte er schon weit vor seinem Umzug, im Rathaus zeichnete er schon vor nun hundert Jahren. Das Werk von Arthur Illies reicht weit über Lüneburg hinaus, unter anderem wird er als Chronist der norddeutschen Städte bezeichnet. Kunsthistorisch sind seine Arbeiten aus der Vorkriegszeit weit bedeutsamer als das Spätwerk. In Lüneburg aber waren vor allem seine vielen Arbeiten mit Bezug zur Region präsent. Unterstützt wurde Illies in Lüneburg unter anderem von Museumsdirektor Wilhelm Reinecke und weiteren Repräsentanten des öffentlichen Lebens. Lange gedeckelt wurde dabei, dass Illies große Nähe zum Nationalsozialismus besaß, mit Mitte 60 in die NSDAP eintrat. 1952 starb Arthur Illies inmitten seines Ateliers im Alten Kaufhaus. Die Wirkungsgeschichte von Illies reicht weit über seinen Tod hinaus; eine Stiftung kümmert sich um sein Werk. Auch das Kunstarchiv der Sparkassenstiftung bewahrt Gemälde des Künstlers.

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Foto: nh/tonwert21.de

1967 kam Herbert Kessler nach Lüneburg. Der 1934 in Schwäbisch Gmünd geborene Künstler übernahm die Professur für Kunst an der damaligen Pädagogischen Hochschule und späteren Universität. Kessler, bis dahin vorwiegend Landschaftsmaler, entdeckte die Stadt für seine Kunst, malte ihre Silhouette unter weitem Horizont, rückte den Formen der Architektur nah und löste die Strukturen ins Abstrakte. Bei seinen Radierungen blieb Kessler näher am Motiv. Was bei Illies die Schwere, war bei Herbert Kessler das Licht, das sich durch transparente Farben bricht. Oft wurde den Bildern eine Nähe zu Feininger nachgesagt – was Kessler nicht gefiel. Herbert Kessler wusste mit Nachdruck, auf sich aufmerksam zu machen. Kaum eine höhere Amtsstube, kaum ein Bankdirektorenbüro ohne ein Kessler-Gemälde seit den 70er-Jahren. 1980 erhielt der in Deutsch Evern lebende Maler den Kunstpreis des Landkreises. Nach seiner Emeritierung zog Kessler nach Südfrankreich, wo er 2004 starb. Eine Stiftung, die er noch zu Lebzeiten gründete, löste sich auf. Ein großes Kernwerk bewahrt das Kunstarchiv der Sparkassenstiftung. Aus dem öffentlichen Bewusstsein ist Kesslers Kunst so gut wie verschwunden.

Foto: nh/tonwert21.de
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Arthur Illies und Herbert Kessler erreichten ein vergleichsweise kleines Publikum, das sich verkürzt gesagt als begütert und/oder bildungsbürgerlich umreißen lässt. Das stimmt zumindest mit Blick auf das, was folgt. Denn in den 90ern wurde das vorherrschende Lüneburg-Bild in der Malerei popularisiert, man könnte auch sagen: demokratisiert. Oder auch: banalisiert. Auf der Bildfläche erschien vor allem Swantje Crone, geboren 1974. Sie studierte Kulturinformatik an der Leuphana und machte ein Diplom als Illustratorin an der Hamburger Fachhochschule für Gestaltung. Ab 1995 brachte sie mit Mitteln der Kunst die Stadt zum Tanzen. Knallige Farben und ein Feuerwerk der Formen wollten vor allem eins: gute Laune verbreiten. Das klappte, kam und kommt gut an. Swantje Crones an Märchen und Pop erinnernde Bilder tauchten und tauchen überall auf, bis hin zu Postern, Postkarten, Bechern und Sitzbänken. Swantje Crones Lüneburg ist nach wie vor präsent, aber sie hat ihr ohnehin nie nur auf die Stadt beschränktes Schaffen deutlich breiter aufgestellt, mit Wandgestaltungen, großen Mosaiken etc.

Foto: nh/Swantje Crone
Foto: nh/tonwert21.de

Illies, Kessler, Crone: Alle drei haben auf unterschiedlichem Weg gewusst, wie sie sich „verkaufen“ müssen, um ihre Bilder verkaufen zu können. Das weiß auch die 1966 geborene Karin Greife, die zurzeit aktivste und am stärksten präsente Lüneburg-Malerin. Sie absolvierte eine kaufmännische Ausbildung, studierte an der Leuphana Angewandte Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Ästhetische Gestaltung, arbeitete in den Bereichen Marketing und Pressearbeit. Malunterricht hatte sie bei Herbert Kessler und Bernhard Oberhoffer. Ihre farbintensiven, thematisch nie überladenen Lüneburg-Bilder spielen mit den typischen Motiven der Stadt, verschieben sie, führen sie ungewohnt zusammen. Karin Greifes Kunstwelt ist zweifellos bewusst dekorativ, zugleich entwickelt sie ihre Malerei vom Atelier in der KulturBäckerei aus immer weiter. Karin Greife bedient die sogenannten sozialen Medien, bietet ihre Bilder auch als Drucke an, gibt Kurse, lädt zu Malreisen – macht, was Spaß macht und was nötig ist, um auf dem Gebiet der Kunst aus eigener Kraft bestehen zu können.

Foto: nh/Karin Greife

Man könnte viele andere Künstlerinnen und Künstler nennen, die ein reiches Lüneburg-Œuvre bieten. Nicht selten ist bei ihnen formal und inhaltlich mehr Spannung, mehr Tiefe zu finden als bei den kurz Porträtierten, aber sie müssen entdeckt werden. Das unterscheidet sie von den Platzhirschen und ihren Nachfolgerinnen.

Zum Schluss der Blick auf das Lüneburg-Bild, das zurzeit die stärkste Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es kommt nicht aus der Kunst, aber ist unendlich kunstfertig. Denn wie Benjamin Albrecht die Stadt Haus um Haus detailverliebt mit Lego-Steinen nachbaut, das ist verblüffend wie das Miniatur-Wunderland. Sei es das Amtsgericht in 5636 Teilen, Rathaus und Markt in 11.341 oder das Haus der Landeszeitung in 6427, das sind alles krasse Hingucker. Dass Albrecht als hauptberuflicher Webdesigner weiß, welche Instrumente er spielen muss, um öffentlich wahrgenommen zu werden, das verbindet ihn mit den vier vorab Vorgestellten.

Foto: nh/tonwert21.de

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