Es gibt weltweit wohl kaum einen anderen Sport, der derart facettenreich ist wie das Billard: Wird es in den Kneipen als gesellige Freizeitbeschäftigung bei Bier und angeregter Unterhaltung gespielt, gilt es in Fachkreisen als Leidenschaft, die höchste Konzentration, größte Geschicklichkeit und präzises mathematisches Denken erfordert. Zwischen Jeans und eleganter Abendgarderobe ist alles möglich, Männer treten auch in der Liga gegen Frauen an, und erleben kann jeder das, was er braucht: Spannung und Entspannung gleichermaßen. Und trotzdem ist seine Zukunft ungewiss.
Spannung und Entspannung
Zählte die Deutsche Billard-Union 2005 noch fast 50 000 Mitglieder, waren es im vergangenen Jahr nur noch knapp 26 000 – Tendenz fallend. Und auch die Zahl der öffentlichen Tische nimmt ab, die Schließung vieler Kneipen in Folge der Corona-Pandemie hat diesen Trend noch weiter verstärkt. Das Durchschnittsalter ist hoch, Nachwuchs ist rar – ohne ihre Passion fehlt vielen aber ein Stück ihres Lebensinhalts. Das ist in Lüneburg nicht anders.
Seit 1989 gibt es hier einen Billardverein, ursprünglich unter der Bezeichnung 1. PBC Lüneburg, seit 2009 als 1. Pool- und Snookerclub Lüneburg fortgeführt. Lediglich rund 30 Mitglieder sind dort registriert – die hier allerdings beste Voraussetzungen haben: Vier Snooker- sowie fünf Poolbillardtische und einen, wenn auch nicht turniertauglichen, für Karambolage stehen in der knapp 300 Quadratmeter großen Halle in den ehemaligen Räumen der Textilfabrik Lucia. Ein idealer Standort mit vielen Vorteilen.
Über Sieg und Niederlage entscheiden letztlich technische und taktische Aspekte, das erfordert ein Höchstmaß an Konzentration, aber auch viel Erfahrung.Stefan Rothfuchs
„Das war schon großes Glück, dass wir damals hier eine so gute Adresse gefunden haben“, erzählt Stefan Rothfuchs, Erster Vorsitzender des PSC, „denn aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten musste unser Vorgängerverein in die Insolvenz gehen, hatte somit auch keine eigene Spielstätte mehr.“ Eine Gaststätte diente zwischenzeitlich als Heimat – für die Sportler eine äußerst ungünstige Lösung, für den Fortbestand des Vereins schlichtweg undenkbar.
Besonders der Ligabetrieb könne ohne eigene Tische und geregelte Verfügbarkeit nicht gewährleistet werden, weiß der Hobbyspieler – auch wenn die Anzahl derer, die um Punkte und Plätze kämpfen, äußerst gering ist: Lediglich zwei Teams, eins in der Disziplin Snooker, das andere beim Pool, gehen für Lüneburg im Norddeutschen Billardverband an den Start. „Das aber in den unteren Klassen.“ Das Gros der Sportler trifft sich ohnehin lieber zum gemütlichen Kugelstoßen an der Dahlenburger Landstraße – regelmäßig und schon am Nachmittag. „Wir haben immer dann geöffnet, wenn ein Mitglied vor Ort ist“, erklärt Stefan Rothfuchs, „das lässt sich in einem Kalender erkennen, über den sind gleichzeitig Verabredungen möglich.“ Und das klappt reibungslos.
An den grünen Tischen geht es ruhiger zu
Auch heute haben sich vier ältere Herren zum Snookerspiel an zwei Tischen getroffen. Die Atmosphäre ist ebenso gedämpft wie das Oberlicht. „Das mögen wir aber gern“, sagt der Vorsitzende. Denn während Poolbillard auch in den Vereinsräumen meist von Musik begleitet wird, geht es an den großen grünen Tischen ruhiger zu. Auf einer Spielfläche von 1,80 mal 3,60 Metern befinden sich dort zu Beginn 22 Kugeln – 21 sogenannte Objektbälle sowie der weiße Spielball, „für den man erstmal ein Verständnis entwickeln muss, um dessen Bedeutung zu erkennen“, sagt der Fachmann. Im Idealfall berührt der Spieler die weiße Kugel mit dem Spielstock, dem Queue, sodass sie eine der anderen Kugeln trifft und diese dann ihren Weg in eine der sechs Taschen findet – vier in jeder Ecke, zwei an den langen Seiten des Tischs.
Regeln werden bedingungslos befolgt
Wer an der Reihe ist, muss erst einmal eine rote Kugel spielen, wurde diese erfolgreich eingelocht, folgt eine bunte, für die es – je nach Farbgebung – Punkte gibt. Fouls zeigt jeder selbst an, das gehört zu den Regeln, und die werden bedingungslos befolgt. „Über Sieg und Niederlage entscheiden letztlich technische und taktische Aspekte“, erklärt Stefan Rothfuchs, „das erfordert ein Höchstmaß an Konzentration, aber auch viel Erfahrung.“ Erfahrung – die hat der Großteil der PSC-Mitglieder, sind viele von ihnen doch schon lange leidenschaftlich dabei. Und das gilt auch für den Vorsitzenden: „Ich habe mich vor Jahren regelmäßig mit einem Kollegen in einer Spielhalle zum Billard getroffen. Das war die Initialzündung.“ Denn der Reiz des Spiels habe bis heute nicht nachgelassen, liege auch in seinem Image als Gentleman-Sport begründet. Dass das hier viele so empfinden, beweist der gehobene Altersdurchschnitte: Der liegt bei 40 Jahren.
Viele Mitglieder halten dem Verein schon lange die Treue, selten kommen auch Jüngere hinzu. „Die meisten spielen aber doch wohl lieber ohne Verpflichtung in geselliger Runde in der Kneipe“, vermutet der Vorsitzende, „und dann auch lieber Pool.“ Das wird im Gegensatz zu früher an blau bezogenen Tischen ausgeübt, „eine Farbe, die ich eher als kühl empfinde und schon deshalb Snooker bevorzuge“, sagt Stefan Rothfuchs und lacht. Und auch sonst unterscheiden sich die beiden Disziplinen in einigen Aspekten voneinander: Die Spielfläche beim Pool ist mit 2,54 mal 1,27 Metern kleiner, die Regeln einfacher, die Taschen aufgrund ihrer Form besser zu treffen.
Nur ein weibliches Mitglied
Regelmäßiges Training ist für ein Fortkommen aber in beiden Spielarten wichtig – da sind die Mitglieder aber weitestgehend auf sich selbst gestellt: „Wir hatten für Snooker wiederholt einen Profi aus Hamburg hier, der uns angeleitet hat. Das ist aber die Ausnahme“, sagt Stefan Rothfuchs. Erfolge kann der Verein dennoch feiern – mit Michaela Ehemann hat der PSC zwar nur ein weibliches Mitglied – dafür aber ein sehr erfolgreiches: 2011 war sie Dritte der Deutschen Meisterschaften, zudem je zweimal norddeutsche Meisterin und Vizemeisterin.