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Faszination Fledermaus

von Ute Lühr
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Anspruchslos ist was anderes. Primitiv und undifferenziert wohl auch. Und das ist ein Problem: Wer im Laufe des Jahres unzählige Male die Wohnung wechselt, dazu beim Speiseplan wählerisch ist und den Großteil der kalten Jahreszeit am liebsten verpennt, braucht schon eine große Lobby, um sich im Ökosystem der Erde behaupten zu können. Da kann die Fledermaus von Glück reden, dass sich ihr Image in den vergangenen Jahrzehnten geändert hat, sie immer mehr Menschen für sich begeistern kann und sogar über eigene Beauftragte verfügt. Meike Martin ist so eine.

Ehrenamtliche Ansprechparterin für das Thema Fledermaus

Seit 2019 ist die 41-Jährige offizielle Ansprechpartnerin beim Landkreis Lüneburg für alle Belange rund um die nachtaktiven Flugakrobaten, berät den, der seinen Garten fledermausfreundlich gestalten möchte, unterstützt jenen, der sich mit den sagenumwobenen Tieren näher befassen will, und hilft solchen, die verletzte oder verirrte Exemplare finden. Zudem kümmert sie sich um Öffentlichkeitsarbeit und Interessensvernetzung – und das alles ehrenamtlich und mit großer Leidenschaft.

Artenschutz am Bau

„Fledermäuse sind einfach total faszinierende Lebewesen“, sagt die Diplom-Biologin, die sich eigentlich auf Fischereiwesen spezialisiert hatte – ein Einsatzbereich, der sich mit einer Familie aber kaum vereinbaren lässt, wie sie schnell feststellen musste und sich umorientierte: Als Expertin für die Beziehung zwischen dem Menschen und seiner von ihm erschaffenen Umwelt ist sie seitdem für den Artenschutz am Bau zuständig. „Und da spielen diese einmaligen Säugetiere eine große Rolle.“ Sie leben in Ritzen oder Spalten, unter Dachziegeln oder Fensterläden – je nach Art, Jahreszeit, Wetter und Lebensumstand. „Rund 80 Quartiere kann ein einzelnes Tier bewohnen, so viele braucht es, um für alle möglichen Situationen gerüstet zu sein“, sagt Meike Martin, „doch das macht vieles kompliziert.“ Denn ihr Lebensraum ist zunehmend bedroht.

Bedrohter Lebensraum

Da seien zum einen die vielen alten Bauwerke, die mithilfe von Dämmmaterialien saniert würden, um Energie zu sparen. Das versiegle ihre Schlupflöcher. Oder die mächtigen Bäume, die gefällt werden müssten, um Verkehrsteilnehmer zu schützen. Das raube ihnen die Winterquartiere. „Und dann haben wir natürlich noch ein enormes Problem mit dem stetigen Rückgang der Insekten“, erklärt die Fachfrau, „das nimmt ihnen die Lebensgrundlage.“

Lebensgrundlage schwindet

Nachtfalter und Nachtmotten, insbesondere aber Mücken stehen auf dem Menü der Fledermäuse, bis zu 5000 Stück kann ein Individuum pro Tag verspeisen. Die Intensivierung der Landwirtschaft durch den Einsatz von Pestiziden wird für die Nahrungsspezialisten aber zunehmend zum Verhängnis – eine besorgniserregende Entwicklung, wie Meike Martin meint, hätten die intelligenten Lebewesen doch eine hohe Relevanz für das Ökosystem.

Fledermäuse fast überall auf der Welt vertreten

Als Schädlingsbekämpfer sind sie maßgeblich in Europa von Bedeutung, in subtropischen und tropischen Ökosystemen helfen sie, Pflanzensamen zu verbreiten und Nutzpflanzen zu bestäuben. „Denn mit Ausnahme der Nordpolarregion und der Antarktis gibt es Fledermäuse auf der Welt fast überall“, sagt die Expertin, „und das schon wahnsinnig lange.“ Gemeinsam mit den Flughunden gehörten Fledermäuse zu den erdgeschichtlich alten Säugetiergruppen und sind in ihrem evolutionären Ergebnis einzigartig: Sie nutzen den freien Luftraum.

Intelligente und soziale Tiere

„Die Tiere haben zwischen den verlängerten Fingerknochen eine Flughaut, die sich bis zum Hals und den Hinterbeinen spannt“, erklärt Meike Martin, die aber nicht nur deswegen von den mysteriösen Nachtschwärmern fasziniert ist: „Fledermäuse sind neugierig und intelligent, lernfähig und spannend, zudem sehr sozial und mitunter auch voller Überraschungen.“ Manchmal schiene es, so habe sie gelesen, gehört, aber auch selbst beobachtet, als suchten die Tiere die Nähe der Menschen, wenn sie in einer hilfsbedürftigen Lage wären: „Es gibt verletzte Individuen, die sich möglicherweise gezielt auf eine Fußmatte gesetzt oder einen Balkontisch gelegt haben. Oder geschwächte Exemplare, die am Briefkasten der Fledermausstation in Hannover gefunden wurden.“ Eines sei mit letzter Kraft sogar durch das geöffnete Fenster der Einrichtung direkt auf den Operationstisch geflogen, „als ob es die Zähne zusammengebissen und sich selbst geschworen habe, nicht aufgeben zu wollen“, erzählt Meike Martin amüsiert – obwohl ihr die Not ihrer kleinen Freunde doch eher zu schaffen macht.

Fledermausbeauftragte kümmert sich persönlich

Zahlreiche dieser einzigartigen Lebewesen würden – durch Katzen, Baumfällungen oder Verkehr – verletzt oder unterernährt gefunden werden, auch dann kommt die Fledermausbeauftragte ins Spiel. „Feuerwehr, Polizei, Nabu oder BUND: Viele Menschen haben meine Nummer und informieren mich, wenn ein Anruf bei ihnen eingegangen ist.“ Dann organisiert die Lüneburgerin Hilfe, kümmert sich mitunter auch ganz persönlich um den Patienten. „Das kann an die Grenzen gehen.“

Unterstützung bei der Versorgung kranker Tiere

Glücklicherweise hat sie mit Jaden Ernst seit einiger Zeit kompetente und verlässliche Hilfe bekommen: Der Scharnebecker Tierpfleger unterstützt sie bei der Betreuung kranker Tiere, versorgt und verarztet sie. „Denn gebrochene Knochen zu schienen sind Dinge, die ich gar nicht beherrsche“, sagt Meike Martin, „unterernährte Findlinge behalte ich mitunter aber auch bei mir.“ Und die werden dann liebevoll aufgepäppelt.

Fledermäuse sind neugierig und intelligent, lernfähig und spannend, zudem sehr sozial.
Meike Martin
Fledermausbeauftragte des Landkreises Lüneburg

„Meist gebe ich ihnen am Anfang ausschließlich Spezialmilch, da geht aber auch Ziegen-H-Milch aus der Drogerie, denn wenn sie gestresst sind verweigern sie oft feste Nahrung.“ Die Flüssigkeit sei zudem süß, was den Anreiz erhöhe, einen Schluck zu testen und sich vom Angebot zu überzeugen. „Wenn die Lebensgeister zurückgekehrt sind, gibt’s dann ausgedrückte Mehlwürmer, denn die kann man vorher mit Vitaminen füttern und dadurch anreichern.“ Ist der kleine Patient wieder flugfähig, wird er in die Freiheit entlassen – immer dort, wo er auch gefunden wurde, „denn da kennt er sich aus, hat seine Quartiere und seine Kontakte“.

Wann ist eine Fledermaus in Not?

Ob eine Fledermaus Hilfe benötigt, ließe sich an verschiedenen Faktoren schnell erkennen, erklärt die Expertin: verklebtes Fell, eingefallener Rücken, blutige Wunden oder asymmetrische Bewegungen, „das sind klare Indizien“. Wer ein solches Tier findet, sollte es behutsam, immer mit Handschuhen anfassen, es in eine dunkle, fest verschließbare Kiste mit einem kleinen weichen Handtuch und im Idealfall einer 40 Grad warmen Wärmflasche setzen und sich dann per Mail an die untere Naturschutzbehörde beim Landkreis oder aber einen Tierarzt wenden. Von dort werde der Notfall dann weitergeleitet.

Zum Erhalt beitragen

Doch nicht nur in Zwangslagen könne den geflügelten Mitbewohnern geholfen werden – jeder könne einen Teil dazu beitragen, dass es den Tieren wieder besser gehe, ihr Bestand sich erhole, sagt die Lüneburgerin: „So können Spalten und Ritzen in alten Gemäuern erhalten, Gärten fledermausfreundlich gestaltet oder Blühstreifen angelegt werden, denn dort wachsen auch immer Kräuter, die Falter und Motten locken.“ Und den Säugern damit Lebensgrundlage böten.

Fledermäuse beobachten

Wer sich nicht sicher ist, ob er Fledermäuse unwissentlich beherbergt, findet dafür einen klaren Hinweis: „Ihr Kot ist klein und ähnelt dem von Mäusen“, erklärt Meike Martin, „allerdings zerfällt er zu glänzendem Staub, wenn man ihn zerdrückt. Das liegt am Chinin in ihrer Nahrung.“
Wer die Vögel der Nacht erleben möchte, sollte sich in der Dämmerung in den eigenen Garten, einen Park oder bestenfalls in die Nähe einer Wasserfläche stellen – oder legen: „Dann sind zumindest die Zwergfledermäuse schon aktiv und suchen in geringeren Höhen nach Insekten.“ Und das ließe sich gegen den noch leicht erhellten Himmel gut beobachten.

30 heimische Arten

Der Luftraum verteilt sich auf bis zu 30 heimische Arten, die jeweils ihre eigenen Jagdreviere und -zeiten haben. So kommen sich die Flugkünstler nicht in die Quere. Und auch wenn die für viele noch immer mysteriösen Säuger in ihrem Bestand stark gefährdet sind, will ihre Beauftragte nicht völlig pessimistisch in die Zukunft sehen: „Das Image der Tiere hat sich in den vergangenen Jahren doch stark gewandelt, die Sensibilität für diese außergewöhnlichen Geschöpfe ist gewachsen.“ Das ist nicht zuletzt Menschen wie Meike Martin zu verdanken.

Wer ein verletztes oder geschwächtes Tier findet, kann sich unter Tel. (04131) 26 10 90 oder per Mail: an Maike Mangelsdorf beim Landkreis wenden. Sie gibt die Informationen dann an Meike Martin weiter. Alternativ können auch die Tierärzte informiert werden.

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