Manchmal fehlen einem Worte, um über schmerzhafte Erfahrungen zu erzählen. Manchmal lassen sich aber auch gar keine Ausdrücke finden, zu traumatisierend waren die Erlebnisse, zu schwer die emotionalen Belastungen. Dann können Bilder helfen. Ihr symbolischer Charakter erleichtert den Umgang mit Konflikten, überwindet Grenzen, überbrückt sprachliche, kulturelle und psychische Barrieren. Und das ist besonders für Geflüchtete von Bedeutung.
Erlebtes durch Kunst verarbeiten
Seit 2016 bietet der Verein KRASS eben solche Möglichkeiten: Hier können besonders Kinder und Jugendliche aus aller Welt, die ihre Heimat verlassen mussten, durch Kunst Erlebtes verarbeiten, aber auch die eigenen Stärken erkennen, neue Schlüsselkompetenzen entfalten. „Und letztlich geht es auch darum, ihnen Mal- und Werkzeit, Spiel- und Lachzeit und damit einfach mal eine Pause vom meist eintönigen Alltag zu bieten“, sagt Sandra Born, die gemeinsam mit Maike Beckmann die Initiative leitet.
Ein mobiles Atelier
Regelmäßig kommen die beiden Kunsttherapeutinnen mit ihrem mobilen Atelier in die Flüchtlingsunterkünfte, um mit dem Nachwuchs gemeinsame Zeit zu verbringen: Basteln, Tanzen, Theaterspielen – was die Kinder letztlich machen wollen, steht Offen steht das Programm aber nicht nur jenen Jungen und Mädchen, die im Zuge der europäischen Flüchtlingskrise nach Lüneburg gekommen sind, „oder aber noch kommen“, wie die Melbeckerin sagt, „denn noch immer ist der Strom nicht abgerissen.“ Auch solche Kinder, die aus sozial schwachen oder bildungsfernen Familien stammen, können vom Angebot profitieren. „Dafür haben wir Kooperationen mit verschiedenen Grundschulen und Gemeinschaftsunterkünften“, sagt Sandra Born, „und sind auch dort regelmäßig vor Ort.“
Fortschritte durch Kontinuität
Regelmäßig. Das ist eins der Attribute, auf das der Verein in seiner Arbeit großen Wert legt: „Nachhaltigkeit ist einfach wahnsinnig wichtig“, sagt die 48-Jährige, die mit ihrer „Hofkünstlerei!“ in Melbeck vergleichbare Ziele verfolgt, „denn nur durch Kontinuität können letztlich auch Fortschritte erzielt werden.“ Aman Arabzade ist da ein gutes Beispiel. Als Zehnjähriger hat der gebürtige Afghane zum ersten Mal am offenen Atelier teilgenommen – mittlerweile ist er 16 und als ehrenamtliche Kraft aktiv. Er hilft nicht nur den Jüngeren, mit Schere, Papier oder Pinsel umzugehen, er kann notfalls auch übersetzen – obwohl „das nicht immer nötig ist“, sagt Sandra Born, „denn Kunst braucht keine Worte.“ Aufmerksamkeit auch nicht.
Traumatische Erlebnisse – durch Corona verstärkt
Trennung, Tod, Gewalt: Traumatische Erlebnisse seien Erfahrungen, die Heranwachsende mit und ohne Fluchthintergrund gesammelt hätten. Die Zeit der Pandemie habe diese teils verstärkt und den Bedarf insgesamt bei vielen Kindern erhöht. „Da können wir helfen, denn dafür haben wir die Expertise.“ Insgesamt 15 Ehrenamtliche umfasst der Lüneburger KRASS e.V., ein Ableger des 2009 in Düsseldorf gegründeten Vereins – darunter Künstler und Pädagogen, Praktikanten und Kunsttherapeuten. „Gerade Maike, Maria und ich haben aufgrund unserer Ausbildung die Möglichkeit, die Kinder aufzufangen, ihnen konkret zu helfen“, sagt die Social Franchisenehmerin, „und das ist schon von großem Vorteil.“ Wie die zahlreichen öffentlichen und privaten Stellen, die die Initiative unterstützen.
Finanzielle Hilfe notwendig
Stadt, Landkreis, private Spender oder Unternehmen: Ohne finanzielle Hilfe wäre die Arbeit schwer – zumal KRASS noch weitere Standbeine hat: So ist der Verein Kooperationspartner des Kulturzentrums One World Ostheide, der Fabs Lüneburg, ist regelmäßig bei der Musikmeile Barnstedt präsent und hat auch in der Hofkünstlerei Angebote für den Nachwuchs. Das hat sich herumgesprochen.
Ausgezeichnet mit dem Integrationspreis
Für ihre Arbeit wurden Sandra Born und Maike Beckmann gemeinsam mit ihrem Team im Sommer 2021 mit dem Niedersächsischen Integrationspreis ausgezeichnet – einer Würdigung von hohem Stellenwert: Allein in diesem Jahr hatten sich 200 Einrichtungen beworben, fünf wurden ausgewählt. „Das ist ein sehr positives Zeichen der Würdigung unseres Engagements“, sagt die Kunsttherapeutin.