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Mit alten Bewohnern zu neuen Ufern

von Gastautor
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Es ist ein bedeckter kühler Oktobertag. Anzunehmen, dass auf dem Berg Ararat in der Türkei ein ähnliches Wetter herrschte. Damals, als ein Familienvater mithilfe aller ihm zur Verfügung stehenden Kräfte Tiere zusammentrieb, Lebewesen retten wollte. Ziel war es, das Überleben der einzelnen Rassen zu sichern, sie an einem geschützten Ort vor dem Aussterben zu bewahren. Das Ereignis vor mehreren Tausend Jahren war eine biblische Aufgabe.

Zufluchtsort für aussterbende Tierrassen

Ohne den religiösen Aspekt, allerdings mit einer ähnlichen Zielführung, verfährt ein Arche-Park. Und einen solchen gibt es auch in Lüneburg. Zwischen der Kleingartenkolonie „Brauerteich“ und dem Ochtmisser Wald liegt hier etwas versteckt ein Zufluchtsort für aussterbende Tierrassen. Und die liegen auch Nadin Hermann am Herzen. Sie ist fachliche Leiterin des Arche-Parks und Biologin mit Leib und Seele.

Gänse sind die wertvollsten Tiere

Die Gänse lockt sie mit Rufen herbei. Vier an der Zahl rauschen etwa einen Meter über dem Boden so gut wie lautlos heran. Landen seitlich, etwas hinter Nadin Hermann. „Sie fliegen nie direkt auf einen zu.“ Die Gänse blicken neugierig aus stahlblauen, mit knallorangen Rändern umrandeten Augen. „Ein typisches Merkmal der Lippegänse, diese außergewöhnliche Farbkombination.“ Ein Elternpaar mit ihren zwei Gösseln. „Sie sind die wertvollsten Tiere hier bei uns.“ Es gibt noch an die 25 Zuchtpaare insgesamt, eins davon im Arche-Park am Ochtmisser Wald.

Foto: nh/tonwert21.de

Vielfalt

An seltenen Tierrassen sind hier einige zu entdecken: Rotbunte Husumer Schweine, Marderkaninchen, Moorschnucken, Vorwerk- und Lachs-Hühner, Thüringer Waldziegen. „Meerschweinchen bei den Marderkaninchen sind ein Kompromiss. Sie kamen von einem Vereinsmitglied zu uns. Aber sie vertragen sich, somit dürfen sie bleiben.“ Marderkaninchen heißen so, weil ihre Fellfarbe an Marder erinnert.

Nicht füttern!

Die Moorschnucken seien etwas zu dick, erwähnt die Leiterin der Bildungsinitiativen. Nicht nur wegen der dicken Wolle. Das Fremdfüttern komme trotz der Schilder und den Aufrufen über die Presse immer noch vor. Dass Karotten und Äpfel wie Schokolade auf die Tiere wirkten, wisse wohl kaum einer. Manches falsche, wohlgemeinte Essen könne sogar zum Tod der Tiere führen.

Gesenstes Gras von Lars

„Das ist zum Glück länger nicht mehr vorgekommen,“ betont Nadin Hermann, als der flaschenaufgezogene Schafbock Karlchen mit dem Fuß aufstampft. „Er hätte gern etwas mitgebracht bekommen.“ Auch Tiere essen gern Dinge, die sie schlecht vertragen. Denn diese Schafrasse gilt ansonsten als sehr genügsam, braucht nur Gras, Heu und eine Handvoll Hafer am Tag. Das reicht. „Und bitte nur geschnittenes Gras, wenn es mit der Sense geschnitten ist.“ Gemähtes sei unverträglich, nicht nur für die Schafe. Versorgt wird der Park deshalb von der Streuobstwiese am Kleingärtnerverein „Kirchsteig“. „Gesenstes Gras von Lars“, ergänzt sie augenzwinkernd.

Harte Kriterien

Seit sechs Monaten vervollständigt „Blacky“, der Zuchtbock, die Gruppe der Thüringer Waldziegen. „Er stinkt so nur, weil der er in der Brunft ist.“ Der Vierbeiner stamme aus dem Wendland und werde demnächst im Ziegengehege für Nachwuchs sorgen. Alle Züchtungen im Arche-Park werden streng nach harten Kriterien durch Zuchtwarte überprüft und vermittelt. Nachkommen der Tiere aus dem Park werden gezielt an professionelle Züchter weitergegeben.

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Arche-Schulen unterstützt das SCHUBZ dabei, Lehrkräfte und Landwirte für Kinder- und Jugendprojekte zu qualifizieren. Themen sind Artenerhalt und Ernährungssicherung. Quelle: www.schubz-online.de

Es leben auch immer noch die ursprünglichen Anwohner des damaligen Tiergeheges hier. Im Moment eher abends aktiv, weil Brunftzeit ist: die Sika-Hirsche. „Die Lüneburger mögen sie so gern, deswegen haben wir sie behalten. Eigentlich gehören sie nicht in den Arche-Park. Sie sind ja keine archetypische Rasse“, lenkt die stellvertretende Leiterin des SCHUBZ lächelnd ein. Und so ist es immer noch. Das Gelände am Ochtmisser Wald erfreut sich nach wie vor einer großen Beliebtheit, nicht nur bei Familien und ihren Kindern. Denn der Arche-Park ist ein Erlebnis- und Lernort für Schulen und Kitas. 

EU gefördertes Projekt

Über Arbeitsgemeinschaften von Schulen, die direkt vor Ort ausgeführt werden, erfahren Schüler/innen von der ersten Klasse an, wie man Gemüse anbaut, Tiere versorgt. In einem von der EU geförderten Projekt „Transparenz schaffen“ erleben Kinder eigenständig in einzelnen Schritten, wie aus Getreide eine gebackene Waffel wird. Im „Grünen Klassenzimmer“ lernen, ist eine sehr beliebte Unterrichtsform geworden. Nur mit dem großen Dazutun der vielen ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen, den Sponsoren und dem Förderverein, ist das Finanzielle und die praktische Arbeit zu bewerkstelligen. Des Weiteren tragen Patenschaften dazu bei, dass die Lebewesen des Arche-Parks gut gedeihen und Menschen hier Natur und Landwirtschaft im Hinblick auf den Rassenerhalt nahegebracht werden kann. Und das ist vornehmlich das Ziel eines Arche-Parks.

Foodtruck „Futterküche“

Seit etwa einem halben Jahr gibt es ein Caféangebot am Sonntag. „Erst haben wir den Kuchen noch selbst gebacken und Ehrenamtliche haben die Bewirtung übernommen“, beschreibt die Leiterin des Arche-Parks den Einstieg. Mittlerweile steht neben einigen Tischen und Gartenstühlen ein kleiner Foodtruck mit der übersichtlichen, aber abwechslungsreichen Auswahl der „Futterküche“ am Eingang des Parks bereit. Auch ist der Verkauf so gut angekommen, dass neben einer Aushilfskraft, zwei Schülerinnen mit der Bereitstellung gut beschäftigt sind. Nebenher gibt es ein Bastelangebot für Kinder. Und natürlich gibt es die Möglichkeit, die Tiere aus der Nähe zu betrachten.

Foto: nh/tonwert21.de

Naturnahe Stimmung

Was wird aus der Futterküche, wenn der Winter kommt? „Wir sind ganz positiv eingestellt und werden das Angebot erst einmal beibehalten,“ sagt Nadin Hermann. „Bis Weihnachten ist bestimmt noch was los. Wir haben auch schon die Feuerschalen rausgeholt.“ Und bevor die Moorschnucken Mitte Mai geschoren werden, können sich die Gäste auch mit einem dicken Pullover über die kalte Zeit helfen. Auch bei bedecktem Himmel und kalter Jahreszeit im Arche-Park am Ochtmisser Wald hereinschauen, die naturnahe Stimmung mit den Tieren, Kuchen, Kaffee oder hauseigener Bratwurst genießen.

Paten gesucht

Das Wildgehege mit Sika-, Dam- und Rotwild bestand bis 2016 und wurde von der Familie Umland betrieben. Das SCHUBZ hat sehr gern das Gelände von der verstorbenen Gründerin übernommen, um es als Arche-Park zu erhalten. Ein Jahr später (2017) fand die Eröffnung statt. Eine Vergrößerung steht nun an. Dem SCHUBZ ist ein weiterer Kleingarten des Vereins „Brauerteich“ angeboten worden. Wer den Park, die Tiere unterstützen möchte: Eine Patenschaft abzuschließen oder zu verschenken ist im Arche-Park für die jeweiligen Tierrassen möglich, kostet zwischen 100 und 200 Euro im Jahr.
Infos unter: , Stichwort: Tierpatenschaft. Öffnungszeiten der „Futterküche“, sonntags, 12–17 Uhr

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