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Ich muss nicht spielen. Ich will, ich kann, ich darf

von Hans-Martin Koch
Erschienen: Zuletzt aktualisiert:

Irgendwer hat immer Schuld. In diesem Fall Angelika Becher. „Sie hat den Funken entzündet“, sagt Leif Scheele. Das war an der Herderschule im Kurs Darstellendes Spiel. Angelika Becher inszenierte in der Aula aufwendige Musicals, und Leif aus Wittorf entflammte für das Spielen und Singen. Der Gymnasiast ackerte sich 1999 zum Abi und machte seine Passion zum Beruf. Scheele studierte Schauspiel bei Frese in Hamburg und spielt seither landauf, landab, wo immer sich ihm eine Bühne öffnet. Aktuell ist das dort, wo er zu Hause ist, in Lüneburg, beim Theater zur weiten Welt in der KulturBäckerei.

Im Flur ein Beil und eine Ledermaske

Leif Scheele wohnt mitten drin in der Stadt. Unten gibt’s Strümpfe, oben Leif Scheele. Ganz oben. Dort, wo die Stufen enger werden, unterm Dach juchhe. Eine kleine Wohnung, sparsam möbliert. Was man so braucht, was so reinpasst. Im Flur hängen ein Beil und eine Ledermaske, steht eine Drehorgel, in zwei Kartons lagert eine Ritterrüstung, und in der Küche am kleinen Tisch greift Leif Scheele zu Sahne-Orange-Käsekuchen. „Ich bin privilegiert“, sagt er, „bin mein eigener Herr, habe nicht so viel Grund zu klagen.“

Norddeutsche Frohnatur

Da passt die Charakterisierung, die ihm seine Schauspiel-Agentur ins Netz setzt: „Unsere norddeutsche Frohnatur ist ein echter Tausendsassa.“ Seine Daten laut Agentur, ein Auszug: Haarfarbe hellblond, Augenfarbe grün-blau, Statur kräftig, Geburtsort Winsen (Luhe), Instrument Kazoo. Das ist diese Plastiktröte, aus der herausquäkt was man hineinsingt. Die Kazoo-Info ist typisch für Leif Scheele. Er liebt den Gag.

Ich werde hier alt, ich kenne hier jeden Stein.
Schauspieler Leif Scheele

Der 42-Jährige liebt seinen Beruf. „Ich muss nicht spielen“, sagt er, „ich will, ich darf, ich kann.“ Sein Rollenfach ist oft der Schurken – schauspielerisch betrachtet: „fette Beute“. Gern wird er auch als eine Art „komische Figur“ besetzt, als Antiheld. Auch das: „fette Beute“ für den Rollenjäger. Im Theater zur weiten Welt ist er Teil einer „amorphen WG“,
Leif Scheele gönnt sich noch ein Törtchen, irgendwas mit Mandarine oder so. Er trägt eine Jacke mit Aufschrift der Landesbühne Burghofbühne Dinslaken. An der Pinnwand hängt ein Prospekt vom Strandkorb Theater Tating. Von dort stammt noch die Drehorgel. 

Heute dort, morgen hier

Er kennt die großen Bühnen in Hamburg, die nicht so großen wie Wilhelmshaven, Göttingen, Celle, Hof, Dinslaken und Lüneburg und ist unterwegs mit freien Projekten zwischen der Kulturkate Pritzier, dem Theater an der Glocksee in Hannover und aktuell in der KulturBäckerei. Anschließend geht’s nach Vechta. Heute dort, morgen hier – „tiefster Westen, tiefster Osten. Wenn ich im Zug unterwegs bin, einschlafe, aufwache, aus dem Fenster schaue, kann ich sagen, in welchem Bundesland wir sind“.

Nun ist er hier. Das Stück in der KulturBäckerei hat einen langen Titel: „Ich, Dein großer analoger Bruder, sein verfickter Kater und Du“. Autorin Felicia Zeller führt in eine WG, die einen neuen Mitbewohner bekommt. Der erweist sich als Fleisch gewordene Datenkrake sogenannter sozialer Medien.

Verwurzelter Stadtführer

Leif Scheele liebt Science Fiction, dystopische Romane. In Pritzier hat er „Die Insel“ inszeniert, nach Motiven von H. G. Wells, einem Pionier des Fachs. Scheele ist zugleich ein Bodenständiger, ein Verwurzelter. „Ich werde hier alt“, sagt er mit Blick auf die Stadt. „Ich kenne hier jeden Stein“, sagt er. Kein Wunder, denn er spielt ja auch den Stadtführer, ließ sich von der vor wenigen Wochen gestorbenen Verena Fiedler ausbilden. Besonders gefallen ihm Themenführungen. Scheele hat sich Meister Hans ausgedacht, Archive durchwühlt und Chroniken gewälzt. Nun zieht er als Scharfrichter mit Henkers-Axt namens Franziska durch die Altstadt und erzählt von wahrlich grauslich erschröcklichen Dingen.

Der Mix macht’s

Die Meister-Hans-Montur hängt im Flur bereit. Mit der Ritterrüstung in den Kartons bastelt er an einer weiteren Inszenierung zur Stadtgeschichte. Als freier Schauspieler sind keine Reichtümer zu scheffeln. Leif Scheele ist auch als Synchronsprecher unterwegs, der Mix macht‘s. Er hat gut zu tun. Bald geht er wieder mit Franziska aus. Sie hängt im Flur und wartet auf den nächsten Mordsspaß.

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