Alljährlich im Januar und Februar treffen frühe Verkostungsmuster ein – die Weinwelt lernt den neuen Jahrgang kennen. Meldungen aus ganz Europa von Frost- und Hagelschäden, Pilzbefall und geringen Erntemengen hatten zwischen vergangenem April und Oktober immer wieder für Aufregung gesorgt. Mit noch mehr Spannung als sonst frage ich mich: Was hat das letzte Weinjahr an Geschmack zu bieten?
Spezialisiert auf Wein
Eine meiner ersten Probeflaschen beherbergt den „Blanc de Noir” vom Pfälzer Weingut Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan. Der Wein gefällt mir ausnehmend gut. Neugierig geworden, wie die Pfälzer mit all den Widrigkeiten fertig geworden sind, rufe ich Vertriebsleiter Sebastian Wandt an. Der gebürtige Hildesheimer ist seit 20 Jahren im Weingut tätig. Nach seiner Ausbildung zum Restaurantfachmann in Hamburg hatte er sich unter anderem in London sowie an der Sommelierfachschule in Heidelberg auf Wein spezialisiert. „Anschließend bekam ich die Chance, Erfahrung bei Bassermann-Jordan zu sammeln. Aus „mal für ein Jahr hinter die Kulissen schauen“ sind dann 20 Jahre geworden”, berichtet Wandt und schmunzelt.

In diesem Monat befasse ich mich mit dem frischen Weinjahrgang. Foto: nh/tonwert21.de
Ein herausforderndes Jahr 2021
Wie war denn 2021 in der Pfalz? „Kurz gesagt: herausfordernd. Auf einen milden, zu trockenen Winter folgte zu Beginn ein verregneter kühler April mit mittelspätem Austrieb”, beginnt der Sommelier. Damit blieben die Pfälzer Winzer zumindest vom Frost verschont: In anderen, wärmeren Gebieten waren die zu dem Zeitpunkt schon ausgetriebenen jungen Sprösslinge vielerorts erfroren. „Leider hat es dann bis in den Sommer hinein geregnet, da waren die Außenarbeiten im Weinberg schwierig. Nach der Blüte hatten wir wegen der Feuchtigkeit mit enormem Pilzbefall zu kämpfen.”
Mehltau kann zu Totalausfall führen
Falscher Mehltau also, praktisch flächendeckend. Die Krankheit kann zu Totalausfall führen und muss vorbeugend vermieden werden. Das bedeutet in einem Bio-Betrieb einen erheblichen Mehraufwand: „Wir dürfen ja nicht systemisch spritzen, also mit Mitteln, die in der Pflanze verbleiben. Unsere Mittel legen sich nur außen auf die Pflanze auf und werden bei Regen ausgewaschen.” Daher habe man wegen des hohen Befallsdrucks tatsächlich 14 Tage lang rund um die Uhr im Dreischichtsystem gespritzt. Das sei nur in Ausnahmesituationen zu schaffen, so Wandt. Aber diese Mühe lohnt sich!
Verspätete Lese
Und wie ging es weiter? „Im wechselhaften und immer wieder auch regnerischen Sommer zeichnete sich schon ab, dass die Lese nicht wie in den letzten Jahren Ende August, sondern etwa drei Wochen später beginnen würde”, erinnert sich der Vertriebsleiter. „Zum geplanten Lesestart musste die Traubenreife immer wieder auf den Prüfstand: verhalten, und es regnete immer weiter, mindestens zwei Mal pro Woche.” Das ist natürlich problematisch: Mit jedem Regen gibt es einen Wassereintrag in den Weinberg, den die Pflanze über die Wurzeln aufnimmt und einlagert. Aber zusätzlich bleibt auch ganz einfach Wasser auf den Trauben haften und führt bei der Lese zur Verwässerung des Traubensaftes – den Effekt kenne ich vom Salatwaschen.
Langjährige Erfahrung führt zu gutem Lesegut
Normalerweise warte man ab, dass der Regen nachlasse und die Trauben in der Herbstsonne doch noch reifer würden. Doch bei herbstlich sinkenden Temperaturen gebe es dafür keine Garantie. Und dann seien da noch weitere Risiken: „Nur die gelesene Traube ist eine sichere Weinqualität. Egal, wie reif sie ist: Alles, was draußen ist, ist anfällig für Wasser, Fäulnis, Krankheiten, Vogelfraß … Sie stehen als Winzer in der Zwickmühle, dass Sie eigentlich noch hängen lassen wollen, aber langsam mal ernten müssen.” Gehört alles zum Winzerberuf dazu – und bei Bassermann-Jordan habe man dank langjähriger Erfahrung viel gutes, gesundes Lesegut einfahren können. Schon im Herbst wusste Wandt: “Im 2021-er Jahrgang warten viele wunderbare Trinkweine mit 12 bis 12,5 % Alk. Vol. auf, und weniger vollmundige und üppige Alkoholbomben.“
Guter Trinkfluss ist das Ziel
Wie verhält es sich in solch einem kühlen Jahr denn mit der Säure? „Die Säurewerte waren am Anfang schon noch ein wenig hoch. Da heute die meisten Weine direkt im ersten, zweiten Jahr nach der Ernte getrunken werden, ist die Bekömmlichkeit wichtig.” Natürlich brauchen wir eine schöne Säure, das zeichne deutsche Weine aus und macht sie stabil und lagerfähig. Als zu sauer dürfen sie jedoch nicht empfunden werden – sehr guter Trinkfluss ist das Ziel.
Unterschiedlichkeiten der Jahrgänge
Was höhere Säurewerte für die Weine bedeute, komme auf deren Qualitätsstufe an: „Bei den hochwertigen Weinen sorgt das für Langlebigkeit; sie können noch lange reifen, etwa wie das 2008, 2010, 2013 der Fall war. Diese sogenannten „Lagerjahrgänge” galten am Anfang eher als durchschnittlich, haben heute aber einen sehr hohen Wert bei Sammlern und Genießern, weil sie noch lange jugendlich-frisch wirken”, schwärmt Sebastian Wandt. „Wir Weingenießer haben wirklich Glück, dass es diese Unterschiedlichkeit der Jahrgänge gibt.”
Leichter 21er Wein im heißen Sommer 2022
Die Weine der Standard-Qualität fallen in diesem Jahr etwas knackiger aus als üblich. Säurearme Weine wie Grauburgunder und Blanc de Noir seien dennoch bald schon genussreif, „deshalb haben wir unseren Blanc de Noir auch schon gefüllt. Und in ein paar Monaten werden wir unheimlich froh sein, diesen kühleren Jahrgang zu haben. Sollte ein heißer 2022er Sommer kommen, werden die herrlich frischen, leichten 21er Weine umso mehr Spaß machen. Auf ihr Wohl!”