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Edel, hilfreich und gut

von Ute Lühr
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Die Werbung alarmiert. Zumindest die, die sie auch lesen. „Stell Dir vor, Du drückst, und alle drücken sich“, steht da geschrieben. Und das, was auf den ersten Eindruck noch ein amüsantes Wortspiel ist, wird bei näherer Reflexion schnell zu einer beunruhigenden Tatsache: Ohne die Freiwilligen Feuerwehren haben Städte und Gemeinden ein Problem, sieht es im Ernstfall für die Bürgerinnen und Bürger richtig düster aus, wenn sie den Knopf drücken, um die Feuerwehr zu rufen. Gut, dass es Menschen gibt, die für die Sache richtig brennen. 

Retten, Löschen, Bergen, Schützen. Die Kernaufgaben der Rettungskräfte sind seit jeher dieselben und ihr tägliches Geschäft, besonders für diejenigen, die hauptamtlich damit betraut sind: Etwa 2400 Männer und Frauen arbeiten in Niedersachsen in einer Berufsfeuerwehr – für ein Bundesland mit knapp acht Millionen Einwohnern in 400 Gemeinden viel zu wenig. Deshalb setzt die Gesellschaft auf das Ehrenamt und seine rund 125 000 Aktiven, die zwischen Ems und Elbe, Nordsee und Harz einen Großteil ihrer Freizeit opfern, um im Notfall für ihre Mitmenschen da zu sein.

Schon viel erlebt

Meral Fischer ist die erste weibliche Ortsbrandmeisterin Lüneburgs

Foto: nh/tonwert21.de

Meral Fischer ist eine von ihnen. Schon als Kind wollte die Tochter einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters Mitglied bei den Brandschützern werden. Damals ungewöhnlich – und unmöglich: Weil Mädchen in der Lüneburger Wehr nicht zugelassen waren, suchte die junge Frau eine Alternative und fand sie beim Arbeiter-Samariter-Bund: „Mein Wunsch war schon zu jenen Zeiten, irgendwie helfen zu wollen“, sagt sie rückblickend. Den konnte sie sich erfüllen.

Außergewöhnliche Karriere

Als sich die Feuerwehr 1991 endlich auch für das weibliche Geschlecht öffnete, war die damals 24-Jährige eine der ersten, die beim Lüneburger Ortskommando vorstellig wurde. „Ich war aufgeregt“, erinnert sie sich, „wusste ja nicht, ob es Probleme mit meiner Staatsbürgerschaft geben könnte und ob sie mich überhaupt nehmen.“ Sie nahmen sie – und Meral Fischer machte eine außergewöhnliche Karriere: Noch im Jahr ihres Beitritts absolvierte sie den Grundlehrgang und sattelte die Ausbildung zur Atemschutzträgerin gleich obendrauf. Es folgten viele weitere Schulungen, später auch der Lkw-Führerschein. Sie wurde die erste Frau der Stadt, die auch Drehleiter fahren durfte. „Am Anfang wollten die Kameraden nie bei mir einsteigen“, sagt sie und lacht in Erinnerung, „das hat sich schnell geändert.“

Engagement wurde belohnt

Eine „Heißdüse“ sei sie gewesen, sagt die heute 54-Jährige von sich, „und immer im Einsatz“. Wenn es um die Verteilung der Bereitschaftsdienste ging, hob Meral Fischer die Hand – so oft, dass sich die anderen über sie schon amüsierten. Und wenn sie mit ihren Kameraden am Stint saß und die Ampel an der nahegelegenen Wache blinkte, lief sie rüber zum Feuerwehrhaus, um mit auszurücken. Schnell wurde sie für ihr Engagement belohnt: Wurde erst stellvertretende Gruppenführerin, dann Gruppenführerin, wurde Vertreterin des Ortsbrandmeisters, den sie 2018 – als erste Frau in Lüneburg – schließlich beerbte.

Kommunikation und Transparenz

Seitdem ist sie für die Führung der Einheit zuständig, kümmert sich um Neueinstellungen und Ausbildung, um den Nachwuchs und die Altersabteilung, um Zukunftsziele und den mannschaftlichen Zusammenhalt. „Kommunikation ist ganz wichtig“, hat sie im Laufe der vielen Jahre für sich gelernt, „und Transparenz, besonders in der Führungsriege.“ Der Austausch nimmt deshalb auch viel ihrer Zeit in Anspruch, dazu kommt noch die Bereitschaft: Alle paar Wochen steht sie für die Abend- oder Wochenendstunden auf Abruf bereit, um im Notfall mit dem Team auszurücken. Erlebt hat sie schon vieles.

Abgeklärt, aber nicht abgestumpft

Verkehrsunfälle, Hausbrände, Selbsttötungen: „Ich habe in meinem Leben schon zahlreiche tote Menschen gesehen“, sagt sie, „und das war besonders am Anfang sehr schwierig, zumal es für die Betreuung der Rettungskräfte noch keine Seelsorger wie heute gab.“ Heute, so Meral Fischer, sei sie abgeklärter, hoffentlich aber nicht abgestumpfter. „Davor habe ich Angst.“ Der Gedanke an die Angehörigen der Verunglückten sei aber allgegenwärtig. Und allgegenwärtig sind auch die Bilder der Menschen, die an bestimmten Stellen ihr Leben ließen: „Wenn ich dort vorbeifahre, kommen die Erlebnisse oftmals wieder.“

Mit Tod und Leid umgehen

Mit Tod und Leid umgehen – viele haben damit Probleme: „Mein Mann, den ich bei der Feuerwehr kennenlernte, hatte aber schon mehr Erfahrung“, sagt die Ortsbrandmeisterin, „er hat mir besonders am Anfang viel dabei geholfen.“ Dazu komme mit der Zeit auch die Erkenntnis: „Wir werden immer erst dann gerufen, wenn es passiert ist. Wir können es nicht Ungeschehen machen.“

Einsätze mit Respekt begegnen 

Respekt ist aber bei allen Einsätzen immer noch dabei – besonders bei Feuer. Auch da bleibt vieles im Gedächtnis, wie die vielen Kellerbrände in Kaltenmoor oder die Zerstörung des alten Lösecke-Hauses am Stint. „Das Bild, das ich aber wohl nie vergessen werde, ist das der alten Dame, die im Nachthemd auf dem Balkon ihres Hauses stand. Ihre weißen Haare wehten im Wind, und im Hintergrund wurde der Qualm immer schwärzer.“

Die Feuerwehr wird moderner 

Heute ist Meral Fischer nicht mehr bei jedem Einsatz an erster Front, es sind andere Themen, die sie beschäftigen: Nachwuchssicherung beispielsweise oder aber auch die Reaktivierung der Geselligkeit. „Es gab Zeiten, in denen die Kameradinnen und Kameraden nach dem Dienst sofort verschwunden sind. Das wird langsam wieder anders“, ist sie froh. Die Wache will sie gemeinsam mit ihren Stellvertretern zu einem offenen Haus machen, mit der „Cola-Fraktion“, wie sie die Kollegen von heute liebevoll nennt, auch wieder mehr gemeinsame Abende verbringen. Flache Hierarchien, größtmögliche Transparenz und viel Raum für Diskussionen: Auch die Feuerwehr wird moderner. Ihre Aufgaben aber sind die alten – bleibt zu hoffen, dass sich nicht zu viele drücken.

Berufung Brandschutz

Andree Gäthke gründete 1986 die
Vögelsener Jugendwehr

Foto: nh/tonwert21.de

Einer, der sich niemals drückt, ist Andree Gäthke. Ganz im Gegenteil. Auf dem ersten Fahrzeug zu sitzen und den Einsatzort mit dem ersten Zug zu erreichen – das war schon immer sein Ziel: „Im Haus meiner Eltern wohnte ich im Keller, konnte die Sirene dort nicht hören“, erinnert sich der 48-Jährige. Das war aber kein Problem, hatte seine Mutter doch einen klaren Auftrag: Sie kam in sein Zimmer gestürmt, machte das Licht an, trat dann gegen die Bettkante und schrie ihm ins Ohr „Alarm“. Während er sich anzog, hatte sie schon sein Rad in Position gebracht: Ein Sprung auf den Sattel, kräftige Tritte in die Pedale – kaum einer konnte ihn jemals schlagen.

Erste Begegnung als Drittklässler

Das Verkehrsmittel hat der heute in Dachtmissen lebende Elektromonteur mittlerweile geändert, seine Einstellung zum Brandschutz nicht: Die Feuerwehr ist sein Hobby, seine Berufung, einer der ganz zentralen Punkte in seinem Leben. Das war schon immer so. Fast immer. „Meine erste Begegnung mit dem Thema hatte ich als Drittklässler“, sagt Andree Gäthke, „als ich mit der Klasse das Feuerwehrhaus in Vögelsen besuchte.“ Und suchte: „Denn als solches waren die zwei Garagen mit den beiden grauen Toren gar nicht zu erkennen, und das Schlauchgerüst, auf dem wir als Kinder immer spielten, offenbarte mir seine eigentliche Funktion auch erst später.“

Erste Jugendwehr in Vögelsen

Später – das war dann aber doch zeitnah: Fasziniert von den Fahrzeugen, dem Geruch von Öl und Diesel und begeistert von der Spritztour durchs Dorf, die seine Klasse mit dem Ortsbrandmeister machen durfte, hatte sich der Gedanke festgesetzt: Der Junge wollte zur Feuerwehr. Blöd nur, dass es im Ort für den Nachwuchs noch keine gab. Also nahmen die Kumpel die Sache selbst in die Hand: Im Juni 1986 gründeten sie mit Unterstützung der Vögelsener Aktiven ganz offiziell die Jugendwehr, hatten aber schon im April desselben Jahres ihren ersten handgeschriebenen Dienstplan in der Tasche und starteten einen Monat später zum Orientierungsmarsch.

Passende Kleidung und zunehmende Expertise

„Belächelt wurden wir anfangs“, erinnert sich Andree Gäthke, „so richtig ernst nahm uns keiner.“ Das sollte sich ändern: Regelmäßiger wöchentlicher Dienst, die passende Kleidung, zunehmende Expertise und Training im Umgang mit dem Material: Schnell entwickelte sich die junge Nachwuchswehr zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten im sportlichen Wettkampf, ließ auch beim Ablegen der Leistungsspange, der höchsten Auszeichnung im Jugendbereich, an ihren Fähigkeiten keinen Zweifel.

Den ersten Einsatz vergisst man nicht

Mit 18 Jahren wechselte der Vögelsener dann zu den Aktiven, machte seinen Grundlehrgang, später die Ausbildung zum Funker, es folgte das Seminar für den Atemschutz, der Maschinistenlehrgang und der für die Truppführer. Und zahllose Einsätze, von denen ihm einige besonders in Erinnerung geblieben sind: „Mein erster zählt auf alle Fälle dazu“, sagt er, „der war 1991, ein Scheunenbrand in Bardowick. Das Feuer habe ich schon gesehen, als wir über die Brücke fuhren. Es war taghell.“ Das Strahlrohr durfte er damals halten, das weiß der heute 48-Jährige noch, „und ich musste genau das machen, was mein älterer Kamerad mir sagte.“ Die ganz Nacht habe die Aktion gedauert, die Nachbarn versorgten die Einsatzkräfte mit Kaffee und Brötchen, „es war ein Heidenspektakel, laut und nass. Ich war aber mittendrin, statt nur dabei“, sagt Andree Gäthke, „da wollte ich hin.“

Manche Ereignisse bleiben lange im Kopf

Im selben Jahr brannte der örtliche Lebensmittelladen, später ein Hof im Altdorf: „Sechs Kälber ließen damals in den Flammen ihr Leben, den Geruch hatte ich drei Wochen später noch in der Nase.“ In der Nase und im Kopf: Manche Ereignisse bleiben lange. Andere verschwinden schnell. „Letztlich nehme ich aber keinen Einsatz so richtig mit nach Hause“, sagt der Elektromonteur, „die lasse ich nicht so richtig an mich ran. Sofern das denn geht.“

Anders, wenn es vor der eigenen Haustür passiert

Und das gilt auch für die Verstorbenen, die er während der vergangenen Jahrzehnte gesehen hat: Da waren der Suizid oder auch der Verkehrsunfall. Es sind Ausnahmen: „Wir haben hier nur Kreis- oder Landstraßen. Zum Glück“, sagt er, „die Kameraden in Handorf und Bardowick bekommen da doch schon viel extremere Situationen zu Gesicht.“ Für Feuer gilt das nicht: „Vor zwei Jahren ist ein altes Wohngebäude in unserer Ortsmitte an Heiligabend ausgebrannt“, erzählt er, „für diejenigen, die neu in der Wehr waren, wurde es zum ersten Mal richtig ernst.“ Nicht alle kamen damit sofort klar: „Es ist eben was anderes, wenn es plötzlich vor der eigenen Haustür passiert.“

Richtig oder gar nicht

Ernst nehmen muss man den Job, das wissen alle Kameraden, das weiß auch Andree Gäthke: Im Jahr 1997 hat er als stellvertretender Gerätewart begonnen, den Job 2006 dann hauptverantwortlich übernommen. Er kümmert sich um alles, was an technischer Ausrüstung in der Fahrzeughalle steht: „Einmal im Monat mache ich einen Check“, sagt er, „der wird dann dokumentiert.“ Nur so könne er feststellen, ob alles funktioniert. „Da muss man nicht jede Schraube beim Vornamen kennen“, sagt er, „aber entweder erledigt man seine Aufgaben richtig oder gar nicht.“

Dankbarkeit und Wertschätzung

Sein Ressort ist sein Metier – das bekommen auch die anderen zu spüren. „Wenn die etwas nicht korrekt behandeln oder falsch positionieren, gibt’s mitunter schon mal einen Anpfiff.“ Umgehen kann damit jeder, denn letztlich wissen sie, was sie an ihrem Gerätewart haben. Und an ihrem Kameraden. Mit einigen verbringt Andree Gäthke auch einen anderen Teil seiner Freizeit, fährt gemeinsam Motorrad oder reist zu Konzerten.

Es sind nun 36 Jahre, die der Elektromonteur Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Vögelsen ist. Einen großen Teil seiner Freizeit opfert er für die Gesellschaft, bekommt dafür aber auch viel zurück – Dankbarkeit nach einem Einsatz, aber auch Wertschätzung von anderer Seite: „Als ich mich um einen Ausbildungsplatz bewarb, musste ich nicht lange reden, mein Chef war auch bei der Feuerwehr“, erinnert er sich. Und auch mit seinen späteren Arbeitgebern gab es nie Probleme: „Die haben mich in meiner ehrenamtlichen Arbeit immer unterstützt.“

Technik, die begeistert

Der Vögelsener Gruppenführer Sebastian Schröder hat sich der Waldbrandprävention verschrieben

Foto: nh/tonwert21.de

Spätberufen und dann durchgestartet – Sebastian Schröder hat seine Leidenschaft gefunden und sie zu einem wichtigen Teil seines Lebens gemacht: „Zur Feuerwehr bin ich erst im Alter von 36 Jahren gekommen“, so der Vögelsener, „als ich 2002 gemeinsam mit meiner Frau ein Haus erwarb.“ Wer eine Immobilie besitzt, sollte sie auch schützen können, sagte sich der Diplom-Ingenieur damals und ist seinem Leitspruch bis heute treu geblieben: Ob als Gruppenführer in der freiwilligen Wehr oder als gemeinnützige Einsatzkraft beim Brennen in der Heide – die Faszination hat ihren Reiz nie verloren.

Ein gutes Gefühl 

Es sei eine innere Befriedigung, ein gutes Gefühl, Menschen im Notfall beizustehen, ihnen helfen zu können, erklärt der zweifache Familienvater, der für sich selbst aber auch persönliche Vorzüge sieht: „Über die Feuerwehr habe ich ganz schnell Kontakt im Ort gefunden, habe die gute Kameradschaft kennen- und schätzen gelernt und viel Spaß gemeinsam mit der Gruppe erfahren.“ Zudem sei es verlockend, Gegenden zu erkunden, die sich sonst verbärgen, an Orte zu gelangen, die sich sonst verschlössen, und mit Technik umzugehen, die sich einem anders nicht erschließe.

Begeisterung für Technik

Technik – diese Affinität zieht sich wie ein roter Faden durch Sebastian Schröders Leben, hat ihn schon als kleinen Jungen fasziniert, derart, dass er viele Jahre später auch sein Studium dieser Begeisterung gewidmet hat: „Ich habe in Hamburg Fahrzeugtechnik studiert, habe später in Süddeutschland in einem Ingenieur-Büro Aufgaben für verschiedene namhafte Autohersteller übernommen, um schließlich – doch wieder im Norden – bei Airbus zu arbeiten.“

Der Job forderte, das Pendeln wurde lästig. Über einen Feuerwehrkameraden stieß er auf ein neues Betätigungsfeld und sattelte um: Heute arbeitet er mit reduzierter Stundenzahl in einem Büro für Arbeitssicherheit, ist dort auch als Brandschutzbeauftragter zuständig. Und gibt Seminare zur Waldbrandprävention – ein zweites wichtiges Feld seines Engagements, für das er brennt. Nicht ohne Grund.

Flexibilität für Fortbildungen

„Dieser Einsatzbereich wird angesichts des Klimawandels künftig eine immer größere Bedeutung bekommen“, weiß der 54-Jährige, „deshalb ist es enorm wichtig, dass auch wir als Feuerwehr dieser Gefahr begegnen können.“ So manche Zeit, die er sich durch den Verzicht auf mehr Gehalt erkauft hat, verwendet er nun für seine Fortbildung: „Das ist eben der Vorteil, wenn man nicht acht Stunden am Tag arbeitet“, erklärt er, „man ist einfach viel flexibler.“

Und Flexibilität setzt die Thematik voraus: Wenn Luftfeuchtigkeit und Temperatur stimmen, wird in der Heide kontrolliert gebrannt, kann Sebastian Schröder mit anderen Kameraden am realen Objekt den praktischen Einsatz üben: „Die Feuer sind eine effektive Methode, die Vegetation zu verjüngen und den Naturpark als Lebensraum langfristig zu erhalten“, weiß er, „wenn die Benachrichtigung über einen neuen Termin kommt, und das ist meist sehr kurzfristig, versuche ich, dabei zu sein.“

Verein „ForestFireWatch“

Dann gilt es, neue Erfahrungen zu machen und neue Erkenntnisse zu sammeln. Welche Wirkung hat das Wasser? Wie lange bleibt die Erde feucht? Lässt sich der Brand auch ohne Nässe bekämpfen? Welchen Nutzen erzielen Feuerpatschen? Und wann werden die Knöchel heiß? „Das sind eben unwahrscheinlich wertvolle Eindrücke, die wir dort gewinnen“, sagt Sebastian Schröder.

Wir – das waren bis vor einiger Zeit noch rund 25 Freiwillige aus der Region, die sich im Verein ForestFireWatch zusammengeschlossen hatten. Sie nahmen an internationalen Seminaren teil, tauschten sich aktiv mit den Kollegen aus Russland oder Portugal aus oder reisten ins benachbarte Polen, um dort gemeinsam auf Exkursion zu gehen. Mit der Zeit aber schwand die Resonanz, der Verbund zerfiel: Heute existiert nur noch ein loser Zusammenschluss mit unterschiedlich stark engagierten Kollegen. Der Vögelsener ist einer von ihnen.

Verantwortung übernehmen

Zeit investiert er nach wie vor in die Auswirkungen des Klimawandels. Zeit investiert er aber auch in die örtliche Wehr: Zwanzig Jahre leistet er mittlerweile seinen Dienst an der Gesellschaft, hat sich in Vögelsen bis zum Gruppenführer hochgearbeitet. Verantwortung übernehmen, das will er auch im Notfall, und der hat sich ihm erst kürzlich wieder präsentiert. Mit ganzer Macht. „Wir wurden zu einem Verkehrsunfall mitten im Dorf gerufen“, erzählt Sebastian Schröder, „das kommt doch sehr selten vor.“ Und noch seltener mit derart dramatischen Folgen.

Erlebnisse nicht mit nach Hause nehmen

„Ich war als einer der ersten Feuerwehrkameraden vor Ort“, sagt er, „und machte mir ein Bild von der Lage.“ Weil er seine Kollegen gut organisiert sah, löste er den Ersthelfer ab und kroch selbst in das Auto, befreite mit anderen Brandschützern die verunglückte Person, die kurz darauf verstarb. „Es war der erste Tote, den ich als Feuerwehrmann im Einsatz zu beklagen hatte“, sagt der 54-Jährige, „das geht mir schon ein wenig nah.“ Mit nach Hause hat er die Erlebnisse aber nicht genommen, wird nur stets daran erinnert, wenn er die Unfallstelle passiert. Kerzen sind mittlerweile dort entzündet worden und gedenken auf stille Weise an einen geliebten Menschen.

Ohne die freiwillige Feuerwehr geht nichts

Ein Verstorbener, so hofft Sebastian Schröder, wird aber weiterhin die Ausnahme bleiben – auch wenn er weiß, welche Gefahren das Ehrenamt doch bieten kann: „Denn letztlich machen wir genau das Gegenteil von dem, was gelehrt wird, laufen rein, wo andere rauslaufen, setzen in der Gewissheit bestmöglicher Ausrüstung und Ausbildung mitunter unsere Gesundheit aufs Spiel, um der Gesellschaft zu helfen.“ Doch der ist das meist gar nicht bewusst: Wer glaubt, im Ernstfall ohne die freiwillige Feuerwehr Hilfe erwarten zu können, der sieht sich getäuscht. Wie gut, dass sich nicht alle drücken, wenn einer drückt.

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