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„Nicht von HEUTE AUF MORGEN“

von Ute Lühr
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Mobilität gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen und ist ein komplexes Gebilde, das besonders im städtischen Bereich einer echten Herausforderung gleicht: Eine Vielzahl von Verkehrsteilnehmern teilt sich hier eine sehr begrenzte Fläche, die geprägt ist von den autoorientierten Strukturen der Vergangenheit. Umdenken ist angesagt, will der öffentliche Raum multifunktional genutzt werden, seinen Bürgerinnen und Bürgern mehr Lebensqualität bieten. Die PRISE sprach mit Lüneburgs neuer Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch sowie Verkehrsdezernent Markus Moßmann über die Pläne zu diesem Thema.

Die Mobilitätswende. Das ist das Schlagwort der Gegenwart. Frau Kalisch, was verstehen Sie darunter?
Claudia Kalisch: Mobilitätswende bedeutet für mich, den Bürgerinnen und Bürgern ein attraktives Angebot zu machen, um in die Stadt zu gelangen und auch wieder hinaus. Dabei spielt die Wahlfreiheit des Verkehrsmittels eine ebenso große Rolle wie das Ineinandergreifen der Verkehrsflüsse. Damit sie sich nicht behindern. Es geht um ein kluges Zusammenspiel von ÖPNV-Angeboten, Carsharing, auch E-Scootern und natürlich Radfahrern und Fußgängern. Das Ziel ist ein intelligentes Gesamtkonzept, bei dem sich alle wiederfinden und das möglichst allen Mobilitätsbedarfen gerecht wird.

Die Uelzener Straße: mehr Raum für Radfahrer und Sicherheit. Foto: nh/tonwert21.de

Apropos Radfahrer. Initiativen wie der Radentscheid haben sich von einer grünen Oberbürgermeisterin sicherlich klare Zeichen erhofft. Was können sie erwarten?
Claudia Kalisch: Natürlich liegen auch mir viele dieser Wünsche am Herzen, nur lassen sich diese nicht von heute auf morgen umsetzen. Verkehrspolitische Entscheidungen sind nun einmal sehr komplex und alte Denkstrukturen in Sachen Verkehr und Mobilität müssen überwunden werden. Außerdem spielt da auch die Politik, also der Rat, eine entscheidende Rolle. Und wir leben hier nicht auf einer Insel, sondern sind mit dem Landkreis direkt verflochten. Auch dem muss man Rechnung tragen. Deshalb bin ich froh, dass wir derzeit einen Nachhaltigen Urbanen Mobilitätsplan, kurz NUMP, entwickeln, der unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger Sachverhalte neu bewertet.

Könnten dabei Ergebnisse herauskommen, die alternative Verkehrsströme zulassen, wie beispielsweise eine Einbahnstraßenregelung in der Bleckeder und Dahlenburger Landstraße mit entsprechend mehr Platz für den Radverkehr?
Markus Moßmann: Das sind ja Ideen, die schon länger im Raum stehen, die aber einer intensiven Prüfung bedürfen. Wie schon des Öfteren gesagt, beim NUMP-Prozess wird es keine Denkverbote geben, aber ich halte eine Vorfestlegung ohne intensive Prüfung aller Belange für nicht richtig. Logisch ist doch, dass sich der Verkehr dann neue Wege sucht, und das geht dann zu Lasten der Nebenstraßen und der dort lebenden Menschen. Kurzfristig gibt es aber verschiedene Projekte, die wir in Angriff nehmen wollen. Wir müssen den Verkehrsraum neu aufteilen, das ist unstrittig. Das können kleine und kostengünstige, aber auch große und kostenintensive Maßnahmen sein. Die Freigabe der Straße Auf dem Kauf wird zum Beispiel den Entfall von einigen Parkplätzen bedeuten, um die Vorgaben der Straßenverkehrsordnung zu erfüllen.

Gibt es denn auch Pläne, die eine sichtbare Veränderung zugunsten des Radverkehrs vorsehen?
Markus Moßmann: Ja, die gibt es. Sehen Sie sich zum Beispiel die schon begonnene Maßnahme in der Uelzener Straße an. Dort werden zahlreiche Parkplätze entfallen zugunsten von mehr Raum und Sicherheit für den Radverkehr. Wir müssen auch unbedingt das Nadelöhr an der Straße Vor dem Neuen Tore ran. Dort ist ein sehr schmales Stück Hochbord, den sich Radfahrer und Fußgänger im Begegnungsverkehr teilen müssen. Da kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen. Wir überarbeiten gerade unsere alten Planungen, um mehr Fläche zu generieren. Wir müssen dann aber auch darüber sprechen, dass der eine oder andere Baum weichen muss. Aber auch den Bereich am Stint haben wir im Blick. Dort prüfen wir, ob das Kopfsteinpflaster in der Salzstraße am Wasser ähnlich oder noch besser wie in der Bardowicker Straße gestaltbar ist. Denkmalschutz ist dort aber ein wichtiger Punkt, den wir berücksichtigen müssen. Auch die Fortsetzung der Salzstraße als Radverbindung in Richtung alter Bezirksregierung ist für den Lückenschluss zum Treidelpfad ein wichtiger Baustein.

 

Mobilität ist wie gesagt ein komplexes Thema, bei dem alle mitgenommen werden müssen. Ich weiß, dass die Erwartungen an mich hoch sind, das liegt in der Natur der Sache. Umso wichtiger ist mir, keine Schnellschüsse zu machen, sondern solide und besonnen die Dinge gut durchdacht anzugehen.
Claudia Kalisch
Oberbürgermeisterin

Neben dem Radverkehr spielt aber auch der ÖPNV eine wichtige Rolle, will man die Mobilitätswende vorantreiben. Was ist dort geplant?
Markus Moßmann: Der Busbetrieb mit allen seinen Alternativen ist Sache des Landkreises, der wiederum mit der KVG kooperiert. Da haben wir als Stadt natürlich nur bedingt Einfluss. Wir sind da aber in engem Kontakt. Natürlich spielt der ÖPNV gleichwohl auch für unsere Projekte eine wichtige Rolle. So soll beispielsweise im neu geplanten Baugebiet am Wienebüttler Weg eine Bushaltestelle eingerichtet werden, um von vornherein eine Alternative zum Auto zu bieten. Die würde dann auch für die Bürgerinnen und Bürger im vorhandenen Baugebiet am Brockwinkler Weg westlich der PKL in fußläufiger Entfernung liegen.

Kann denn durch eine solche Maßnahme der Mensch zum Umdenken bewogen werden?
Markus Moßmann: Auch. Eine Verkehrswende lässt sich ja nur herbeiführen, wenn Quantität und Qualität der Alternativen stimmen, das ist ja immer ein Mix aus den sogenannten Push- und Pull-Maßnahmen. Pull-Faktoren wären da eben beispielsweise ein verbessertes ÖPNV-Angebot, eine gute Radverkehrsstruktur oder Carsharing-Möglichkeiten. Push-Faktoren wären zum Beispiel Zufahrtsbeschränkungen oder Parkraumbewirtschaftung.

Zufahrtsbeschränkungen gibt es ja bereits, das scheint viele aber wenig zu stören, besonders Am Sande oder aber auch in der Rosenstraße beziehungsweise An den Brodbänken. Da kommt es immer wieder zu gereizten Situationen zwischen den Verkehrsteilnehmern.
Claudia Kalisch: Das stimmt in Teilen wohl, da werden wir die Ausnahmegenehmigungen intensiver überprüfen. Ein geteilter Verkehrsraum ruft grundsätzlich alle zur gegenseitigen Rücksicht auf. Und da können auch neue Ideen entwickelt werden: Vielleicht gibt es auch Wege, auf denen die Radfahrer schnell ans Ziel kommen, ohne diese von Fußgängern stark frequentierten Bereiche zu nutzen.

Es gibt also eine Vielzahl von Projekten?
Claudia Kalisch: Mobilität ist wie gesagt ein komplexes Thema, bei dem alle mitgenommen werden müssen. Ich weiß, dass die Erwartungen an mich hoch sind, das liegt in der Natur der Sache. Umso wichtiger ist mir, keine Schnellschüsse zu machen, sondern solide und besonnen die Dinge gut durchdacht anzugehen.

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