Kein Bock? Keinen Anreiz? Keine Zeit? Oder einfach nur „Och nöö“? Nicht wirklich. Das Image der Jugend von heute als eine selbstsüchtige und unsoziale Generation, die lieber am Computer sitzt als ihren Beitrag zur Gesellschaft leistet, trügt. Zumindest in vielen Bereichen. Besonders der Umweltschutz lebt zunehmend von den jungen Aktivisten, aber auch andere Vereine und Verbände würden ohne das ehrenamtliche Engagement der Heranwachsenden ihre Existenzgrundlage verlieren, Angebote einschränken, schlimmstenfalls aufgeben müssen. Das ist im Hockey Club (HC) Lüneburg e.V. nicht anders.
Einen Teil der Freizeit opfern für andere
Insgesamt 23 Teenager und junge Erwachsene sind dort derzeit als Co-Trainer oder selbstständige Übungsleiter tätig, opfern einen Teil ihrer Freizeit, um andere zu unterstützen, haben damit auch einen großen Anteil daran, die Faszination des Sports am Leben zu erhalten. „Ohne sie könnten wir Hockey in diesem Rahmen und Umfang bei uns in Lüneburg gar nicht anbieten“, weiß Tobias Müller, 2. Vorsitzender im HCL, „und das wäre nicht nur für den Verein unfassbar bitter, sondern für jeden, der diese Leidenschaft hier mit uns teilt.“
Tendenz stetig wachsend
Mehr als 300 Mitglieder zählt die Gemeinschaft am Kreideberg derzeit, Tendenz trotz Corona stetig wachsend – das freut auch den Vorstand: „Es sind insbesondere die vielen Kinder, die sich zunehmend für das Hockey begeistern“, sagt Tobias Müller, „und das verstehen wir als klaren Auftrag.“ Den es zu erfüllen gilt. Schon lange setzt die Vereinsführung deshalb auf die Unterstützung aus den eigenen Reihen, verfolgt damit ein Konzept, das Früchte trägt: Drei der ehemaligen Nachwuchstrainer haben sich mittlerweile zu festen und eigenverantwortlichen Übungsleitern entwickelt. Sie vertrauen jetzt ihrerseits auf die Jüngeren.
Der ganz besondere Teamgeist
Eine von ihnen ist Lotta. Lotta ist 19 Jahre alt und macht in diesem Frühjahr ihr Abitur an der IGS. Mit fünf hat sie begonnen, Hockey zu spielen, hat den Schläger zwischenzeitlich zwar für einige Zeit an den Nagel gehängt, ihn dann aber wieder in die Hand genommen. Es sei einfach dieser ganz besondere Teamgeist, der sie nicht losgelassen habe, sagt die Lüneburgerin, und den sie besonders bei Turnieren erlebe. Bei einem von diesen, vor drei Jahren, sei für eine jüngere Mannschaft die Betreuerin ausgefallen. Lotta sprang ein – und blieb dabei.
Co-Trainerin für verschiedene Altersklassen
„Ich habe anfangs die Mädchen zwischen acht und zehn Jahren als Co-Trainerin gecoacht“, sagt Lotta, „später dann auch die von zwölf bis 14.“ Schätze sie bei diesen den schon ausgeprägteren Ehrgeiz, das technische und taktische Verständnis und die Gemeinschaftlichkeit, mit der sie ihre sportlichen Ziele verfolgen, mag sie bei den Jüngeren deren natürlichen Bewegungsdrang, die uneingeschränkte Neugierde und die hemmungslos ausgelebten Launen: „Das ist einfach Spaß“, sagt sie. Und lehrreich.
Während eines Ferientrainings kümmerte sich Lotta auch um kleinere Jungen, deren Namen sie nicht kannte, die sie mitunter an ihre Grenzen brachten: „Letztlich war das aber der ideale Test für mich“, sagt die Abiturientin, „der mich von meinem Berufswunsch überzeugte.“ Nach ihrem Abschluss will die 19-Jährige Lehramt studieren. Eine gute Basis hat sie sich dafür geschaffen.
Für den Hockey-Nachwuchs aktiv
Sirk verfolgt für die Zukunft zwar ganz andere Ziele, ist in der Gegenwart aber gleichermaßen engagiert: Seit gut zwei Jahren ist der heute 15-Jährige als Co-Trainer für den Hockey-Nachwuchs aktiv, steht dafür regelmäßig bis zu dreimal pro Woche mit einem Chefcoach auf dem Platz. „Mein Bruder hat mich damals auf die Idee gebracht“, sagt der Achtklässler, „ich fand das auch total cool.“ Er musste nicht lange fragen.
Chef am Platz
Anfangs kümmerte er sich um die Kleinen, das war ihm mitunter aber zu viel Gequengel. „Von den Größeren bekommt man zwar öfter Gegenwind“, sagt der Lüneburger, „dafür sind die aber unkomplizierter, und man kann denen die Dinge viel besser erklären.“ Wenn die Haupttrainerin nicht anwesend ist, schmeißt der erfahrene Hockeyspieler den Laden auch schon mal allein: Aufwärmprogramm überlegen, Übungen vorbereiten, Fehler verbessern, dazu noch den Torhütern in die Ausrüstung helfen und das Trainingsspiel pfeifen – Sirk ist dann auch gerne mal der Chef am Platz, und damit hat auch keiner ein Problem.
Zeit und Lust zur Unterstützung
Moritz ist da noch nicht so weit. Zwar ist der Herderschüler ein Jahr älter als Sirk, ist ebenso wie dieser seit seiner frühesten Kindheit mit dem Schläger unterwegs, als Co-Trainer aber erst seit einem Jahr dabei. Vom Vorstand auf seine Möglichkeit zur Unterstützung angesprochen, ließ er sich nicht lange bitten: „Ich hatte Zeit und hatte Lust“, sagt er, und daran hat sich auch nichts geändert.
Moritz‘ Wirkungsbereich sind die Jüngsten im Verein – zumindest die jüngsten ordentlichen Mitglieder. Zwischen sechs und acht Jahre sind seine ausschließlich männlichen Schützlinge, und das sind viele: „Wir stehen deshalb mitunter auch mit bis zu sechs unterstützenden Übungsleitern auf dem Platz“, sagt der 16-Jährige, „und haben trotzdem noch genug zu tun.“
Die Kids bei Laune halten
Schlägerhaltung kontrollieren und Technik demonstrieren, Trainingseinheiten beaufsichtigen und Ansprechpartner sein: Moritz schätzt den Umgang mit den Kindern, aber auch die Zusammenarbeit in seinem Team. „Das ist eben eine Herausforderung, den Nachwuchs bei Laune zu halten und immer wieder gute Angebote zu machen, damit sie das Interesse nicht verlieren.“ Zu sehen, wie die Jungen sich entwickeln, ihnen dabei auch durch das eigene Können die Kunst des Sports zu demonstrieren – das macht Moritz Spaß. „Und letztlich sehen sie in mir auch den großen, coolen Typen“, sagt er, „sehen so eine Art Vorbild.“ Das ist ein gutes Gefühl.
Mit Ruhe und Geduld viel vermitteln
Ein gutes Gefühl empfindet auch Sina, wenn sie auf dem Platz steht: In derselben Altersklasse wie Moritz tätig, kümmert sich die 16-Jährige seit einem halben Jahr um die kleinen Mädchen. „Es macht einfach total viel Spaß, mit den Kindern zu arbeiten, ihnen etwas beizubringen“, sagt sie, „da braucht man ganz viel Ruhe und Geduld, kann ihnen aber einfach wahnsinnig viel vermitteln.“
Die Entwicklung zu verfolgen und damit auch ein Stück weit die eigene Arbeit zu belohnen, das hat für die Herderschülerin einen großen Reiz. „Besonders deutlich wird das bei den Spieltagen“, sagt die Vögelsenerin, „da ist es anfangs total chaotisch und wird von Begegnung zu Begegnung immer besser.“ Die Zeit, die sie in den Nachwuchs investiert, ist es ihr auch schon deshalb wert: „Man bekommt ganz viel zurück.“ Und das sehen wohl alle so.
Spaßfaktor motiviert die Jugend
Das Ehrenamt hat einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft Deutschlands – auch bei den jungen Menschen. Die Shell-Jugendstudie, eine empirische Untersuchung über die Einstellung, Werte, Gewohnheiten und das Sozialverhalten der Nachwuchsgeneration, die der Mineralölkonzern seit 1953 veröffentlich, gibt für 2019 an, dass 69 Prozent der Befragten zwischen zwölf und 25 Jahren angab, „oft oder gelegentlich für soziale oder politische Ziele oder ganz einfach für andere Menschen aktiv zu sein“. Eine Erhebung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ermittelte im selben Jahr die Motivation des Engagements: An erster Stelle nannten die Befragten dabei den Faktor „Spaß“, gefolgt von der Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten einzubringen. Antrieb ist zudem, etwas in der Gesellschaft bewegen zu können, dabei etwas Sinnvolles zu leisten. Wichtig ist vielen, selbstbestimmt zu sein (Dritter Engagementbericht Zukunft Zivilgesellschaft: Junges Engagement im digitalen Zeitalter, BMFSFJ, herausgegeben 2020).