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Qualität hat Vorfahrt

von Gastautor
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Pedelecs boomen, die Zuwächse steigen jährlich, Wachstumsraten von mehr als 30 Prozent konnte die Branche in den vergangenen Jahren stets verzeichnen. 2019 wurden gar 1,36 Millionen E-Bikes verkauft – rund jedes dritte Fahrrad. Wobei der Begriff in die Irre führt. Denn ein E-Bike ist versicherungspflichtig, darf nicht auf Radfahrwegen benutzt werden und kommt ohne Muskelkraft aus. Allerdings hat sich der Begriff als Synonym für die gesamte Gattung der Elektroräder etabliert.

Mit dem Thema vertraut machen

Aktuell sind viele Händler ausverkauft. Bis Nachschub und neue Modelle im Herbst kommen, bleibt vor allem für Anfänger Zeit, um sich mit dem komplexen Thema vertraut zu machen. „Einen ersten Überblick bieten die zahlreichen Informationsangebote im Internet, etwa von ADAC oder ADFC“, sagt René Filippek vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Zudem gäbe es mittlerweile eine ganze Reihe von Fachmagazinen zum Thema Elektrofahrrad, die gezielt auch Einsteiger ansprechen, weiß der Experte.

Preislicher Unterschied

Dass ein von einem E-Motor unterstütztes Fahrrad deutlich teurer ist als ein traditionell ausschließlich mit Muskelkraft angetriebenes, versteht sich von selbst. Der Durchschnittsverkaufspreis für ein normales Fahrrad liege bei 850, der für ein Pedelec bei etwa 2300 Euro, nennt Gunnar Fehlau Zahlen. Der Journalist vom Pressedienst Fahrrad (pd-f) gibt auch die Zeitschrift „Fahrstil“ heraus. Filippek zieht die untere Grenze mit 1800 Euro tiefer, warnt aber wie Fehlau gleichzeitig vor vermeintlichen Baumarktschnäppchen. „Davon sollte man die Finger lassen, wegen der mangelnden Qualität, und auch, weil hier der Ansprechpartner fehlt, wenn es nach dem Kauf ein Problem gibt.“ Und die kommen bei diesen Angeboten nicht selten vor.

Die rustikale Optik eines Mountainbikes mag vielen gefallen, aber nicht jeder benötigt eins.
René Filippek
Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club

Derjenige, der billig kaufe, der kaufe letztlich zweimal, betont Robin Schmitt. „Ein Auto kauft man ja auch nicht beim Discounter, sondern beim Fachhändler, der auch Ansprech- und Servicepartner ist“, sagt der Chefredakteur der Zeitschrift „E-Mountainbike“. Für solide Technik müsse man mindestens 2500, für ein voll gefedertes Modell eher gar 4000 Euro in die Hand nehmen. Schmitt rät, weitere 200 bis 300 Euro für Helm, Fahrradbekleidung und sonstiges Equipment mit einzuplanen.

Einsatzzweck klären

Nach dem Budget ist der Einsatzzweck zu klären. Wer mit dem Rad zur Arbeit fahren wolle, vielleicht sogar im Winter, oder eventuell eine Strecke mit langen Bergpassagen hat, der benötigt ein anders geartetes Pedelec, als wenn es im Sommer vielleicht drei-, viermal zum Biergarten gehen solle, skizziert Fehlau. Und Filippek ergänzt: „Die rustikale Optik eines Mountainbikes mag vielen gefallen, aber nicht jeder benötigt eines.“ Alltagsradlern und Berufspendlern könnte da ein ab Werk mit Beleuchtung, Schutzblechen und Gepäckträger ausgerüstetes Trekkingrad dienlicher sein.

Mittelmotor oder Nabenmotor

Abgesehen von diesen klassischen Entscheidungskriterien sollten aber auch die Komponenten, die das Elektrofahrrad vom herkömmlichen abheben, die Auswahl beeinflussen: also E-Motor und Akku. Mittelmotoren bieten die beste Performance, seien aber etwas teurer als Nabenmotoren, die wiederum konstruktionsbedingt bei steilen Anstiegen schnell an ihre Grenzen kommen, erläutert Schmitt.

Unterschiede auf Qualitäts- und Konzeptebene

Als mit Abstand bester Antrieb gilt heute der auch am häufigsten verbaute Mittelmotor, aber auch hier gibt es von Anbieter zu Anbieter deutliche Unterschiede in der Leistungscharakteristik. „Die Motoren unterscheiden sich weniger auf der Qualitäts- als auf der Konzeptebene“, sagt Fehlau. Man könne sich das ein bisschen vorstellen wie beim Auto. Wo eine Mittelklasselimousine vielleicht eher etwas behäbig Gas annehme, während ein Porsche überaus sensibel auf den Tritt aufs Gaspedal reagiere.

Kraft des Motors

Viele Motoren seien für den Einsatz im Mountainbikesport konstruiert, in einem Trekkingbike aber überfordere die Kraft eines solchen Motors die allermeisten Nutzer. Ähnliches gilt für den Akku. „Ein großer, leistungsstarker Akku mag mir zwar die Sicherheit vermitteln, nicht liegen zu bleiben“, sagt Schmitt. „Bin ich aber nur auf kürzeren Strecken unterwegs, werde ich die Kapazität dieses Akkus nie vollständig nutzen können, muss aber dennoch den Mehrpreis und das höhere Gewicht in Kauf nehmen.“

Expertise eines Fachmanns unerlässlich

Kurzum: Das auf dem Papier begeisterndste Pedelec kann dennoch das falsche sein, wenn man sich nur vom bunten Marketingsprech leiten lässt. Bei der Auswahl kann in der Regel ein Fachhändler helfen. „Nur der Händler kann meine Vorstellungen davon, was ich mit dem Rad anstellen will, in die entsprechende Technik übersetzen“, gibt Fehlau zu bedenken. Und die Probefahrt kann klären, ob man mit dem Gesamtpaket auch wirklich zurechtkommt. Auch für Schmitt ist die Expertise eines Fachmanns unerlässlich. rnd/dpa

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