Der erste Bewohner hat sich unvernünftigerweise bereits vom Acker gemacht: Außerhalb des kleinen Holzzauns, der das Naturschutzgebiet von der Umwelt trennt, summt er im wärmenden Sonnenschein emsig über dem Boden. „Eine Dunkle Erdhummel“, sagt Gudrun Bardowicks und freut sich über die zeitige Entdeckung.
Was dann folgt, ist möglicherweise auf Wikipedia nachzulesen, wahrscheinlicher aber nur in biologischer Fachliteratur zu finden: Alle Details, die das verhältnismäßig große Insekt im ganzen Umfang seiner Charakteristika beschreibt. Wer mit Gudrun Bardowicks unterwegs ist, der benötigt aber kein Nachschlagewerk. Der ist mit einem auf Tour.
Naturkundige Führungen
Seit gut 45 Jahren ist die Lüneburgerin im Nabu aktiv, bietet naturkundliche Führungen an den Bockelsberger Teichen, durch die Echemer Marsch, rund um Volgershall, aber eben auch durch die Orchideenwiesen im Elfenbruch. Der Elfenbruch – das ist ein ganz besonderes Fleckchen Erde am Hasenburger Bach: Ein Naturschutzgebiet auf städtischem Grund, das sich im Frühsommer in ein lila-weißes Farbenmeer verwandelt und unzählige mitunter seltene Arten der Flora und Fauna beheimatet. Auch die Dunkle Erdhummel.
Der Lauf des Lebens
Die ist zwar auf keiner Roten Liste verzeichnet, dafür aber der noch wechselhaften Witterung ausgesetzt: „Sie fliegt schon Anfang März, eher als jede Honigbiene“, sagt Gudrun Bardowicks, „und ist für die Befruchtung frühblühender Bäume und Sträucher wichtig.“ Nur die befruchteten Königinnen überwintern, in Baumhöhlen, Mauselöchern oder unter trockenem Laub, alle anderen Staatsangehörigen sterben noch vor der kalten Jahreszeit. Das ist eben der Lauf des Lebens – und der lässt sich hinterm Zaun noch viel besser erfahren.
Ein spezieller Lebensraum
Ein Schild macht die Besucher hier auf die Schutzbedürftigkeit der Landschaft aufmerksam, ihre Einzigartigkeit erfährt dieser aber erst durch die Expertin: Seit Mai 2000 ist Gudrun Bardowicks Teil einer besonderen Arbeitsgemeinschaft der Kreisgruppe Lüneburg im Naturschutzbund Deutschland und kümmert sich um den Elfenbruch, den die meisten Städter gar nicht kennen. „Es handelt sich hierbei um ein Feuchtwiesen- und Orchideengebiet, das durch die Unterstützung von Mensch und Tier mittlerweile wieder zu dem geworden ist, was es früher schon einmal war: ein ganz spezieller Lebensraum.“
Vielfalt von einzigartigen Pflanzen
Feuchtwiesen seien Kulturlandschaften, erklärt die Fachfrau, und meist durch das Abholzen von Auwäldern entstanden. Die dadurch angelegten Wiesen dienten vor allem der Einstreugewinnung für Viehställe – und böten dadurch einer Vielfalt einzigartiger Pflanzen und Tiere ein Zuhause. „So können sich beispielsweise auch die Orchideen nur an solchen Orten ansiedeln, die viel Licht und deren Boden besondere Pilze bieten“, erklärt Gudrun Bardowicks. Werde die Wiesennutzung jedoch aufgegeben, entstehe im Endstadium wieder ein Bruchwald. Die Knabenkräuter verschwänden. Und mit ihnen vieles andere auch.
Schafherde hilft beim Pflegen
Deshalb hat es sich der Nabu schon vor vielen Jahren zur Aufgabe gemacht, den Elfenbruch zu pflegen, zum Einsatz kommt dabei auch eine kleine Schafherde. „Die frisst, was ihr am besten schmeckt, hält den Bewuchs auf der Wiese klein“, sagt die ehrenamtlich engagierte Lüneburgerin, „was nicht auf ihrem Speiseplan steht, wird verschont, anschließend von uns entfernt.“ Und aus dem Elfenbruch geschafft. Denn was nicht liegenbleibt, kann auch keine Nährstoffe abgeben – und auch das ist für die dortige Flora wichtig.
Mit offenen Ohren
Ein einzigartiger Pflanzenreichtum hat sich dadurch gebildet, der wiederum vielen Tieren Nahrung, Schutz und Entwicklungsspielraum bietet. Besonders den Insekten, aber auch Amphibien sowie zahlreichen Vogelarten. Von denen lassen sich zwar nicht viele blicken, dafür aber hören. Und das reicht einer Expertin wie Gudrun Bardowicks.
Ob es die Blaumeise ist mit ihrem typischen Gesang, einer Abfolge von einigen hohen Tönen und einem tiefen Triller, oder das Rotkehlchen, das ebenfalls im Sopran startet und in einer „perlenden“ Strophe endet, oder der Grünfink, der ähnlich einem Kanarienvogel trällert und pfeift: Die Lüneburgerin kennt und erkennt sie alle.
Kanadagänse wurden gezielt ausgesetzt
Das ist bei den Kanadagänsen im benachbarten Hasenburger Teich auch dem Laien möglich: Die zeigen sich zumindest. Ursprünglich stammten diese aus Nordamerika, erklärt die Fachfrau, seien in Europa aber unter anderem gezielt ausgesetzt worden, um den Jagdwildbestand zu erhöhen. Ein großer Teil der besonders in Nordeuropa vorkommenden Bestände seien zudem auf Gefangenschaftsflüchtlinge zurückzuführen.
Auf Futtersuche
Wo das emsige Paar am kleinen Lüneburg See seinen eigentlichen Ursprung hat, weiß Gudrun Bardowicks nicht, dafür kann sie aber auch einiges zu den beiden stattlichen Vögeln in deren Nachbarschaft erzählen: Ein Silber- und ein Graureiher haben sich dort angesiedelt. „Die brüten hier zwar nicht“, sagt Gudrun Bardowicks, „suchen aber regelmäßig Futter.“ Und das in der Regel gemeinsam: „Quasi wie in einer kleinen WG“, sagt sie und lacht.
Laichballen im Tümpel
Die Entdeckung im nahegelegenen kleinen Tümpel sorgt indes eher für Beunruhigung: Eine Ansammlung von Laichballen entdeckt die Nabu-Mitarbeiterin dort. Die müssen unbedingt umgesiedelt werden. Der Grasfrosch, der dort die Grundlage für die Zukunft abgelegt hat, sei früher die häufigste Amphibienart gewesen. Das hat sich geändert. Weil aufgrund der trockenen Sommer immer mehr Feuchtgebiete austrockneten, aber auch die Entwässerung stetig zunähme, sei ihr Bestand gefährdet. Und nicht nur ihrer.
Themen für den Nabu
Klimawandel, Agrargifte und Überdüngung in der Landwirtschaft: Das sind die Themen, die den Nabu umtreiben und deren Auswirkung Gudrun Bardowicks auch im Elfenbruch beobachtet hat. „Wenn die Insektenpopulationen abnehmen, hat das unter anderem auch Folgen für die Zahl der Vögel.“ Und das sei schon längst zu spüren.
Durch die Arbeit ihrer Projektgruppe lasse sich das natürlich nicht stoppen, ist sich die Lüneburgerin bewusst, andere Entwicklungen schon: Seitdem der Nabu vor 22 Jahren seine Tätigkeit am Hasenburger Bach aufgenommen hat, konnte er erhebliche Erfolge für das Breitblättrige Knabenkraut erzielen. So hat sich die Anzahl der Orchideen von damals 400 auf zeitweise 4000 erhöht. Ein Blütenmeer.
Anmelden für Führungen
Und das können auch Gäste in diesem Jahr wieder erleben: Am 7. Mai führt Gudrun Bardowicks durch den Elfenbruch. Treffpunkt ist um 15 Uhr am Parkplatz bei den Containern gegenüber der Hasenburg am Hasenburger Weg. Anmeldungen unter: Tel. 04131/46293 oder 0152/59738470. Weitere Veranstaltungen unter: nabu-lueneburg.de/termine.