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Pommes selbst züchten

von Ute Lühr
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Klar ist: In einem Kindergarten wachsen keine Kinder. Und trotzdem hat der Begriff doch einen Bezug zur Flora. Wie eine Pflanze solle der Nachwuchs dort gehegt und gepflegt werden, das zumindest war der Ansatz vom Thüringer Pädagogen Friedrich Fröbel, der als Schöpfer dieser mittlerweile auch international genutzten Bezeichnung gilt. Inzwischen nehmen manche Einrichtungen die Vision beim Wort, kultivieren in ihrem Kindergarten einen eigenen Garten – die DRK-Kita „Wurzelwerk“ in Melbeck macht das schon lange.

Eigener Garten im Kindergarten

Seit mittlerweile zehn Jahren geht Karin Schmedt dort regelmäßig mit dem Nachwuchs hinters Haus, um sich der Arbeit an zwei großen Hochbeeten für Obst und Gemüse, zahlreichen kleineren für Kräuter sowie einer Menge Beerensträucher zu widmen. „Viele Kinder haben heutzutage ja gar keinen Bezug mehr zur Natur“, sagt die Erzieherin, „die Lebensmittel kommen aus dem Supermarkt, werden meist gar nicht mehr geschätzt. Wie viel Arbeit hinter unserer Nahrung steckt, wird oft gar nicht mehr erfahren. Das wollten wir ändern.“

Säen, setzen, pflücken und ernten

Deshalb überlegte sich die Einrichtung damals das neue Projekt, verankerte dieses auch in ihrem pädagogischen Konzept – und fand in Karin Schmedt schnell eine verantwortliche und kompetente Person: „Ich bin im Wendland mit einem großen Garten aufgewachsen“, sagt sie, „da ist mir doch vieles durchaus vertraut.“ Einen Nutzen hat davon jetzt der Nachwuchs, denn der kann von der Expertise profitieren: „Wir säen und setzen, züchten und trocknen, pflücken und ernten – je nachdem, was wir bekommen.“

Mal sind das Pflanzkartoffeln, die auf der Fensterbank zum Keimen liegt, mal sind es Erbsen, Kohlrabi oder Paprika, die von den Eltern vorgezogen wurden, mal sind es Tomaten oder Kürbisse, die in den Töpfen wachsen sollen oder Karotten und Kapuzinerkresse. Diese ganz besonders gerne.

Aus dem Garten auf dem Frühstückstisch

„Die bunten Kapuzinerblüten werden von den Kindern innig geliebt“, weiß die Erzieherin, „nicht nur aufgrund ihrer schönen Farben.“ Gezupft landen sie als Dekoration auf dem kleinen Frühstücksbuffet, verarbeitet in der Kräuterbutter, und die gibt es dann zu Pellkartoffeln oder auf Brot. Meist letzteres, denn Erdäpfel, das ist in der Kita „Wurzelwerk“ eigentlich klar, erfahren nach Meinung der kleinen Gärtnerinnen und Gärtner bevorzugt nur eine ganz bestimmte Verarbeitungsform: Pommes.

Kartoffeln und Erdbeeren sind beliebt

Einen ähnlich hohen Beliebtheitsgrad wie diese genießen in der Einrichtung sonst nur noch die Erdbeeren, und das sieht auch Lorenz so. Der Sechsjährige geht gern und häufig mit Karin Schmedt in den Kinder-Garten, denn letztlich hat auch er ausreichend Erfahrung: „Wir haben Zu Hause nämlich auch einen“, erzählt er, „und da wächst vieles.“ Ganz genau sind das ein Apfel- und ein Pflaumenbaum, vier Kirsch- und zwei Birnenbäume, zudem Johannisbeersträucher und Rhabarber, Narzissen und Krokusse, aber leider keine Kastanie und auch keine Haselnuss. „Die sind nichts geworden.“

Kleine Hacken, Schaufeln und jede Menge Gießkannen

Ist nicht weiter schlimm, denn Lorenz hat seine Präferenz ohnehin bereits verteilt: Kirschen und Erdbeeren – oder Erdbeeren und Kirschen, über die Nuance der Abstufung ist er sich noch nicht ganz so sicher. Erdbeeren pflücken gehört aber definitiv zu seinen liebsten Beschäftigungen hinterm Kita-Haus, wo eigens ein weiß gestrichener hölzerner Werkzeugschrank mit kleinen Hacken und Schaufeln sowie jede Menge bunte Gießkannen auf die kleinen Gärtner warten.

Mit allen Sinnen erleben

Und das sind immer wieder andere, wie Karin Schmedt erklärt: „Wir machen morgens einen Kreis, bei dem die Kinder gefragt werden, wer an diesem Tag mitmachen möchte.“ Entscheiden kann das jeder für sich. Der Mehrwert des gemeinsamen Engagements liegt für die Erzieherin auf der Hand: „Bei unserer Arbeit im Garten lernen die Jungen und Mädchen zum einen den Lauf der Jahreszeiten kennen, erfahren, wie sich die Pflanzen aus einem kleinen Samenkorn entwickelt. Sie können alles mit allen Sinnen erleben, beobachten und riechen, schmecken und fühlen. Das ist viel Wert.“

Lebensmittel schätzen lernen

Und von Wert seien noch andere Aspekte: „Sie übernehmen Verantwortung, testen gemeinsam aus, was sie sonst vielleicht nicht probieren, lernen, die Lebensmittel zu schätzen.“ Die Pflege der Beete fördere Konzentration und Ausdauer, der gärtnerische Erfolg beflügle das Selbstbewusstsein – alles in allem ein Gewinn für die Einrichtung.
Eigentlich für jede andere auch. Das zumindest meint Gabriele Fast-Rietzler, Erzieherin in der Kita Gipfelstürmer am Sportpark Kreideberg. 

Mit einem umfangreichen Konzept ist die sportgeprägte Kindertagesstätte dort vor zweieinhalb Jahren an den Start gegangen, Teil ihrer Ausrichtung ist aber auch die Ganzheitlich- sowie Nachhaltigkeit. Und dafür soll ein eigener Garten nahe des in Bau befindlichen neuen Gebäudes auf dem MTV-Gelände entstehen. „Es ist einfach wichtig, dass die Kinder wieder mehr Zugang zur Natur bekommen. Gerade solche, die in der Stadt aufwachsen“, meint die Bardowickerin.

Kinder-Garten als Bildungsort

Deshalb hat sie sich gemeinsam mit der Kitaleiterin um Perspektiven und Expertisen gekümmert und die auch gefunden: Unterstützt durch die Bildungsprogramme des Vereins Acker aus Berlin sollen auch beim Sportpark künftig kleine Hände in der Erde graben und pflanzen, was später dort auch gegessen wird –eine Idee, die andernorts bereits umgesetzt wurde: In Hunden bei Winsen an der Luhe wurde jetzt auf 5000 Quadratmeter ein KinderGarten angelegt. Auf dem großzügigen Areal werden bald Streuobst und Wildblumen wachsen, eine Kräuterschnecke und Hochbeete entstehen, aber auch Nistkästen und Schautafeln errichtet werden. Ein Bildungsort, der dem Nachwuchs die Natur wieder näherbringen und zeigen soll, wie wichtig Naturschutz ist.

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