Sie verändert Herzschlag und Blutdruck, hat Folgen für Atemfrequenz und Muskelspannung, beeinflusst Nebenniere und Hypophyse. Stress wird abgebaut, das Gedächtnis gestärkt, mitunter sogar Schmerz reduziert. Für Schlagerstar Lena Valeitis ist Musik auch deshalb eine Allzweckwaffe „gegen jedes Zipperlein“. Für Iris Torp ist sie noch mehr: ein Heilmittel für die Seele. Seit Anfang vergangenen Jahres hat sich die Lüneburgerin deshalb mit einer eigenen Therapiepraxis selbstständig gemacht, will besonders durch den Einsatz von Instrumenten, durch Ton und Klang, anderen helfen, in Krisensituationen – aber auch zu alltäglichen Gelegenheiten – Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern, zu stabilisieren. Ein ärztliches Rezept gibt es für ihre Angebote nicht, eine intensive persönliche Begleitung in ihren Stunden schon.
„Wer zu mir kommt, muss nicht musikalisch sein, muss auch kein Instrument spielen können“, erklärt die gelernte Erzieherin, „das ist keine Voraussetzung.“ Vielmehr dienten Triangel und Gong, Akkordeon und Zungentrommel, Klanghölzer oder Ocean Drum zum musikalischen Dialog, mithilfe dessen Emotionen geäußert oder Worte ersetzt werden können. „Da werden dann laute oder leise Töne angestimmt, um Stimmung und Gefühle hörbar zu machen, und allein das kann schon sehr heilsam sein.“
„Leiborientierte Musiktherapeutin“ nennt sich Iris Torp entsprechend ihrer dreijährigen Ausbildung, die sie neben ihrem Beruf als pädagogische Mitarbeiterin der Schule am Sandberg absolviert hat. „Studieren lässt sich dieser Bereich auch“, sagt sie, „ich habe mich aber bewusst für diesen anderen Weg entschieden.“ Ein Weg, der ihr irgendwann ganz konsequent erschien: „Musik beherrscht mein Leben, sie hat mich geprägt, mir immer geholfen. Diese Möglichkeit wollte ich auch anderen eröffnen.“
Seit ihrer Kindheit spielt die gebürtige Dannenbergerin ein Instrument, anfangs Akkordeon, später dann zudem Saxofon, was der Großvater ihr kaufte und auch den Unterricht finanzierte. Für einige Zeit war sie Mitglied der Lüneburger Band „Somebody & Soul“, macht jetzt noch mit einem Gitarristen Musik. „Aber hauptsächlich noch für uns“, wie sie betont. Dem Saxofon ist sie aber nicht nur in ihrer Freizeit, sondern auch beruflich treu geblieben, unterrichtet seit vielen Jahren den Nachwuchs der Bläserklassen an Herderschule und in Oedeme in diesem speziellen Bereich. Das macht ihr Freude, gibt ihr ein gutes Gefühl. So wie die Therapie.
Die Musik ist der Spiegel unserer Emotionen und schafft Zugang zu unserer Seele.Iris Torp
„Beim gemeinsamen Musizieren entsteht einfach eine gewisse Verbundenheit“, erklärt Iris Torp, „allein das kann schon sehr glücklich machen.“ Deshalb müssen auch nicht nur solche Klienten den Weg zu ihr finden, die möglicherweise in schwierigen Lebensphasen sind. „Man kann sich durch Musiktherapie auch einfach selbst etwas Gutes tun“, weiß sie aus eigener Erfahrung, „sich aber eben auch sehr gut helfen lassen, wenn es notwendig ist.“ Und das hat sich bewährt.
„Die Musik ist der Spiegel unserer Emotionen und schafft Zugang zu unserer Seele. Und da setzt die Therapie auch an.“ Mit Hilfe von Klang und Ton – aber auch anderen kreativen Mitteln wie Farbe oder Papier – ergebe sich die Möglichkeit, belastende, einschränkende oder krankmachende Faktoren aufzuspüren und zu verändern. „Und bei der leiborientierten Musiktherapie wird der ganze Körper miteinbezogen und ins Erleben gebracht.“
Wer den Weg zu Iris Torp findet, führt als erstes ein Gespräch – wenn dies denn möglich ist. „Ich möchte zunächst herausfinden, warum der Klient oder die Klientin zu mir kommt, ob er oder sie sich grundsätzlich einfach etwas Gutes tun will oder aber psychische Beschwerden hat.“ Das können Depressionen oder Verhaltensauffälligkeiten sein, Konzentrationsprobleme oder Aggressionen: „Die Symptome sind sehr vielfältig.“
Manchmal seien aber auch keine Worte möglich, dann biete eben gerade die Musik eine Chance für einen Dialog. Der Klient dürfe sich ein Instrument auswählen und sich daran probieren, ein Geräusch erzeugen oder einen Ton spielen, einen Akkord, wer kann, auch mehr. „Dabei – oder noch besser: dadurch – kann man Dampf ablassen und Gefühle äußern. Einsamkeit oder Traurigkeit oder auch einfach den Eindruck, nicht gesehen zu werden.“
Gerade solche Menschen beispielsweise könnten sich durch den Einsatz von Musik hörbar machen. „Da geht es dann auch um das Thema Resonanz, also die Frage, was eigentlich bei einem selbst ankommt. Auch dazu sind viele Instrumente ja perfekt geeignet, da sie schwingen und einem dadurch eine Reaktion geben, es kommt eben wieder etwas zurück, und allein das kann manchmal schon helfen.“
Letztlich spielt der Klient in der Regel aber gar nicht allein, sondern im Dialog: „Ich reagiere ebenfalls mit Hilfe eines Instrumentes auf die Töne, die gespielt werden“, erklärt Iris Torp, „und dadurch kommen wir in einen musikalischen Dialog.“ Der findet aber soweit möglich auch verbal statt: „Ich biete hier einen sehr geschützten Raum für Gespräche, im Laufe derer sich häufig Einsichten und Erkenntnisse ergeben, die für eine mögliche Veränderung in belastenden Lebensphasen und Situationen von großer Bedeutung sein können.“
Wie lange ein solcher Prozess dauert, hängt von vielen Faktoren ab. „Letztlich kann aber ja jeder selbst entscheiden, wie oft und wie lange er zu mir kommen möchte“, sagt die Lüneburgerin, „denn die Behandlung erfolgt eben ohne Rezept.“ Dieses ist indes für Anwendungen in einer Rehabilitations- oder psychiatrischen Klinik erforderlich, denn auch dort ist die musikalische Therapie auf dem Vormarsch, denn sie kann das, was der Schriftsteller und Politiker Victor Hugo immer schon wusste und Iris Torp sich deshalb zum Motto gemacht hat: „Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.“
