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Versuch macht kluch

von Ute Lühr
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Mandeln, Ingwer, Feigen oder Oliven aus Baden-Württemberg oder Bayern, dazu ein leichter Weißwein aus Sylt: Vieles, was bisher den Geruch und Geschmack Südeuropas in sich trug, könnte in absehbarer Zeit auch in Deutschland angebaut werden. Oder wird es bereits. Melonen machen da keine Ausnahme. Immer mehr Landwirte experimentieren angesichts des fortschreitenden Klimawandels mit exotischen Früchten, schaffen sich neue Existenzgrundlagen und dem Verbraucher eine größere Sortenvielfalt aus heimischer Erzeugung. Bantje Blanck ist auf den Zug aufgesprungen.

Vielfalt auf den Äckern wächst

Vor drei Jahren hat die junge Frau nach dem frühen Tod ihres Vaters dessen Hof in Oerzen übernommen, betreibt das Wirtschaftsunternehmen gemeinsam mit ihrem Mann. Der stammt aus Bardowick und hat Erfahrung im Gemüseanbau. Gurken und Brokkoli, Sellerie und Porree, Kartoffeln und Wurzeln, Erbsen und Bohnen, Zucchini und Salat sowie jede Menge Kohl: Die Vielfalt auf den Äckern rund um die kleine Gemeinde vor den Toren Lüneburgs ist groß. Und soll weiter wachsen. Bantje Blanck experimentiert.

Wassermelonen auf dem Feld

„Im vergangenen Jahr habe ich mich erstmals an Wassermelonen probiert, weil mein Sohn die so gerne isst“, sagt die 26-Jährige. Der Erfolg war ernüchternd: Lediglich zwei eher mäßig große Exemplare konnte die gelernte Landwirtin ernten – eins war noch nicht reif, das andere innen hohl. Sie resümiert: „Entweder war der Standort nicht gut oder ich habe nicht genügend gewässert, zudem hat auch der ganze Pferdemist, in den ich die vorgezogenen Pflanzen gesetzt habe, wohl nichts gebracht.“ Sie gibt nicht auf.

In diesem Jahre hat sie einen anderen Ort für die Früchte gewählt und auch andere Sorten genommen. Kernarme rotwangige Wassermelonen sollen im August in voller Pracht auf dem Feld liegen – wenn sie sich denn noch entwickeln: „Im Frühjahr habe ich die Pflanzen wohl zu spät ausgesetzt“, befürchtet sie, „die kämpfen noch.“

Eine Tonne Wassermelonen in Bienenbüttel

Andernorts ist man da schon weiter: Auf seinem Hof in Bienenbüttel baut Benjamin Rickert seit einiger Zeit die große grüne runde, aus Afrika stammende Nutzpflanze an – und kann schon erste Erfolge vermelden. Allein im vergangenen Jahr hat er eine Tonne geerntet, ein ordentlicher Ertrag, denn optimal war die Witterung 2021 nicht. Es fehlte die Wärme, war zudem sehr feucht, was den Wuchs der Wildkräuter stark beförderte, das machte den kleinblättrigen Früchten ein wenig zu schaffen.

Rund 90 Sorten Gemüse

Das Projekt Wassermelone ist aber ein erfolgreiches und ergänzt auf ideale Art das Angebot des Betriebs, der mittlerweile komplett auf ökologische Wirtschaftsweise umgestellt hat: „Es ist wesentlich effektiver, mit einer Fuhre der verschiedenen Produkte wenige Läden anzusteuern, als mit wenig Auswahl viele“, sagt der 40-jährige Landwirt, der seine Erzeugnisse primär in den Bio-Geschäften sowie vereinzelt auch in den Supermärkten der Region anbietet. Deshalb gibt es über das Jahr gesehen auch rund 90 Sorten Gemüse auf den Feldern. Das kommt bei den Kunden gut an.

Das weiß auch Bantje Blanck. Die versucht sich derweil zudem mit anderen Erzeugnissen: Knoblauch ist auch dabei. „Der Anbau an sich ist nicht schwierig“, sagt die 26-Jährige, „es ist eher die viele Handarbeit, die fordert.“ Die kleine krautige Pflanze präferiert warme und lockere Böden in sonniger Lage – vorzugsweise mit ein wenig Wind, denn das vertreibt die Knoblauchfliege, den größten Feind des delikaten, scharf-aromatischen Zwiebelgewächses.

Foto: nh/tonwert21.de

Ich sehe mir gern die Saatgut-Kataloge durch und stoße dort regelmäßig auf neue Abwandlungen, das animiert. Man wächst mit seinen Aufgaben.
Bantje Blanck, Landwirtin

 

Das wird im Herbst oder Frühjahr etwa zwei bis drei Zentimeter tief in die Erde gebracht, „jeweils als einzelne Zehe, in die die Knolle zuvor unterteilt wird“, erklärt die experimentierfreudige Landwirtin. Bis Ende Mai hat der Knoblauch seine Hauptwachstumsphase, ab Ende Juni verfärben sich Laub und Stängel von Grün nach Gelb. Sobald zwei Drittel diese Farbe angenommen hat, sollte das Gewächs aus dem Boden genommen und bestenfalls für ein paar Tage hängend trocken und schattig gelagert werden. „Dann kann er sechs bis acht Monate lang halten.“

Flower Sprout

Ist Knoblauch mittlerweile als heilsame Wunderpflanze bekannt, muss sich eine andere Pflanze ihren Ruf erst noch erarbeiten – schließlich ist sie noch ganz neu auf dem Markt, auf den Feldern von Bantje Blanck aber auch zu finden: Flower Sprout. „Flower Sprout ist eine Kreuzung aus Grün- und Rosenkohl und ein typisches Wintergemüse“, sagt die Mutter, „und wird gekocht, gebraten und sogar roh verwendet.“

Die Röschen mit den gekräuselten, grünen bis lilafarbenen Blättern sind eine britische Neuzüchtung, schmecken leicht nussig und dabei deutlich milder als ihre engen Verwandten, aus deren Komposition sie entstanden sind. „Ihre Verwendung ist vielfältig und lässt Spielraum für Experimente“, sagt die Landwirtin: Ob als Beilage zu Fisch oder Fleischgerichten, überbacken als Auflauf oder mit anderen Gemüsesorten als Eintopf zubereitet, ob als Ergänzung zu Pasta oder Reis oder auch im Wok: Die kurze Garzeit macht vieles möglich.

Vielfältige Gerichte

„Essen kann man die kleinen Röschen aber auch als Salat“, so Bantje Blanck. Dazu wird der Flower Sprout nur kurz blanchiert, damit er seine Farbe behält, und dann mit Tomaten oder Radieschen und vielleicht auch mit süßlichem Obst und einem Dressing aus Essig und Öl serviert. Sie selbst bereitet die Neuzüchtung am liebsten gedünstet zu, mit Sahne, Chili und Knoblauch aus eigenem Anbau. Ab Oktober wird das Gemüse wieder das Angebot ihres Mannes auf dem Wochenmarkt ergänzen – ein anderes könnte dort schon bald zu finden sein: Gurken der anderen Anbauart.

Foto: nh/tonwert21.de

Gurken an der Scheunenwand

„Ich habe einfach mal die hängende Variante ausprobiert“, sagt die 26-Jährige, „bei der man sich nicht die Mühe machen muss, die einzelnen Früchte hochzubinden.“ An der Scheunenwand hat sie die Pflanzen in verschiedenen Töpfen ausgesät, mittlerweile sind die Mini-Exemplare auch schon fast erntereif – sie werden nicht das letzte Experiment bleiben: „Ich sehe mir gern die Saatgut-Kataloge durch und stoße dort regelmäßig auf neue Abwandlungen“, sagt Bantje Blanck, „das animiert.“ Als nächstes will sie sich mit einer neuen Art der Paprika versuchen – Rückschläge nicht ausgeschlossen. „Man wächst mit seinen Aufgaben“, sagt sie.

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