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Heilung aus dem Garten

von Cécile Amend
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In ihrem Interesse an Kräutern und Heilpflanzen ist Renate Trautvetter eine Spätblüherin – dafür gedeiht sie umso intensiver. Ihre Eltern hatten einen kleinen Garten mit Obstbäumen, doch die junge Frau erwärmte sich eher für Finanzen als Flora, ließ sich in Hannover zur Finanzbeamtin ausbilden. Erst nach ihrer Hochzeit, nach dem Umzug ins Reihenendhaus im schleswig-holsteinischen Bargfeld-Stegen und der Geburt ihrer beiden Kinder erwuchs die Liebe zu Kräutern und deren Wirkungen. 

Selbst hergestellte Heilsalben und -tees

Der erste eigene Küchengarten, die ersten selbst hergestellten Heilsalben und -tees, um die Wehwehchen ihres Nachwuchses zu kurieren. Heute lebt Renate Trautvetter als Konventualin im Kloster Lüne und wandelt auf Hildegard von Bingens Spuren. Neben den täglichen Führungen hat jede der acht Konventualinnen, die dort mit der Äbtissin Freifrau Reinhild von der Goltz leben, je nach Neigung weitere Aufgaben. „Wir halten das Kloster öffentlich zugänglich und bewahren das Gebäude mit seinen wertvollen Kunstschätzen“, sagt Renate Trautvetter.

Wissen um Pflanzen und ihre Wirkungen

Ihr Terrain ist der Klostergarten, in dem sie sich ein ungeheures Wissen um Pflanzen und ihre Wirkungen auf den Menschen zugelegt hat. Als sie 2012 ins Kloster kam, kannte sie gerade mal die Hälfte der 72 dort wachsenden Kräuter. Heute ist die Pflanzenfreundin auch mit allgemein weniger bekannten Stauden wie beispielsweise dem Echten Herzgespann auf Du und Du. Gemeinsam mit der Konventualin Gabriele von der Decken baut sie sogar wieder Färbepflanzen an, mit denen die Nonnen früher die Wolle für die kunstvollen Teppiche kolorierten – wie Färberkrapp für ein tiefes Rot, Goldrute für ein goldiges Gelb und Färberwaid für ein königliches Blau. 

Bildteppiche und Banklaken

Das Kloster verfügt über eine bedeutende Sammlung sakraler Textilien aus sieben Jahrhunderten. Zu den ältesten gehören gestickte Altar- und Fastentücher aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Beeindruckend sind ebenfalls die großformatigen, farbigen Bildteppiche und Banklaken, gestickt um 1500. Auch die einzigartigen Prozessionsfahnen in Temperamalerei aus den Jahren um 1410 werden hier gezeigt. „Einige Banklaken wurden sogar schon im J. Paul Getty Museum in Los Angeles in der Schau ,Medieval Beasts‘ (engl. für mittelalterliche Bestien) ausgestellt, weil viele mit Tierfiguren geschmückt sind, Löwen zum Beispiel“, erklärt Renate Trautvetter, „die sahen zum Piepen aus. Die Nonnen kannten ja keine Löwen.“

Besuch im Garten

Heute werden im Kloster Lüne keine Teppiche mehr hergestellt, ein Besuch des Gartens sei dennoch jedem ans Herz gelegt. „Ich sehe hier häufig Besucher, die einfach nur die Ruhe, das Plätschern der Fließrinne und das Vogelgezwitscher genießen“, sagt Renate Trautvetter, „ich bin am liebsten hier, wenn die Benediktinerglocke läutet und keine Besucher mehr da sind. Das ist eine meditative Stimmung.“

 

Für die PRISE hat Renate Trautvetter die Geschichte des Klostergartens aufgeschrieben:

Bereits in biblischen Zeiten wurden Gärten angelegt. Als Pflanzen der Bibel kennen wir aus dieser Zeit den Feigenbaum, die Dattelpalme, den Granatapfel, den Olivenbaum, Wein und Weizen. Zu den beschriebenen Nutzpflanzen zählen auch viele Heilkräuter und Gewürze: Echte Aloe, Lein oder Flachs, Myrrhe, Weihrauch u. a. Auch das Kloster Lüne wird seit dem Mittelalter Gärten zur Ernährung und auch für Kräuterpflanzen zum Heilen bei Krankheiten und zum Würzen der Speisen gepflegt haben. Leider gibt es darüber keine Unterlagen.

Dokumente über einen Garten am Kloster Lüne finden sich erst zu der Mitte oder gegen Ende des 18. Jh. Ein Vertrag vom 25. Juli 1771 nennt den Gärtner Heinrich Schröder, der die Gärten instand halten sollte. Erst ein Plan aus dem Jahr 1800 zeigt das Kloster Lüne und seine Gärten. Auf dem Plan von 1800 ist weiterhin ein „kleiner Küchenkarten“ zu erkennen, der direkt am Küchengebäude gelegen ist. Hier wurden wohl häufig benötigte Kräuter gezogen, denn in diesem Areal herrscht ein mildes, warmes Kleinklima, da der Garten fast von allen Seiten von Gebäuden umgeben ist. 

Hier wurde im Jahr 1989 ein Kräutergarten nach mittelalterlichem Vorbild angelegt. Bis zu dieser Zeit hatte eine Konventualin dieses Areal als ihren Privatgarten genutzt. Der heutige Kräutergarten ist nach dem Muster eines traditionellen Klostergartens mit unterschiedlichen Beeten gestaltet, die jeweils mit kleinen Buchsbaumhecken teilweise eingefasst sind. Sein Grundriss ist annähernd quadratisch, die Seitenlängen betragen etwa 15 Meter. Damit ähnelt er in Lage und Eigenschaft den Atriumgärten antiker Häuser und mittelalterlicher Klosteranlagen. Der heutige Kräutergarten wurde von dem Garten- und Landschaftsbaubetrieb Helmrath in Lüneburg in Zusammenarbeit mit dem Konvent des Klosters und der Bauabteilung der Klosterkammer Hannover entworfen und angelegt.

Diagonal durch die Gartenanlage verläuft ein Fließgerinne, das in früherer Zeit auch der Wasserversorgung des Klosters diente. Es entspringt den Quellen des Kloster-Mühlenteichs am östlichen Hang und mündet in die Ilmenau. 

Obwohl keine Aufzeichnungen vorliegen, ist anzunehmen, dass der heutige Kräutergarten in etwa dem historischen Standort entspricht, der sich üblicherweise in der Nähe der Küche (beim Sommerremter) und der Krankenstation (Siechenhaus) befand. Sowohl die Küche als auch die Krankenstation benötigten die verschiedenen Heil- und Küchenkräuter zur Zubereitung von Arzneien und Speisen. 

Nach dem ersten Weltkrieg wurde die gemeinsame Küche aufgelöst. Das Siechenhaus wurde zum Wohnraum für Konventualinnen und so verlor auch der Kräutergarten seine Bedeutung. Wie jedoch Aufzeichnungen des Klosterarchivs belegen, wurden bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts verschiedene Arzneimittel, deren Rezepturen noch vorhanden sind, im Kloster hergestellt und vertrieben. So kann man davon ausgehen, dass der Kräutergarten des Klosters Lüne einst eine große Bedeutung für die Herstellung von Arzneimitteln für die ganze Region hatte.

Rosmarin

lat.: Rosmarinus officinalis

Rosmarin wurde als Heilpflanze in mittelalterlichen Klostergärten angebaut und galt und gilt als eines der wichtigsten verdauungsfördernden Gewürze. Er ist häufig Bestandteil von appetitanregenden Teemischungen. Das ätherische Öl hilft bei schmerzstillenden Einreibungen. Als Badezusatz wirkt es blutdrucksteigernd und kreislaufstimulierend. In der Küche ist Rosmarin ein intensives Gewürz für mediterrane Gerichte wie beispielsweise Lamm, Fisch, Geflügel und Suppen. Rosmarinzweige schmecken auch in Würzölen und Kräuterlikören.

Foto: nh/tonwert21.de

Thymian

lat.: Thymus vulgaris

Thymian wird als Tee bei Entzündungen der oberen Luftwege getrunken. Der Extrakt ist Bestandteil von zahlreichen Hustenmitteln, das ätherische Öl von Mundwässern, Zahncremes, Erkältungsbalsamen und Rheumasalben. In der Küche wirkt Thymian verdauungsfördernd und bereichert Fleisch- und Kartoffelgerichte, Suppen und Saucen. Das Kraut ist Rohstoff für die Likörindustrie. 

Foto: nh/tonwert21.de

Baldrian

lat.: Valeriana officinalis

Baldrian wirkt beruhigend und wirkt als Tee und Tinktur bei nervöser Erregung, Einschlafstörungen und nervös bedingten Organbeschwerden. Extrakt und Tinktur finden sich in vielen Präparaten und Badezusätzen gegen Unruhe und Konzentrationsstörungen.

Foto: nh/tonwert21.de

Großer Sauerampfer

lat.: Rumex acetosa

Sauerampfer wirkt appetitanregend, leberstärkend, harntreibend und blutreinigend. Die Volksheilkunde verwendet frische Blätter als Salat zu Frühjahrskuren. In der Küche: Sparsam verwenden durch den hohen Gehalt an Oxalsäure.

Foto: nh/tonwert21.de

Weinraute

lat.: Ruta graveolens

In der Küche ist Weinraute ein intensives Gewürz, das nur sparsam eingesetzt werden sollte. Es passt gut zu Salaten, Fleisch, Fisch und als Aroma für Kräuterlikör.

Beinwell

lat.: Symphytum officinale

Beinwellzubereitungen wirken entzündungshemmend, wundheilungsfördernd und reizmildernd. Umschlagpasten und Salben helfen bei Sportverletzungen (Blutergüsse, Prellungen, Verstauchungen), Knochenhauterkrankungen, Venenentzündungen und rheumatischen Gelenkerkrankungen. Hinweis: Die Wirkung des Beinwells ist seit der Antike bekannt. Auch Hildegard von Bingen und Paracelsus benutzten die Pflanze zur Behandlung von Knochenschäden, Wunden und Geschwüren. 

Feigenbaum

lat.: Ficus carica

Feigen gelten als leichtes Abführmittel. Sie sind Zusatz in Hustentees und Geschmackskorrigens in Arzneimitteln. In der Küche sind Feigen einfach lecker.

Giersch (oder Geißfuß)

lat.: Aegopodium podragaria

Volksheilkunde und Homöopathie verwenden die Pflanze bei rheumatischen Beschwerden und Gicht. Das frische Kraut als Auflage lindert bei Insektenstichen und kleinen Hautverletzungen. In der Küche werden möglichst junge Blätter als Salat oder Gemüse gegessen. 

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