Mein Blick auf das Leben hat sich schon vor den aktuellen Krisen verändert. Mit meinen Soldaten war ich zu Auslandseinsätzen 2001 in Bosnien und 2006 in Afghanistan. Wenn man von dort zurückkommt, wird einem bewusst, in was für einem intakten Land wir leben dürfen in Freiheit und Demokratie. In Afghanistan habe ich erlebt, was es heißt, nicht wählen, sich nicht frei bewegen und frei entscheiden zu dürfen. Der Einsatz hat mir den Blick dafür geweitet, was wirklich wichtig ist, was zählt. Ich habe Essen, einen Schlafplatz, Arbeit und werde aufgefangen, falls nicht. Unser soziales Netz ist keine Selbstverständlichkeit, das gibt es in vielen Ländern nicht. Insofern habe ich den Lockdown nicht als Freiheitsentzug empfunden, sondern als notwendige Einschränkung. Ich muss nur für mich allein Entscheidungen treffen, die Regierung für 80 Millionen Menschen. Der Ukrainekrieg hat mir noch deutlicher gemacht, wie wichtig es ist, bewusst zu leben und dass sich jeden Tag etwas verändern kann. Und er hat Fragen aufgeworfen. Können wir uns verteidigen? Wie patriotisch sind die Deutschen? Ich glaube nicht, dass hierzulande alle jungen Leute zu den Waffen greifen würden, um ihr Land zu verteidigen, wie in der Ukraine. Hier wollen sich viele selbst verwirklichen, haben aber weniger das Allgemeinwohl im Blick. Die Werte, die für mich durch die Krisen zentral sind: Verzicht, Demut und Dankbarkeit. Es muss nicht immer die Kreuzfahrt sein, zwei Wochen an der Ostsee tun es auch.
Jürgen Stahlhut, evangelischer Militärpfarrer aus Lüneburg


Für mich sind und waren Werte wie Sicherheit, Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit immer von zentraler Bedeutung. Frieden und Gesundheit gehörten irgendwie selbstverständlich mit dazu. Der Krieg in der Ukraine führte aber zu einer ganz neuen Gewichtung. Ich weiß aus Erzählungen meiner Mutter, die als Kind im 2. Weltkrieg fliehen musste, wie es ist, Flüchtling zu sein. Aber das war eher abstrakt. Seit dem 14. März 2022, als wir eine ukrainische Familie bei uns aufnahmen, ist das Thema omnipräsent. Es hat uns mit den Füßen fest auf die Erde gebracht und wir haben gelernt, dass das, was wir als Problem sehen, zum größten Teil keines ist. Die Familie ist mit fünf Kindern im Alter zwischen zwei und neun Jahren aus dem Donbass geflohen. Sie wohnten dort in ihrem Neubau und hatten alles, was zu einem geordneten Leben gehört: Job, Heim, Freunde, Kinder in Schule und Kindergarten, Auto, Haus und Urlaub. Innerhalb einer Nacht haben sie alles verloren, sind mit ein paar Kleidungsstücken und einem Stofftier für die Kinder mit dem Leben davongekommen. Und sind dennoch dankbar. Dankbar, dass es ihnen gut geht. Dankbar, dass man ihnen hilft. Dankbar, dass sie als Familie zusammen sind.
Das ist für mich unglaublich. Ich weiß nicht, ob ich es fertigbringen würde, diese Dankbarkeit zu empfinden, wenn ich alles verloren hätte. Natürlich hat sich bei uns einiges geändert, seitdem die Familie eingezogen ist – aber wir bekommen unglaublich viel zurück. Und wir lernen, dass es Werte gibt, die alles entscheidend sind. Und Frieden und Gesundheit stehen auf meiner Liste jetzt ganz oben.
Kerstin Schmidt, Eventmanagerin aus Varendorf
Freiheit, Unabhängigkeit, Eigenverantwortung sind meine wichtigsten Werte – das hat sich seit meiner legalen Übersiedlung 1975 aus der DDR in die Bundesrepublik nicht verändert. Damals habe ich ein tolles Land vorgefunden, in dem jeder etwas aus sich machen konnte. Mittlerweile sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir Wohlstand verlieren werden. Meine Ziele habe ich durch die Umsetzung meiner Werte erreicht. Leistungsbereitschaft, -fähigkeit, Fleiß und Objektivität gegenüber Andersdenkenden. Leider werden diese Werte heute von einigen gesellschaftlichen Gruppen negiert. In meiner Wahrnehmung sind in unserem Staat, Bürger, die nach Freiheit und Unabhängigkeit streben, nicht mehr en vogue. Ich habe ein sozialistisches System mit restriktiven Methoden kennengelernt und bin sehr sensibel, was die Meinungsfreiheit betrifft. Auch hier wird heute im privaten Umfeld anders geredet als in der Öffentlichkeit. Das kenne ich noch aus der DDR. Viele Menschen in Deutschland rufen viel zu laut nach dem Staat und vertrauen zu wenig auf ihre eigenen Kräfte. Wir dürfen nicht in einen Obrigkeitsstaat abdriften, sondern müssen unsere bürgerlichen Werte hochhalten, jene Eigenschaften und Fähigkeiten, die uns Freiheit und Wohlstand gebracht haben. Der stationäre Einzelhandel ist mein Ding. Daher habe ich vor zwei Jahren den Lüneburger Markt nach 25 Jahren als Geschäftsführer nun auch als alleiniger Inhaber übernommen. Ich möchte, dass dieser Laden erhalten bleibt, nicht nur für mich, sondern für meine Mitarbeiter, die seit vielen Jahren diese Werte leben – Eigenverantwortung, Unabhängigkeit, Freiheit – und damit das Geschäft wettbewerbsfähig gehalten haben.
Thomas Schmid, Kaufmann aus Lüneburg

Seit meinem 16. Lebensjahr befinde ich mich schon auf der Suche nach den unterschiedlichen Antworten auf die zentralen Fragen der Menschheit wie zum Beispiel dem „Sinn des Lebens“ und des Leidens auf dieser Erde. Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat mich tief erschüttert, die Vergänglichkeit meines Wesens ist mir dadurch noch bewusster geworden – Sicherheit ist eine Fiktion! Seitdem kläre ich noch konsequenter meine inneren und äußeren Räume und richte meine Aufmerksamkeit verstärkt auf die Dinge, die zu meinem Leben gehören sollen und verabschiede mich von den Dingen, die meiner Entwicklung nicht mehr dienlich sind.
Dankbarkeit und Demut finden mehr Platz in meinem Leben. So lange ich noch atme und warme Hände habe, möchte ich etwas auf dieser Erde bewegen, berühren – mich berühren lassen. Das tiefe Bedürfnis, der Natur geschützten Raum zurückzugeben, brachte mich in dieser Klimakrise zu meiner aktuellen Projektidee. Zusammen mit den vielen Menschen, die dieser Bewegung folgen, habe ich einen gemeinnützigen Verein gegründet, den HäkelHektar, dort stricken und häkeln wir für den Umweltschutz. Von den Einnahmen, die wir aus dem Verkauf der Waren generieren, pachten wir für die nächsten 50 Jahre auf den Namen HäkelHektar schützenswerte Naturfläche. Wir möchten damit den nächsten Generationen an Menschen, Tieren und Pflanzen ein möglichst großes Fundament sichern, auf dem Leben bestehen und sich entfalten kann.
Mareile Gotza, Hobby-Handarbeiterin aus Wettenbostel


Für mich waren Werte wie Gemeinschaft, Familie und Freunde immer zentral in meinem Leben. Gerade durch die Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns habe ich gelernt, Zeit mit Freunden und Familie viel mehr zu genießen und nicht als bloße Selbstverständlichkeit wahrzunehmen.
Der andauernde Krieg in der Ukraine zeigt mir, dass wir wirklich schätzen sollten, dass unsere Kinder die Möglichkeit haben, sicher und behütet aufzuwachsen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass mein Kind in einem Land aufwachsen wird, das nicht von Krieg bedroht ist. Trotz alledem bleibt auch die Sorge, dass sich die Verhältnisse im Handumdrehen ändern könnten. Die Krisen haben in soweit Einfluss auf mein Leben genommen, dass für mich Sicherheit als neuer zentraler Wert dazugekommen ist und sowohl körperliche Unversehrtheit als auch Gesundheit und deren Absicherung einen sehr großen Stellenwert für mich haben.
Lina Schediwie, werdende Mutter aus Lüneburg