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11 Freundinnen

von Ute Lühr
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Ein Leben ohne Fußball? Für Lisa Rinke unvorstellbar. Unvorstellbar, weil sie diesen Sport liebt, unvorstellbar, weil er einen großen Teil ihres Daseins prägt, und unvorstellbar, weil er ihr das gibt, was sie braucht: ständig neue Herausforderungen, kleine und große Ziele und einen Ort, an dem sie sich geborgen fühlt. „Der Verein und meine Mannschaft – das ist ein bisschen wie nach Hause kommen“, sagt sie lächelnd, „das ist ein bisschen wie Familie.“

Zuhause. Das ist für die 26-Jährige seit vier Jahren Norddeutschland. Zumindest auf dem Personalausweis. Im Herzen aber trägt sie ihre wahre Heimat, die sie liebt und in der noch ihre Eltern und Geschwister wohnen. „Ich bin in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen“, sagt sie, „in Bochum.“ Und auch wenn sie weiß, dass viele Vorurteile gegenüber dieser vermeintlich grauen und staubigen Region im Westen Deutschlands haben, in der die Menschen in Jogginghose rumlaufen und Currywurst essen, sagt sie: „Das Ruhrgebiet hat seinen eigenen Charme, hat sein eigenes Flair, das ist einfach ganz besonders familiär.“
Und trotzdem hat sie sich damals entschieden, ihrer Heimat den Rücken zuzukehren, ist nach der Beendigung ihrer Ausbildung zur Physiotherapeutin mit ihrer damaligen Freundin in den Norden gezogen. „Wir wollten was Neues wagen, einfach mal die Perspektive wechseln.“ Das ist ihnen gelungen. In Salzhausen fanden sie eine kleine Wohnung – und ideale Verkehrsanbindungen. „Die Nähe zu Hamburg und Lüneburg und dabei doch eine ruhige Lage mit einer tollen Aussicht, das hat uns gut gefallen“, sagt Lisa Rinke rückblickend. So wie die Menschen.

Die Norddeutschen seien doch ein angenehmes Volk, meint die 26-Jährige augenzwinkernd. „Offen und liberal. Da kann jeder sein, wie er will.“ Und das gelte auch im Sport. Seitdem sie fünf Jahre alt ist, bestimmt der ihr Leben: „Eine Freundin aus der Grundschule hatte mich damals mit zum Fußball genommen“, erzählt sie, „ihr Bruder war im Verein aktiv, sie oft dabei. So kamen wir ins Team.“ Das bestand damals nur aus Jungs – kein Problem für die beiden: „Ich habe schon im Kindergarten lieber gegen den Ball getreten, als mit den Mädchen Puppen zu spielen“, sagt sie und lacht.
Die Karriere nahm einen rasanten Lauf: Mit 14 Jahren wechselte sie von Wattenscheid-Ost zu Wattenscheid 09, deren Frauen in der Bundesliga spielten und in der es einen guten weiblichen Nachwuchsbereich gab. Schnell landete sie in der Regionalliga-Mannschaft der U17, ging dann zum VfL Bochum, später zur SGS Essen, dann zum SV Berghofen, spielte jahrelang hochklassig. Das wollte sie auch im Norden – und sah sich um.

Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dazuzugehören.
Lisa Rinke

„Infrage kamen von der Spielstärke eigentlich nur der VfL Jesteburg und Eintracht Lüneburg“, erklärt sie. Die Entscheidung fiel ihr leicht: „Ich habe dort im Landkreis Harburg mehrfach am Probetraining teilgenommen, aber festgestellt, dass es einfach zu viele Grüppchen im Team gab, das hat mir so gar nicht gefallen.“ Eine Einheit bilden, Mannschaftsgeist spüren und dann über diesen Spirit Leistung abrufen und gemeinsame Erfolge feiern: Das war es, was sie suchte – und in Lüneburg dann auch fand.
„Ich hatte bei der Eintracht angefragt und dann beim letzten Saisonspiel zugesehen“, erinnert sie sich, „der Trainer hatte mich dann direkt nach Abpfiff mit in den Kreis geholt.“ Zahlreiche Spielerinnen kamen auf sie zu, luden sie ein zum Bier. Das hat gewirkt: „Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dazuzugehören.“

Seitdem verbringt sie Stunde um Stunde mit den Mädels – dreimal in der Woche beim Training, an den Sonntagen beim Spiel. „Wir müssen mitunter sehr weit fahren, um zu unseren Gegnern zu kommen“, sagt sie, „und das nimmt man nur auf sich, wenn man sich auch wohlfühlt.“ Das Wohlfühlgefühl ist es, was Lisa Rinke hält und auffängt, auch wenn es abseits des Platzes mal nicht so läuft, private Probleme sie belasten. Als ein Stück Familie fungiert dabei aber auch sie: „Ich gehöre mit 26 Jahren mittlerweile zu den Ältesten im Team“, erklärt Lisa Rinke, „und habe zudem gerade die B-Trainerlizenz gemacht.“ Seit dieser Saison ist sie nun bei den Frauen gemeinsam mit einem Kollegen als Übungsleiterin tätig. „Gerade die Jüngeren nennen mich dann auch schon mal ‚Mutti‘“, sagt sie lachend, „ich fühle mich ihnen gegenüber aber auch verantwortlich, nehme sie an die Hand und gebe ihnen Erfahrungen mit.“
Mit anderen teilt sie auch abseits des Platzes ihre Zeit, ist mit ihnen enger befreundet. „Das ist eben bei einem Kader mit Spielerinnen zwischen 17 und 33 Jahren so: Da sucht man sich und findet sich, jede, wie es ihr passt. Und trotzdem sind wir eine Einheit, bei der jede mit jeder verbunden ist.“ Grundsätzlich sei Sport ein idealer Weg, um Menschen kennenzulernen und auch abseits der eigenen Familie ein großes Stück Geborgenheit zu finden. Und auch deshalb ist ein Leben ohne Fußball für Lisa Rinke unvorstellbar.

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