Lüneburg hat eine sehr vielfältige Kulturszene und sehr viele Musikformationen für eine Stadt dieser Größe. Es gibt unzählige Bandprojekte in den verschiedensten Genres. Und jede dieser Bands ist wie eine eigene kleine Familie.
Man verfolgt ein gemeinsames Ziel, nämlich die bestmögliche Musik zu machen und dabei den größtmöglichen Spaß zu haben. Beides zusammen hinzukriegen, ist eine Kunst und dafür bedarf es eines sorgfältigen Auges bei der Wahl seiner jeweiligen Mitstreiterinnen. Und im Idealfall werden aus Mitstreiterinnen Freund*innen und am Ende sogar „Familienmitglieder“.

Frollein Sax – ein besonderes Quartett zu fünft
Der Anfang von Frollein Sax liest sich tatsächlich wie die klassische Entstehungsgeschichte einer Familie. Zwei Menschen finden und tun sich nach einer vorher gescheiterten Beziehung zusammen und bald schon wird aus zwei Menschen eine kleine Familie mit zweifachem Zuwachs.
So in etwa erging es Cindy Gottlieb und Carmen Sillmann vor 12 Jahren. Sie spielten bis dahin in einem Saxophonquartett und büßten überraschend die Hälfte davon ein. Das war für sie jedoch kein Grund aufzugeben. Das Leben führte sie mit Kirsten König und Lili Reinkober aus Hamburg zusammen. Auch diese beiden Damen sind dem aufregenden Klang des formschönen Holzblasinstrumentes erlegen, das der Belgier Adolphe Sax erst Mitte des 19. Jahrhunderts erfand. Zusammen entwickelte das Quartett sehr bald schon eine besondere Harmonie, die weit über das Musikalische hinaus geht. Die wurde sogar noch gesteigert, als auf wundersam verwobenen Umwegen über ein Jazzstudium in Holland mit der Hamburgerin Connie Nicklaus ein fünftes Familienmitglied zum Quartett stieß. „Seitdem sind wir wohl weltweit das einzige Saxophonquartett zu fünft. Bei Auftritten immer mit einer Ersatzspielerin auf der Bank“, lacht Carmen Sillmann. Eine Sensation! So wie der Sound, den die fünf Ladies gemeinsam erzeugen. „Für uns alle steht Frollein Sax ganz oben auf der Liste der wichtigen Dinge, die man zum Leben braucht“, verrät Carmen das Geheimnis der erfolgreichen Familiengeschichte. „Wir haben viele Probewochenenden miteinander verbracht, eine intensive Probenphase in Griechenland.“ Dazu kam viel gemeinsame Studiozeit für die Aufnahmen ihrer CDs. 2021 gingen die Frolleins sogar auf Mallorca ins Studio. Um dort in sommerlicher Atmosphäre kurioserweise ihre Weihnachts-CD einzuspielen.
Studioarbeit zeichnet sich durch besonders viel Nähe und intensives Zusammenarbeiten unter Zeitdruck aus. Da bewährt sich besonders eine „gute Chemie“. „Wie in jeder Familie, die etwas auf sich hält, waren und sind wir nicht immer einer Meinung. Unser Vorteil als Musikerinnen-Wahlfamilie ist jedoch, dass das Verbindende der Musik seine Magie nicht nur zwischen Musikern und Publikum entfaltet, sondern auch intern“, da sind sich die fünf Damen einig. „Wir hatten richtig tolle, magische Auftritte und auch wenige, sehr skurrile Gigs, die wir nur gemeinsam verarbeiten konnten.“
2020 bedeutete auch für „Frollein Sax“ eine Zäsur. „Durch Corona und die kaum vorhandenen Engagements haben wir uns ein wenig auseinander gelebt und andere Schwerpunkte in unserem Leben gesucht und zum Glück nicht gefunden.“ Doch gerade in der Krise bewähren sich starke Familienbande. „Wir können uns wochenlang nicht sehen und wenn alle Stricke reißen auch ohne Probe einen Auftritt spielen – wir grooven uns nach dieser langen Zeit, die wir uns schon kennen und miteinander Musik machen, immer schnell aufeinander ein, treffen (meist) den richtigen Ton und sind wieder eins.“
Dass man sich als Band in der aktuellen Situation etwas verstreut fühlt, kann man gut verstehen. Doch was bleibt, ist die Hoffnung auf bessere Tage und der Wille, gemeinsam so lange durchzuhalten, bis sich die Lage wieder halbwegs normalisiert. „Bis dahin puzzeln wir uns wieder mehr zusammen. Dass sich das lohnt, fühlen wir immer dann, wenn wir gemeinsam musizieren, unser Publikum begeistern können und wir in einem gemeinsamen Klang verschmelzen.“

Somebody & Soul – die musikalische Großfamilie
Wenn man als Ehepaar auf gemeinsame glückliche 25 Jahre zurückblicken kann, dann ist das schon eine beachtliche Leistung, die zu Recht groß als Silberhochzeit gefeiert wird. Schafft man das mit seiner Wahlfamilie Band, dann ist das umso bewundernswerter. Die Lüneburger Soulband „Somebody & Soul“ haben dieses Kunststück an Kontinuität tatsächlich hinbekommen. Genau genommen gilt das vor allem für die beiden Bandveteranen Hagen Schütze und Jan Ohlhagen, die dieses Jahr quasi ihre Silberhochzeit feiern können. Gegründet wurde die Formation offiziell schon zwei Jahre zuvor, doch so richtig los ging es mit dem Einstieg von Hagen (Saxophon) und Jan (Gitarre und Gesang) ab 1997. Doch auch der übrige Kern der groovigen Truppe ist schon jahrzehntelang dabei. Tina Ohlhagen, Keyboarderin, Sängerin und Gemahlin von Jan, erinnert sich an ihren Einstieg gemeinsam mit Frontfrau Ute Athen vor 23 Jahren: „Hagen kannte ich schon vorher als Saxophonist der Uni-Big-Band. Er fragte 1998 gleichzeitig bei mir an für den Part als Keyboarderin und bei Ute als zweite Frontsängerin neben der legendären Fridburg Freudenberger. Ute und ich waren da gerade Anfang 20 und auf den ersten Blick sowohl zu jung für die Musik (klassischen Soul) und sowieso zu jung für die Kollegen, die damals alle schon 30 Jahre und älter waren. Aber nach einer ,Audition‘ im verrauchten Proberaumkeller in der Koltmannstraße war schnell klar: Die Küken sind musikalisch aus der Zeit gefallen, sind nett und haben den Job.“ Die weiteren „Familienmitglieder“ sind Peter „Pater“ Unger (seit 24 Jahren Percussionist), Mathias Michaelis (seit 22 Jahren an der Trompete), Florian Kienast (seit 14 Jahren Schlagzeuger), Steffen Happel (seit 11 Jahren Posaunist) und als „jüngstes Kind“ Jens Balzereit (seit zwei Jahren am Bass). Sein Vorgänger Jens Clavin gehörte allerdings ganze 22 Jahre zur Familie.
Auf solch einer langen gemeinsamen Reise lässt es sich nie ganz vermeiden, dass sich Wege trennen und neue Weggefährt*innen dazustoßen. Und auch Enttäuschungen kommen vor. Umso wichtiger ist es, dass das Menschliche stimmt. Die Prioritäten sind daher bei „Somebody & Soul“ klar definiert: „Natürlich ist uns allen die musikalische Qualität nicht egal. Doch für uns ist die ‚Chemie‘ in der Band stets wichtiger. Wenn man seit zig Jahren seine Freizeit miteinander verbringt, muss man sich auch wirklich mögen und im Idealfall miteinander befreundet sein.“
Doch Harmonie und gemeinsamer Groove in einer neunköpfigen Band zu erlangen, ist nicht nur musikalisch harte Arbeit. „In der Summe haben uns die unzähligen gemeinsamen Mittwochabende im Proberaum und der wirklich immer vorhandene große Spaß auf der Bühne fest zusammengeschweißt. Tolle gemeinsame Erlebnisse, Lacher sowie Aufreger rund um unsere Auftritte, die uns auch mal mit einem Nightliner von Hamburg in die Partnerstadt Kulmbach führten. Ein Höhepunkt für die Band war sicher unser gemeinsamer Auftritt mit Nils Landgren im Kulturforum.“
Dass über so viele Jahre und gemeinsam verbrachte Zeit nicht immer eitel Sonnenschein herrscht liegt nahe. Da rummst es auch schon mal in der Bude. „Wir sind alle sehr unterschiedlich und haben auch oft etwas zu diskutieren, ob nun musikalisch oder auf die Band bezogen. Da ist es wichtig, dass keiner dauerhaft ‚querschießt‘, und man am Ende des Tages immer noch gern ein Bier miteinander trinkt!“ Es gab zum Glück nur ganz selten die Situation, dass es zur Trennung kam, weil es nicht (mehr) passte.
Für Tina und Jan Ohlhagen ist „Somebody & Soul“ gleich in doppelter Hinsicht besonders wertvoll: „Wir verbringen stets einen Teil unserer Freizeit mit unserer gemeinsamen Leidenschaft: dem Musizieren. Und das auch noch im gemeinsamen Freundeskreis. Wir sind durch die lange gemeinsame Zeit alle eng befreundet, haben gegenseitig Lebensgefährten kommen und gehen sehen, gemeinsam Hochzeiten gefeiert (auch intern), sind Eltern und Großeltern geworden, haben diverse Proberaumumzüge gewuppt, Krankheiten durchgestanden und leider auch einen Bandkollegen an den Krebs verloren. Wir haben uns alle musikalisch und persönlich weiterentwickelt. Man könnte auch sagen, wir sind gemeinsam älter geworden. Das ist ein Geschenk!“

Magnolia – mit Lauras Lachen fing es an
Auf einer Party fiel für Sängerin Jana Zett und Pianistin Berit Neß bereits vor 27 Jahren der Startschuss für ihren langen gemeinsamen musikalischen Weg. Da entstand spontan in ausgelassener Runde am Kalkbergsee die Idee, zusammen eine eigene Band zu gründen. Ihr größter Fan war damals Laura, die kleine Tochter von Freunden. Ihr ansteckendes Lachen gab schließlich dieser Band ihren ersten Namen: „Laura‘s Laughing“. Eine Formation, die in ihren Anfängen übrigens eine reine Frauen-Band war, damals wie heute leider immer noch eher die Ausnahme von der Regel. Berit Neß stammt aus einer sehr musikalischen Familie und begann schon im zarten Alter von sieben Jahren ihre Ausbildung am klassischen Klavier. „Nach einem Semesterferien-Job habe ich mir einen Synthesizer gekauft und von da an meinen eigenen Stil entwickelt. Klassik habe ich seitdem nie wieder gespielt.“
Jana Zetts Leidenschaft für das Singen zeigte sich ebenfalls schon in jungen Jahren, wobei als erstes Mikrofon bei ihr schon mal die Shampooflasche in der Wanne herhalten musste. Aus „Laura‘s Laughing“ wurde schließlich „magnolia“.
Die Vorstellung, wie sich „Band“ für sie anfühlen soll, hat sich dabei nicht geändert. „Die Band ist ein Beziehungsgeflecht. Wenn wir Songs entwickeln, gehen wir auch emotional in Kontakt.“ In allen Beziehungsgeflechten kommt es natürlich mal vor, dass sich die Verflochtenen trotz aller Verflechtungen in unterschiedliche Richtungen entwickeln und sich Wege trennen. Von dieser Erfahrung blieb über die Jahre auch „magnolia“ nicht verschont. Doch das Herz der Band bilden weiterhin Jana und Berit. Mit Elena Gulli stieg 2015 dann eine perfekte Komplizin ein. „Ich stamme aus einer Familie, die seit fünf Generationen Klavierspieler und Komponisten hervorbringt. Ich habe mich vor 37 Jahren fürs Gitarrespielen entschieden und damit hörbare Schande über meine italienische Familie gebracht“, erklärt sie lachend. Ergänzt wird das dynamische Damentrio in seiner aktuellen Formation durch Lars Plogschties am Schlagzeug und Werner Härdtle am Bass. .„Wir proben einmal die Woche in der Goseburg, tauschen uns auch über unseren Alltag aus, trinken etwas zusammen und im Sommer grillen wir auch mal.“ Klingt nach Familientreffen.

Deputyz Reloaded – die Rock‘n‘Roll-Familie
Der Werdegang der seit vielen Jahren ebenso beliebten wie angesagten „Deputyz“ liest sich beinahe so wie die Geschichten jener Bands, die sie so gut zu covern verstehen. Ob „Deep Purple“, „Status Quo“, „Kiss“ oder „AC/DC“, am Anfang waren das alle mal ganz normale junge Typen, die einfach nur Bock auf eine coole Party und harte Musik hatten. So erging das auch Sänger Stefan „Hardy“ Hartkopf und den beiden Gitarristen der ersten Stunde, Michael und Uwe Lorenz. „Als Lüneburger Musiker kannten wir uns natürlich alle schon vorher. Aber erst im Jahr 2000 gründeten wir als Herren im besten Alter zwischen 28 und 38 Jahren die „Rock‘n‘Roll Deputyz“; wie wir uns damals noch nannten“, erzählt Michael, der ältere Lorenz. „Am Anfang stand der Spaß ganz weit im Vordergrund. Wir wollten einfach Fun haben und fühlten uns wie Rockstars“, lacht er. Doch mit den Jahren entwickelte die Band immer mehr musikalische Reife und Qualität, sodass die Deputyz im Jahr 2010 sogar bei der „Kabel eins“ TV-Show „Die beste Partyband Deutschlands“ auf einen sensationellen dritten Platz unter tausend Bewerbern kamen. Respekt! Die Jungs rockten schon damals auf Lüneburger Stadtfesten und den legendären Stintfesten alles in Grund und Boden. „Diese unzähligen geilen Auftritte haben uns genauso zusammengeschweißt, wie unsere gemeinsamen Touren unter anderem zwei Mal durch Australien oder zum Nato-Stützpunkt in Litauen.“
Klingt nach der perfekten Familiensaga. Doch in welcher Familie läuft schon alles perfekt? So ereilte auch die Deputyz das Schicksal vieler ihrer Heldenbands, sich kurzfristig nach einem neuen Mitglied umsehen zu müssen. Mit ihrem ehemaligen Bassisten verloren sie nicht nur einen langjährigen Mitmusiker, sondern ärgerlicherweise gleich auch noch den ersten Teil ihres Bandnamens. Doch damit allerdings nicht ihren Rock‘n‘Roll. Sie firmierten kurzerhand zu „Deputyz Reloaded“ um und fanden erst in Jens Clavin und schließlich vergangenes Jahr mit Henner Meifert den ersehnten, passenden Familienzuwachs, der zusammen mit Schlagzeuger Lars Neidel für mächtigen Druck und Groove sorgt. Für Michael und Uwe sind die Deputyz gleich in doppelter Hinsicht eine Familienangelegenheit. „Wir sind da tatsächlich wie Angus und Malcolm Young von AC/DC. Wir verstehen uns musikalisch wie im Leben super und lieben es, im Proberaum oder auf der Bühne zusammen zu rocken.“ Still crazy after all these years!