Der Tag, an dem sich Heidi Hepp und Eckhard Geffert entschieden haben, einen kleinen Enkel zu bekommen, war ein guter Tag. Gut für Heidi Hepp, weil sie sich nach den fünf eigenen, mittlerweile erwachsenen Kindeskindern jetzt noch einmal um einen ganz jungen Erdenbürger kümmern kann. Gut für ihren Lebenspartner Eckhard Geffert, der diese Erfahrung bislang nur als Pate machen durfte. Gut für Carolin Sannecke, die dadurch nicht nur zwei vertraute Menschen aus der älteren Generation, sondern zugleich auch ab und an ein wenig Freiraum für sich dazugewonnen hat. Und gut für den kleinen Constantin, der aus der Ruhe und Gelassenheit seiner neuen Wunschgroßeltern erheblichen Nutzen zieht: drei Generationen, eine Einheit.
Oma Heidi und Opa Eckhard, wie der jetzt Dreijährige die beiden Melbecker liebevoll nennt, „die sind ein echter Gewinn für uns“, sagt seine Mutter Carolin Sannecke, die sich vor zwei Jahren ganz bewusst für das Projekt der Caritas entschieden hatte. Als Alleinerziehende auf sich selbst gestellt hatte sie bereits zuvor am Programm „Zeit für Kinder“, das Stadt und Landkreis Lüneburg in Kooperation mit der Familienbildungsstätte und MaDonna anbieten, teilgenommen. Der Fokus war aber ein anderer: Während hierbei Ehrenamtliche besonders den Frauen kurz nach der Geburt zu einer kleinen Auszeit im Alltag verhelfen, sind die Wunschgroßeltern weder Babysitter noch Hausaufgabenbetreuer. Sie sind viel mehr. „Und genau das hat mir gefallen.“
Seit 2007 besteht das Projekt beim Caritasverband.
Carolin Sanneckes eigener Vater ist schon älter, lebt gut 80 Kilometer entfernt und damit nicht gerade um die Ecke. Ihre Mutter ist schon vor langer Zeit gestorben. „Ich finde es aber sehr wichtig, dass Constantin auch mit der älteren Generation aufwächst“, sagt sie, „dass sie ein Teil seines Lebens ist, weil er von ihr so ungemein profitieren kann.“ Denn genau das ist es, was das Projekt erreichen will: eine langfristige Beziehung zwischen Jung und Alt. Seit 2007 gibt es das Konzept beim Caritasverband Lüneburg. Mehrgenerationenhausleiterin Claudia Kuchler erklärt: „Wir führen sowohl Menschen, die Wunschgroßeltern werden möchten, als auch Wunschpaten, meist Jüngere, die freundschaftlichen Kontakt zu Familien mit Kindern suchen, zusammen.“ Etwa 30 gelebte Verhältnisse zwischen Omas, Opas und Enkeln gibt es derzeit, ein Vielfaches mehr wurde in den vergangenen 15 Jahren vermittelt. Um dieses bestmöglich auf den Weg zu bringen, engagiert sich ein ehrenamtliches Beraterteam im Geschwister-Scholl-Haus dafür. Eine davon ist Heidi Hepp.
„Ursprünglich wollte ich damals eigentlich im Büro tätig sein“, erklärt die heute 69-Jährige, „dort war aber kein Bedarf.“ Stattdessen wurde sie im Wunschgroßelternprojekt eingesetzt und fand da nicht nur eine neue Aufgabe, sondern auch ein neues Enkelkind. „Meine Tätigkeit besteht darin, Gespräche mit den verschiedenen Interessenten zu führen, den Bedarf zu ermitteln, die Vorstellungen zu klären“, sagt sie. Wie alt soll das Kind sein, um das ich mich kümmern möchte? Soll es allein sein oder Geschwister haben? In welchem Umkreis soll es leben? Und was kann und will ich zeitlich investieren? Fragen, die vorab unbedingt geklärt sein müssen, damit ein möglichst optimaler Treffer erzielt werden kann. So wie bei Constantin.
„Carolin kam mit ihm damals zu einem ersten Informationsgespräch zu mir“, erinnert sich Heidi Hepp schmunzelnd, „und er hing so wonnig in ihrem Arm – ich war hin und weg, ich hätte ihn adoptieren wollen.“ Zurück in Melbeck besprach sie die Begegnung mit ihrem Lebensgefährten, fragte ihn nach seiner Meinung. Das Paar wurde sich schnell einig: Sie wollten Constantins Wunschgroßeltern werden. Das ist ihnen gelungen.
Weil die Chemie stimmte, wie auch Carolin Sannecke merkte, „denn ich war schon beim ersten Gespräch mit Heidi Hepp von ihr sehr angetan und freute mich im Nachhinein umso mehr, dass sie durch unsere Begegnung überhaupt erst darauf gekommen ist, selbst Teil des Projekts zu werden“, trafen sich die Vier danach privat. Eine übliche Vorgehensweise bei der Caritas, wenn alle damit einverstanden sind.
„Ich habe zwar selbst leibliche Enkelkinder“, sagt die 69-Jährige, „die sind aber groß und leben in Süddeutschland, meiner alten Heimat.“ Wenig Zeit habe sie damals für diese gehabt, musste sie doch arbeiten, sah den Nachwuchs nur am Wochenende – ein Umstand, den sie noch heute bedauert. Mit Constantin ist das anders. An einem festen Tag in der Woche holen die beiden Rentner den Dreijährigen vom Kindergarten ab, gehen mit ihm auf den Spielplatz, zur Eisdiele oder zu sich nach Hause. Da wird getobt, mit Lego gebaut – und gelesen. Da sind Constantin und Eckhard Geffert auf einer Wellenlänge.
„Land & Forst“, das Wochenblatt mit zahlreichen Informationen rund um das Thema Landwirtschaft, aber auch zahllosen Bildern mit Treckern und agrarischen Maschinen, ist ihre gemeinsame Lieblingslektüre. Eckhard Geffert sagt: „Constantin will immer genau wissen, wozu das alles dient“ – und Heidi Hepp ergänzt lachend: „Oder er erzählt seinem Opa, was das alles ist.“ Traktoren hat der Melbecker aber auch im Regal, als Modell, dazu noch jede Menge Sportwagen – ein Traum für den Nachwuchs.
Abends, wenn seine Mutter von der Arbeit kommt, wird gemeinsam gegessen, das hat sich mittlerweile so eingespielt. Carolin Sannecke erklärt: „Die Beziehung zu Heidi und Eckhard ist eben nicht nur Unterstützung und Bereicherung für Constantin, sie ist mehr. Sie ist zu einer Freundschaft geworden, bei der wir über Dinge reden, über die ich sonst wahrscheinlich mit meinen Eltern gesprochen hätte.“ Meinungsverschiedenheiten gibt es deshalb wie in allen anderen familiären Situationen aber auch: „Da ist es eben wichtig, alles offen anzusprechen.“ Eckhard Geffert lächelt und sagt: „Der Tag, an dem wir Constantin aus dem Kindergarten abholen, ist immer das Highlight der Woche. Es ist einfach großartig, zu verfolgen, wie er wächst und sich entwickelt.“