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Die Kraft aus dem Hintergrund

von Ute Lühr
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Die Aktiven des THW sind bundesweit rund 3,7 Millionen Stunden im Jahr für die Gesellschaft im Einsatz. Auch an Weihnachten. Das THW hilft. Wenn Flüsse über die Ufer treten: Sie sind da. Wenn Bäume auf Straßen stürzen: Sie sind da. Wenn Stürme Gebäude in die Knie zwingen: Sie sind da. Sofort. Uneigennützig. Tatkräftig. Und das versprechen sie nicht nur auf den Sozialen Medien, das belegen auch die Daten und Fakten ihres Engagements. Allein im vergangenen Jahr waren die einheitlich dunkelblau gekleideten, bundesweit aktiven Helferinnen und Helfer rund 3,7 Millionen Stunden für die Gesellschaft im Einsatz. Viele Gefahrenlagen würden ohne sie wohl schlimme Folgen haben. Das gilt auch für Lüneburg.

Das Zusammenspiel macht’s möglich

Da war zum Beispiel der Brand am Stint 2013: Unbekannte hatten damals Feuer im Lösecke-Haus gelegt, es drohte, auf die Nachbargebäude überzugreifen und das gesamte Ensemble im alten Hafen zu zerstören – eine undenkbare Katastrophe für die historische Stadt. „Was viele bis heute ja gar nicht wissen, ist, dass das Technische Hilfswerk zum einen durch das Auslegen einer Ponton-Plattform die Feuerwehr unterstützten konnte, damit diese auch vom Wasser aus löschen konnte, zum anderen aber auch beim anschließenden Abriss durch den Einsatz eines ganz speziellen Laser-Sicherungssystems mögliche Bewegungen in den angrenzenden Häuser gemessen hat“, erzählt Godeke Klinge, ehemaliger stellvertretender Lüneburger THW-Ortsverbandsvorsitzender und heutiger Mitarbeiter des Presseteams.

Da waren aber auch die extremen Hochwasser an der Elbe: Dreimal stieg der Pegel in den vergangenen zwanzig Jahren auf ein Maß, das nicht nur Haus und Hof, sondern auch Menschenleben gefährdete. „Wir waren immer mit vor Ort, haben die anderen Einsatzkräfte bei der Stabilisierung der Deiche unterstützt, Säcke befüllt, kritische Bereiche ausgeleuchtet sowie unsere Pumpen betrieben“, sagt der 64-Jährige. Und auch das Gebäude in Hohnstorf, das den Fluten zum Opfer zu fallen drohte, gesichert.

Hier muss man anpacken können.
Godeke Klinge Pressewart Technisches Hilfswerk Lüneburg

Breites Aufgabenfeld 

Und da war die Welle der Geflüchteten in 2015: Weil Wohnungen für die plötzlich stark steigende Bevölkerungszahl fehlten, richteten die Hilfskräfte des THW Notunterkünfte ein – eine Aufgabe, die sich wiederholte: „Im März dieses Jahres haben wir das alte Uni-Gebäude am Wilschenbrucher Weg für die vielen Menschen aus der Ukraine umgerüstet, vor Kurzem die Turnhallen im Hanseviertel.“ Insgesamt 38 provisorische Parzellen wurden dort aufgebaut, diese dann möbliert. Das nennt sich Amtshilfe.

„Wir werden ja nicht nur zum Katastrophenschutz gerufen“, erklärt Godeke Klinge, „sondern auch zur Unterstützung von Einsatzkräften von Stadt und Kreis, Land und Bund.“ Das kann der Zoll sein, der Kapazitäten für den Transport von Aktenmaterial nach einer Großrazzia im Drogenmilieu benötigt, oder die Feuerwehr, die bei ihren Löschversuchen im Harz und Elbsandsteingebirge auf die THW-Mitarbeiter zurückgreift, die in ihren Werkstätten die Tragkraftspritzen warten. Oder die Polizei, die beim G20-Gipfel in Hamburg unter anderem Bereitstellungsräume braucht.

„Wichtig dabei ist, dass wir uns bei alldem immer im Hintergrund halten und nie direkt an den polizeilichen Einsatzstellen sind“, erklärt der Pressewart, „und auch keine Konkurrenz zu all den anderen Organisationen darstellen, sie vielmehr in zahlreichen Bereichen unterstützen.“ Das geht nur mit engagierten und ausgebildeten Ehrenamtlichen. Und davon hat das Technische Hilfswerk viele.

Mitglieder und Nachwuchs

Allein in Lüneburg sind es 140, den Nachwuchs rausgerechnet 80 Aktive, 15 Prozent davon Frauen, „die verbessern das Betriebsklima“, sagt Godeke Klinge und schmunzelt. Früher sei der weibliche Anteil verschwindend gering gewesen – kein Wunder, meint er: „Die Einsätze waren auch ganz andere.“ 

Seit 1987 ist der heute 64-Jährige beim THW, war davor zehn Jahre als Alternative zum Wehrdienst beim Arbeiter-Samariter-Bund. „Die Technik hat mich dann aber doch mehr gereizt.“ Sprenggruppen gab es damals und Sprenghelfer. Oder auch Trupps, die Ersatzbrücken aus Holz bauen konnten. „Egal, was es war, es erforderte alles viel körperliche Kraft.“ Das hat sich geändert.

Ausgebildet wird aber immer noch: 80 Stunden dauert der Grundlehrgang bis zur Einsatzbefähigung, danach können die Ehrenamtlichen sich spezialisieren, wenn sie es denn wollen – die Möglichkeiten sind umfangreich. „Genauso umfangreich ist aber auch das Fachwissen, das viele einfach von Berufswegen schon mitbringen“, weiß Godeke Klinge, „das hilft weiter.“ Was weniger hilft, sind kopfgesteuerte Menschen: „Hier muss man anpacken können“, sagt er, „wenn wir nur Lehrer oder Professoren hätten, kämen wir nicht weit. Die richtige Mischung macht‘s.“

Jeden Donnerstag zwischen 19.30 und 22 Uhr treffen sich die Aktiven im THW-Haus an der Dorette-von-Stern-Straße. Das platzt mittlerweile aus allen Nähten: „Denn dazubekommen haben wir dank unseres guten Images und der vielen Werbung auf den sozialen Kanälen nicht nur zahlreiche Freiwillige, sondern im Laufe der Jahre weitere Einheiten und viel größere Fahrzeuge. Das sind schon ordentliche Geschosse.“ Auf wenig Platz. Das beengt.

 

Foto: nh/tonwert21.de

Und auch sonst habe sich in den vergangenen 35 Jahren doch einiges geändert – zum Positiven wie zum Negativen. „So haben wir mittlerweile auch Fachleute, die sich um die Einsatznachsorge kümmern“, erklärt der Pressewart, „die beispielsweise auch bei der Flutkatastrophe im Ahrtal vor Ort waren.“ Dabei ginge es oft nicht in erster Linie um die Verarbeitung traumatischer Erlebnisse, sondern vielmehr um Hilfe bei hohem Stress und Überforderung. „Da sind dann doch auch Leute mitgefahren, die besser zu Hause hätten bleiben sollen.“ Diese Einheit gäbe es seit 2008, „und das ist auch gut“.

Weniger gut, aber verständlich, sei die Entwicklung des Miteinanders: „Früher gab es für die meisten von uns nur das THW, da haben wir auch außerhalb von Diensten und Einsätzen ganz viel miteinander unternommen. Heute hat doch jeder noch ein anderes Hobby nebenbei und konzentriert sich dann auch darauf.“ Gemeinsame Aktionen gibt es trotzdem: Die Weihnachtsfeier ist seit jeher gesetzt, der Laternenumzug für die Kinder vor einigen Jahren neu dazugekommen – ein Erfolgsmodell wie so vieles beim THW.

Schon gewusst? 

Das THW ist keine Hilfsorganisation, sondern eine Einrichtung des Bundesinnenministeriums. Es finanziert sich daher auch nicht durch Mitgliedsbeiträge oder Spenden, sondern über Steuergelder. Knapp zwei Prozent seiner Mitarbeitenden sind hauptberuflich tätig – ausschließlich in der Verwaltung, der Rest sind Ehrenämtler:innen – 80.000 bundesweit. Dienstgrade wie beispielsweise bei der Feuerwehr gibt es nicht, sondern lediglich Dienststellungen auf Zeit, auch deshalb tragen alle einheitliche blaue Kleidung.

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