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Von wegen Winterschlaf

von Ute Lühr
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Die Rettungsschwimmer:innen des DLRG haben ganzjährig Saison. Anstelle von Trockenübungen in der Halle geht es für das Team mehrmals pro Woche in die kalte Ilmenau.  Wenn der Winter kommt, freuen sich Skifahrer und Rodler, Biathleten und Eisschnellläufer, Snowboarder und Kombinierer. Wassersportler eher nicht: Segler holen ihre Schiffe aus dem Wasser, alles, was sich in Badeshorts und -anzug bewegt, verdrückt sich in die geheizte Halle, und die Surfer zieht es nach Australien, Haiti oder Hawaii, wenn sie es sich denn leisten können. Die Lüneburger Rettungsschwimmer nicht. Zumindest ein Teil von ihnen bleibt auch bei eisigen Temperaturen draußen auf der Ilmenau, geht dort seiner besonderen Leidenschaft nach. Wer glaubt, die Ehrenamtlichen der DLRG legen außerhalb der Badesaison die Beine hoch, der irrt. Einige Aktive haben aus ihrem Hobby mittlerweile einen Leistungssport gemacht, sind Teil des Kaders auf Landesebene oder sogar Mitglied des Junioren-Nationalteams. Denn Rettungsschwimmen ist weit mehr als ein Beobachtungsposten am Meer oder See: Es ist eine Vielzahl trainingsintensiver Disziplinen.
„Der Rettungssport hat seinen Ursprung in Australien und Neuseeland und entwickelte sich aus der humanitären Idee, Menschenleben zu retten, dafür Rettungsschwimmer zu trainieren und sich durch Wettkämpfe fit zu halten“, erklärt Lucas Vogler, 2. Vorsitzender der DLRG-Ortsgruppe Lüneburg und selbst aktiver Trainer und Wettkampfsportler. „Dabei wird zwischen solchen Disziplinen unterschieden, die in der Halle stattfinden, die sogenannten Pool Events, und jenen auf dem Freigewässer, die Ocean Events.“

Wettkampf auf dem Wasser

Während drinnen gegen die Uhr geschwommen, dabei unter Hindernissen durchgetaucht oder eine Kunststoffpuppe gerettet wird, leiten sich die Freigewässer-Wettkämpfe aus den Alltagsanforderungen der Lifeguards am Indischen und Pazifischen Ozean im Ringen mit Wellen und Brandung ab. „Zum Einsatz kommen dabei auch Rettungsbretter und Kajaks“, erklärt der 23-Jährige“, „gestartet wird im Pulk aus knietiefem Wasser heraus.“

Foto: nh/phs

Kraft, Ausdauer, Technik und Koordination sind beim Kampf um die Plätze gefordert. Das hat es ihm angetan. Dreimal pro Woche wird dafür auf der Ilmenau trainiert. Auch im Winter, denn Alternativen gibt es nicht. „Letztlich ist das aber eigentlich auch kein Problem“, sagt der Student: Mit Neopren-Hosen und dicken Jacken setzen sich die Sportler in den Surfski und den Temperaturen zur Wehr. Der Surfski ist ein Sit-on-Top Kajak, das durch seine lange und schmale Konstruktion sehr schnell und besonders geeignet für ein ausgiebiges Langstreckentraining auf allen Gewässern ist. Bewegt wird es mithilfe eines Doppelpaddels, gesteuert durch ein Fußpedal. Erfahrene Kanuten können damit sogar auf kurzen Wellen und hoher See surfen. Und darauf kommt es an.

Der Rettungssport hat seinen Ursprung in Australien und Neuseeland und entwickelte sich aus der humanitären Idee, Menschenleben zu retten, dafür Rettungsschwimmer zu trainieren und sich durch Wettkämpfe fit zu halten.
Lucas Vogler von der DLRG-Ortsgruppe Lüneburg

„International finden unsere Wettkämpfe ausschließlich auf dem Meer statt“, erklärt der 2. Vorsitzende, „das liegt natürlich insbesondere an den Ursprüngen des Rettungssports.“ Und dafür wird auch im Binnenland trainiert. Bis zu sechs Einheiten pro Woche bietet die DLRG ihren Aktiven an, geleitet werden sie von Ehrenamtlichen – wie alles andere bei der Gesellschaft auch. „Das ist eben immer eine Gratwanderung“, weiß Lucas Vogler, „ein Spagat zwischen Job oder Ausbildung, Übungsanleitung und all dem, was man investieren muss, um selbst besser zu werden.“
Zwar gibt es mit Carsten Goldbach einen offiziellen Coach, grundsätzlich kümmern sich aber die Älteren um die Jüngeren, das hat in Lüneburg Methode – und Erfolg: Im bundesweiten Vergleich ist die Ortsgruppe im Freiwasser die drittstärkste, hat zahlreiche Mitglieder im Landeskader, vier sogar auf Bundesebene und mit Lea Kötter ein besonderes Talent in seinen Reihen: Die hat vor Kurzem an der Weltmeisterschaft im italienischen Riccione teilgenommen und diese mit beachtlichen Erfolgen beendet.

Auf der Suche nach Nachwuchs

Mit dem Surfski erreichte sie einen hervorragenden fünften Platz, feierte mit dem Juniorennationalteam den sechsten Rang insgesamt. „Das ist schon richtig gut“, sagt ihr Trainingspartner und Trainer, „denn schließlich mussten sie sich mit den ganz großen Nationen in diesen Disziplinen messen.“ In Australien und Neuseeland sei der Rettungssport so beliebt wie Fußball in Deutschland, sagt der 23-Jährige, „da sind schon die ganz Kleinen auf dem Wasser.“ 

Die erreichen die Lüneburger in erster Linie durch die Vielzahl an Schwimmkursen, die sie mit ihren sieben ehrenamtlichen Ausbildern bestreitet. 90 Prozent seines Nachwuchses rekrutiert der Verband nur hier, und hat deshalb derzeit ein Problem: „Aufgrund der Corona-Pandemie kam fast alles zum Erliegen“, sagt Lucas Vogler, „uns fehlt derzeit die Basis.“ Ohne die hat der Leistungssport aber keine Zukunft – und das will der Verein auf alle Fälle vermeiden.

Angesprochen werden deshalb alle, die ihren Fuß unter Anleitung der DLRG ins Wasser stecken. Der Aktionsradius ist groß: Neben Einsätzen an Badeseen und deutscher Küste, als Bootsführer oder Taucher bietet auch der Sportbereich mit seinen Wettkämpfen von der Bezirksebene bis zur Weltmeisterschaft vielfältige Möglichkeiten. „Was wir leisten, ist eben wahnsinnig abwechslungsreich“, sagt der 2. Vorsitzende, „und eine tolle Erfahrung auch im Team.“

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