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Die Gefährten

von Ute Lühr

Trotz seiner geringen Größe ist Hund Frodo für Sandra Ballendat zu einer wichtigen Stütze geworden. Ihre Freundschaft trug die Lüneburgerin durch manche Krise – bis hin zum kompletten Neustart. Es gab da diesen Moment im Leben von Sandra Ballendat, da ging einfach gar nichts mehr. Da saß sie am Tisch in ihrer Küche und verletzte sich selbst. Da waren die Probleme zu gewaltig, die Depressionen zu groß geworden, „das konnte ich nicht mehr kompensieren“, erinnert sie sich. Sie hatte ihren absoluten Tiefpunkt erreicht – alleinerziehend mit 37 Jahren. Und dann fasste sie einen Entschluss, dessen Tragweite sie noch immer überwältigt: „Das hat alle verändert.“

Hilfe aus dem Freundeskreis 

Der Beschluss ist mittlerweile gut sieben Jahre alt und etwa 30 Zentimeter groß, trägt schwarzes kurzes Fell und einen markanten Namen: Frodo. „Der ist genauso wie der kleine Hobbit“, schwärmt Sandra Ballendat von ihrem vierbeinigen Freund, „komprimiert in Statur, aber beeindruckend im Wesen.“ Auch wenn dem das wahrscheinlich gar nicht so bewusst ist – die Chemie aber stimmt, das spürt wohl auch der treue Gefährte. Auch er hat eine Geschichte.
Einem Zufall ist es zu verdanken, dass sich Frodo und Sandra Ballendat getroffen haben. „Ich habe das große Glück, drei sehr gute Freundinnen zu haben, die mir am Tiefpunkt meines Lebens sehr geholfen haben“, sagt die heute 44-Jährige. So sorgten sie dafür, dass sie aufgefangen wurde, sie animierten sie, sich Hilfe zu holen – und die kam schnell: Schon wenige Tage nach ihrem Moment in der Küche hatte sie sich über berufliche Beziehungen einen Platz in einer Klinik in Uelzen besorgt. Drei lange Wochen war sie dort auf Station.

Erstes Kennenlernen und erneuter Tiefschlag

„Das hat mir damals wirklich gutgetan“, erzählt die sportbegeisterte Medizinische Fachangestellte rückblickend: Viele Stunden habe sie für Spaziergänge durch die Wälder genutzt, dabei häufig Menschen mit Vierbeinern angetroffen. Da reifte der Entschluss. „Wir hatten zu Hause immer einen Hund“, sagt sie, „das war mir also nicht fremd, ließ sich später mit meinem Alltag aber nicht wirklich gut vereinbaren.“ Das sollte sich nun ändern.
Kaum nach Lüneburg zurückgekehrt, erkundigte sie sich im Tierheim, durchforschte das Internet und die Kleinanzeigen. „Das muss ja auch passen“, weiß sie, „da kann man ja nicht wahllos irgendeinen nehmen.“ Frodo entsprach dann aber doch nicht so den Vorstellungen. „Eine Freundin gab mir den Tipp, mir auf dem Hof von Martin Trapp in Vögelsen mal die Hunde anzusehen.“ Martin Trapp, so erklärt sie, nehme regelmäßig Fundtiere auf und vermittle sie dann weiter. Sie gab der Sache eine Chance.
„Was dort auf mich zugelaufen kam, war aber eigentlich so gar nicht das, was ich eigentlich wollte“, sagt sie und lacht, „ich wollte doch einen Hund, also einen richtigen Hund.“ Frodo aber eroberte ihr Herz im Sturm – trotz seiner geringen Größe und trotz des rosa Halsbands, das er trug. „Während seine Geschwister kamen, schnüffelten und wieder verschwanden, blieb er bei mir und wich nicht mehr von meiner Seite.“ Und als sie dann vernahm, dass er ein Rüde sei, das vermeintliche Kennzeichen für ein Weibchen nur trug, weil es kein anderes mehr gab, stand der Beschluss fest. „Obwohl mir das Geschlecht am Ende dann wohl auch egal gewesen wäre.“
Zwei Wochen später konnte Sandra Ballendat ihren kleinen neuen Mitbewohner abholen, abgemagert, ängstlich und voller Flöhe, vier Wochen später kam der erneute Tiefschlag: „Wann immer ich auf dem Sofa in meiner Wohnung lag, hatte sich Frodo in meine rechte Armbeuge gelegt“, erzählt Sandra Ballendat, „und das hatte wohl einen Grund.“ Sie hatte Krebs, in der rechten Brust und später auch an anderen Organen. Ein neuer Leidensweg begann. „Frodo hat mich hochgehalten.“ Auch wenn die Auswirkungen der Krankheit gnädig mit ihr waren, sie keine Chemo und keine Bestrahlung brauchte, hatte sie einen neuen Rückfall am Küchentisch. Der kleine Hund kam zu ihr, legte seinen Kopf auf ihren Schoß. Und blieb. Sie konnte wieder atmen.

Foto: nh/tonwert21.de
Foto: nh/tonwert21.de

Neue Wege gehen 

Einen Therapieplatz hat sie schnell gefunden, das Tier mitunter bei ihrer Freundin, das Kind phasenweise bei ihrem Ex-Mann untergebracht. „Wir haben immer noch ein gutes Verhältnis zueinander“, sagt sie lächelnd, „und das hilft.“ Mittlerweile hat sie den Krebs überwunden – und auch sonst geht es ihr so gut, wie lange nicht mehr. Nachdem sie zu Beginn des Jahres einen Bandscheibenvorfall hatte, wieder lange krankgeschrieben war, hat sie die Weichen für die Zukunft gestellt: Den alten Job in der Kinder- und Jugendpsychiatrie hat sie aus verschiedenen Gründen gekündigt, hat in einer großen Orthopädiepraxis neue Aufgaben gefunden. „Das macht mir wahnsinnig viel Spaß, weil es so viel mit der Gesundheit zu tun hat, und das ist mein Thema.“
Hätte sie das Abitur gehabt, so mutmaßt sie heute, hätte sie wohl Medizin studiert. Alternativen fand sie dann im Sport: „Durch Zufall bin ich schon vor Jahren beim Zumba gelandet, habe dann verschiedene Scheine gemacht, mich im Anschluss dann in einem Fernstudium fortgebildet und die Prüfung für die Lizenz bestanden.“ Ausschließlich als Trainerin zu arbeiten, kam dann aber doch nicht infrage: „Man wird nicht jünger.“

Der [Hund] ist genauso wie der kleine Hobbit, komprimiert in Statur, aber beeindruckend im Wesen..
Sandra Ballendat

Hätte sie das Abitur gehabt, so mutmaßt sie heute, hätte sie wohl Medizin studiert. Alternativen fand sie dann im Sport: „Durch Zufall bin ich schon vor Jahren beim Zumba gelandet, habe dann verschiedene Scheine gemacht, mich im Anschluss dann in einem Fernstudium fortgebildet und die Prüfung für die Lizenz bestanden.“ Ausschließlich als Trainerin zu arbeiten, kam dann aber doch nicht infrage: „Man wird nicht jünger.“

Zudem lassen sich Job, Kind und Tier gut vereinbaren, eine Lebensgefährtin hat Sandra Ballendat mittlerweile auch gefunden. „Diese ganze Entwicklung habe ich auch Frodo zu verdanken“, ist sie überzeugt, „er ist wie ich, es passt zu hundert Prozent. Wir haben uns gegenseitig gerettet.“

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