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Sich frei trommeln

von Ute Lühr
Erschienen: Zuletzt aktualisiert:

Trommelgruppe ‚‚Sambucada“

20 Männer und Frauen hauen in der Lüneburger Trommelgruppe Sambucada wöchentlich so richtig auf die Pauke. Das ist gut für Körper, Geist und Seele. Wege aus der Krise gibt es unzählige. Für Susanne Chibunna ist es die Musik – oder präziser formuliert: der Rhythmus. Seit gut drei Jahren ist die quirlige Frau Teil der Lüneburger Trommelgruppe Sambucada, verwandelt einmal pro Woche die nüchterne Aula der Christianischule in die geräuschvollen Straßen Salvador da Bahias. Mittlerweile ist die bunte Band für sie zu einem festen Anker geworden, macht sie zu einem in Teilen wieder lebenslustigen Menschen. Das war nicht immer so.

Mit Musik gegen den Stress

„Es gab eine Zeit, da ging es mir richtig schlecht, da hatte ich so viele gesundheitliche Probleme, fühlte mich einsam, da war schon der Weg zum Briefkasten zu viel“, sagt Susanne Chibunna – kaum zu glauben, wenn man sie jetzt erlebt. Das Gemeinschaftsgefühl, die Faszination der Instrumente, die Möglichkeit, mit diesen und als Teil der Gruppe Stress ab-, aber gleichzeitig Wohlgefühl aufbauen zu können, das ist es, was die Lüneburgerin aus ihrem tiefen Loch geholt und zu einem inzwischen ganz wichtigen Teil ihres Lebens geworden ist. Der Zufall stellte damals die Weichen.

Die Gründung

„In der Lünepost habe ich eine kleine Anzeige gelesen, dass sich hier eine neue Trommelgruppe formieren soll. Das hat mich neugierig gemacht.“ Geschaltet hatte die Annonce Steffi Martin, die dem Rhythmus schon lange verfallen ist. Als Zugezogene wollte sie in der kleinen Hansestadt Kontakte knüpfen, orientierte sich beruflich und musikalisch zunächst aber dann doch Richtung Hamburg, bevor die Geburt ihrer kleinen Tochter den Fokus von der Elbe wieder an die Ilmenau lenkte. Schon 2018 dachte sie gemeinsam mit einem Freund über ein derartiges Projekt nach, ein Jahr später setzte sie es dann schließlich um.

„Wir haben auf den verschiedenen medialen Kanälen Werbung für einen initialen Workshop gemacht und diesen dann im Herbst vor drei Jahren durchgeführt“, erklärt Steffi Martin. Knapp 20 Männer und Frauen waren dem Aufruf damals gefolgt, viele sind noch dabei. Auch der Mestre. Der heißt Matthias Baumann und leitet neben der Sambucada Lüneburg auch die gleichlautende Formation in Tostedt. „Denselben Namen haben wir ganz bewusst gewählt“, erklärt die Initiatorin, „denn oftmals unterstützen wir uns gegenseitig, und deshalb spielen wir auch dasselbe Repertoire.“

Foto: nh/tonwert21.de

Ein Mix aus Samba-Reggae-Rhytmen und brasilianischer Afro Blocos

Das besteht maßgeblich aus Samba-Reggae-Rhythmen verschiedener brasilianischer Afro Blocos und wird ganz klassisch mit Trommelnotationen, aber auch per akustischer Aufnahmen gelernt. „Mitmachen kann dabei jede und jeder“, sagt die passionierte Musikerin, „und benötigt auch nicht viel.“ Etwas Zeit, ausreichend Engagement und einen Hauch von Rhythmus sollten die Interessenten schon mitbringen, das Instrument wird gestellt.

Und das präsentiert sich in der Christianischule in einer beeindruckenden Vielfalt: Da gibt es die Fundo mit ihrem tiefen Klang, die ganz gleichmäßig gespielt werden. Da gibt es aber auch die Dobra, die einen helleren Ton von sich gibt. Oder die Repi, die Trommel der Dirigenten und zudem ein wichtiges Groove-Instrument, welches für Anfänger aufgrund seiner komplexen Spielweise eher ungeeignet ist. Oder aber die Caixa, das Herzstück eines jeden Schlagzeugs, das aber auch in der Samba-Formation nicht fehlen darf. Und schließlich die Timbal, auf der nur die Hände zum Einsatz kommen.

Erste Auftritte 

Das Zusammenspiel klappt dann nur unter Anleitung, wie Steffi Martin erklärt: „Matthias gibt Zeichen, dirigiert auch durch Blicke. Den Rest müssen wir uns erarbeiten.“ Zwei Stunden haben sie dazu Zeit, treffen sich jeden Donnerstag ab 19 Uhr in der Aula der Schule. Und hatten auch schon einige Auftritte: „Unter anderem waren wir auf der Musikmeile in Barnstedt und haben da im Dunkeln für richtig gute Stimmung gesorgt. Und auch beim Erlebnissonntag in Lüneburg, bei dem wir an ganz unterschiedlichen Standorten in der Innenstadt ganz viele Menschen begeistern durften.“ Den begehrten Startplatz für die Veranstaltung hatte Susanne Chibunna damals organisiert, hatte den entscheidenden Tipp zur Bewegung gegeben. Und auch sonst benötigt die Gruppe weder Pressewart noch Sprachrohr, weder Marketingexperte noch Organisationstalent: Das vereinigt die tatkräftige Frau alles in sich. Jüngst war sie mit ihrer Band auf „Hallo Niedersachsen“ zu sehen, dann war sie Thema auf NDR1, gewann bei einem Preisausschreiben einen Picknickkorb für das Ensemble und ganz viel positive Resonanz für sich. „Mein jüngstes Projekt sind Briefmarken mit unserem Logo“, sagt sie, frei nach dem Motto: „Bei Sambucada geht die Post ab.“

Ein tolles Gemeinschaftsgefühl

Genau das empfindet die Lüneburgerin aber auch bei jedem Zusammentreffen so – und die finden nicht nur an der Thorner Straße statt: „Wir gehen auch mal zusammen in die Kneipe oder sehen uns bei einem Kaffee“, sagt sie. Im kommenden Jahr will ein Teil der Gruppe zudem einen gemeinsamen Ausflug machen: Auf alle Fälle zum Bremer Karneval mit seinen unzähligen Bands auf seinen unzähligen Bühnen, und vielleicht auch nach Coburg zum Samba-Festival.

Susanne Chibunna ist dann auch mit dabei, denn für sie ist die Trommel-Gemeinschaft ein Lebenselixier: „Das ist einfach eine tolle Truppe, das macht Spaß, und mit denen fühle ich mich immer wohl.“

Mitmachen

Wer Interesse hat, an einem Übungsabend teilzunehmen, kann sich bei Matthias Baumann unter Tel.: 0157 79077017 oder per Mail melden. Neue Mitspieler:innen sind jederzeit willkommen.

Die Ursprünge

Der Samba gilt als Tanz Brasiliens. Er wurde von einer verfolgten Kultur zum Symbol einer Nation und ist heute von der UNESCO als „Immaterielles Kulturerbe der Menschheit“ anerkannt. Seinen Ursprung hat der Samba im 19. Jahrhundert in den Traditionen der afrikanischen Sklaven, die ihre Batuques (Trommeln) mit nach Brasilien brachten. Portugiesische Kolonisten brachten zudem Instrumente aus der Folkloremusik mit, die kulturellen Elemente verschmolzen. Der samba de roda, ein Kreistanz, gilt als Ursprung des heutigen brasilianischen Samba. Durch die Mischung aus Tanz, Musik und Poesie gaben die Menschen afrikanischer Herkunft ihrer Geschichte, Kultur und Erfahrungen Ausdruck, die von viel Leid geprägt waren. Zur Begleitung benutzte man dabei nicht nur Trommeln und andere typische brasilianische Instrumente, sondern zur rhythmischen Unterstützung auch Händeklatschen oder das Schlagen von Besteck, Gläsern und Tellern. Der erste überregional erfolgreiche Musikstil Brasiliens war um 1870 der Choro aus Rio de Janeiro, eine Mischung aus europäischer Tanzmusik und afrobrasilianischer Musik mit sambatypischen Melodien. Daraus entwickelte sich in den 1920er-Jahren der heutige Samba in den Vorstädten Rios.  Quelle: Aventura do Brasil

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